Читать книгу Konstruktive Rhetorik - Jürg Häusermann - Страница 41
Dialog ist ein gemeinsamer Prozess
ОглавлениеEin Dialog ist ein Text, den mehrere Beteiligte (zum Beispiel Redner und Publikum) gemeinsam herstellen.89 Paradebeispiel ist die Erörterung eines Themas in einem Team. Jeder hat etwas beizutragen; der „Text“, der entsteht, ist eine Abfolge dieser Beiträge. Das gemeinsame Ergebnis ist die Folge des Austauschs zwischen den Beteiligten.
Der Begriff „Dialog“ wird in der Öffentlichkeit täglich bemüht. Wenn zum Beispiel in verfahrenen politischen Situationen ein Fortschritt erzielt werden soll, setzt man auf Dialog – zwischen den USA und Russland, zwischen Christen und Muslimen, Fremden und Einheimischen, Gegnern, Experten usw. Dementsprechend gibt es unzählige Modelle für Dialoge in Politik, Philosophie und Theologie. Sokrates führte den Dialog mit seinen Jüngern, um ihnen bei ihrer Erkenntnissuche zu helfen.90 Hans-Georg Gadamer trat mit alten Texten in einen Dialog, um sie zu verstehen. Martin Buber betonte den Dialog, die Hinwendung zum anderen und dessen Anerkennung, als Bedingung für die Entstehung eines „Wir“.91 Völlig andere Bedeutung haben technische Dialogbegriffe. Wer sich über Apple TV und iTunes unterhalten lässt und dabei vor sich hinspricht, führt einen Dialog mit der Software SIRI, also in einem recht reduzierten Sinn. Auch wer nur schon in einem einfachen Computerprogramm auf OK klickt, ist aus Sicht der Informatik mitten in einem Dialog.
Für die rhetorische Kommunikation ist es zunächst wichtig, den Dialog als einen Prozess zu verstehen. Die Gesprächspartner (bzw. der Redner und sein Publikum) lassen in gemeinsamer Arbeit eine Sequenz von Rede und Gegenrede entstehen. Dialog in diesem Sinne entspricht einer partnerschaftlichen Haltung sowohl auf der Sach- als auch auf der Beziehungsebene.