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Bernhard, Thomas (1931–1989)
ОглавлениеLaut Eintrag in Killys Literaturlexikon nimmt Bernhards Werk einen „hervorragenden Platz in der Problemgeschichte der Misanthropie“ ein (Killy Literaturlexikon, Bd. 1., S. 464). Wie berechtigt diese Einschätzung immer sein mag, sie ist um den Hinweis zu ergänzen, dass Bernhard wie vielleicht kaum ein anderer Schriftsteller den blinden generativen Flecken reflektieren vermag, aus dem alle Misanthropie, der Mensch als Leid erfahrendes und zufügendes Wesen zuallererst hervorgeht. Und zwar tut er dies in kantischer Manier, indem er hervorhebt, er sei gezeugt worden, ohne gefragt worden zu sein (Elterntabu, ElternverwünschungBernhard).
Folgende Auszüge demonstrieren für Bernhard die Vorwurfs-Implikation der Mä phynai-Klage: „Der Mensch ist das Unglück, sagte er immer wieder, dachte ich, nur der Dummkopf behauptet das Gegenteil. Geborenwerden ist ein Unglück, sagte er, und solange wir leben, setzen wir dieses Unglück fort, nur der Tod bricht es ab. Das heißt aber nicht, dass wir nur unglücklich sind, unser Unglück ist Voraussetzung dafür, dass wir auch glücklich sein können, nur über den Umweg des Unglücks können wir glücklich sein, sagte er, dachte ich.“ (Thomas Bernhard, Der Untergeher, in: Die Romane, S. 999)
Statt antikisierender bloßer Beklagung des Geborenwordenseins haben wir es nachstehend mit einer Kritik progenerativer Entscheidungen zu tun:
„Er sagte: ‚Die Menschen, die einen neuen Menschen machen, nehmen doch eine ungeheuere Verantwortung auf sich. Alles unerfüllbar. Hoffnungslos. Das ist ein großes Verbrechen, einen Menschen zu machen, von dem man weiß, dass er unglücklich sein wird, wenigstens irgendwann einmal unglücklich sein wird. Das Unglück, das einen Augenblick lang existiert, ist das ganze Unglück. Ein Alleinsein erzeugen, weil man nicht mehr allein sein will, das ist verbrecherisch.’ Er sagte: ‚Der Antrieb der Natur ist verbrecherisch, und sich darauf berufen ist eine Ausrede, wie alles nur eine Ausrede ist, was Menschen anrühren.’“ (Thomas Bernhard, Frost, in: Die Romane, S. 28)
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