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Reden, ohne zuzuhören

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Ungeachtet des feierlichen Rahmens versuchten Abgeordnete die Rede mit Zwischenrufen zu stören. Dass dies nicht gelang, gehört auch zur Tragik des extremen Monologs. Jenninger selbst berichtet es so:

»Schon nach den ersten fünf Sätzen meiner Rede kam es im Bundestag zu Zwischenrufen der Grünen an mich: „Sie Altnazi! Wie kommen Sie dazu, darüber zu reden! Hören Sie auf,“ hat damals eine Abgeordnete der Grünen gerufen — andere haben ähnliche Beleidigungen von sich gegeben. Ich habe dann die Abgeordneten der Grünen aufgefordert, die Zwischenrufe einzustellen und die Würde dieser Gedenkstunde nicht zu stören. Aber sie hörten nicht darauf.«67

Zwischenrufe begannen schon zu Beginn, als Jenninger begründete, warum das Parlament der BRD eine eigene Gedenkveranstaltung abhielt. Deutlich zu verstehen war der Satz: „Aber das ist doch alles gelogen!“68

Was sollte der Redner tun? Er wusste in der Situation nur eine Lösung: an die Disziplin zu appellieren: „Bitte lassen Sie diese würdige Stunde in dieser Form ablaufen! Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich Sie herzlich bitte, jetzt äh sich ruhig zu verhalten.“69

Je monologischer die Rede, desto passiver ist die Rolle, die dem Publikum zugeschrieben wird. In der parlamentarischen Feierstunde sind keine Signale für Reaktionen aus dem Publikum vorgesehen, im Gegensatz zur parlamentarischen Verhandlung. Da sind Zwischenrufe zwar üblich, aber nicht als Diskussionsbeitrag, sondern als Signal an den Bürger, vor dem die Debatte zelebriert wird. Zwischenfragen werden nur nach strengen Regeln rituell durchexerziert. Problematisch ist, dass dieser Umgang mit Reden oft Vorbildcharakter hat. Man erwartet einen brillanten, ununterbrochenen Vortrag auch da, wo ein gemeinsamer Erkenntnisgewinn nützlich wäre, wo also ein Austausch nonverbaler oder verbaler Art beide Seiten weiterbrächte. Produktiv sind Veranstaltungen, bei denen z.B. eine Unterbrechung durch Fragen aus dem Publikum erwünscht ist und im besten Fall sogar einen fließenden Übergang zwischen Rede und Diskussion möglich macht.

Konstruktive Rhetorik

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