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Fragen, die keine Fragen sind
ОглавлениеKennzeichnend für das Angebot einer Interaktion ist traditionsgemäß die Frageform – außer es handelt sich um eine sogenannte rhetorische Frage. Die Zuhörenden sollen sich die Antwort selbst geben; meistens wird sie durch den Kontext insinuiert. Rhetorische Fragen sind auch im Alltag durchaus üblich. Dort ist es aber leicht, mit einer entsprechenden Intonation und Pause zu signalisieren, wie sie gemeint sind – und die Möglichkeit der Antwort oder sonstigen Reaktion ist gegeben. In der öffentlichen Rede demonstriert sie den Verzicht auf den Dialog, wenn sie nicht entsprechend eingebettet ist. Jenninger formulierte gar zehn Sätze in Frageform, die ganz unterschiedliches aussagten. Was fehlte, war die passende sprecherische Ausführung mit Intonation und Pausen, die dazu gehört, will man aus der rhetorischen Frage ein Instrument des Dialogs machen.
In den Jahren nach der Gedenkstunde sind unzählige Analysen der Rede erschienen. Die meisten stützen sich auf den Wortlaut. Einige aber weisen auch auf die besondere Stimmung im Saal hin, die von Anfang an ein Verstehen erschwerte. Der Linguist Peter von Polenz spricht von einer „weithin oberflächlichen, unaufmerksamen und neurotischen Rezeptionshaltung,“71 Jenninger selbst sprach in einem späteren Interview von der „Eiseskälte“, die er von den Parlamentariern zum Rednerpult hochkommen spürte.72 All das sind Ausdrücke, die das Destruktive illustrieren, das mit der Verherrlichung des Monologs einhergeht.