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Bioaxionome Urschicht

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Bei aller Instinktreduzierung ist dem Menschen das wohl allen Lebewesen eignende Streben nach Selbsterhaltung gerade nicht verlorengegangen. Dem entsprechend gilt den Anhängern einer der beiden Hauptsekten der Religionsgemeinschaft der Jainas der Tod durch langsames Verhungern als der bedeutendste Sieg des Geistes über den blinden Weiterlebenswunsch. Im freiwilligen Verhungern wendet der Jaina den Höchstwert der Abkehr von allem Vergänglichen auf sich selbst an. Seine Wertlehre – wie auch diejenige der Stoa – ist Ausdruck der Emanzipation von den Vorgaben jener biologischen Urschicht, die allen Menschen die Selbsterhaltung als Grundeinstellung diktiert.

Sofern er nicht ausdrücklich für den Suizid plädiert (Suizidzynismus), argumentiert der Antinatalismus zwar nicht unmittelbar gegen das Prinzip individueller Selbsterhaltung, wohl aber gegen den auf der bionomen Urschicht siedelnden Wert des Gattungserhalts: Der allseits hochgehaltene Wert des Gattungserhalts speist sich aus einer Kombination zweier bionomer Vorgaben: Selbsterhalt und Fortpflanzung(strieb). In Gestalt der Fortpflanzung wird ein Ausweg vorgetäuscht, wie das Selbst nach dem eigenen Ableben in wie immer abgeschwächter Form an der Zukunft teilhaben kann.

Selbsterhaltung und Fortpflanzung(strieb) sind die bionomen Vorgaben, auf denen der bei nüchterner Betrachtung durchaus nicht selbstverständliche Höchstwert des Gattungserhalts ruht. Wir sprechen diesbezüglich von einer bioaxionomen Urschicht. Wie es scheint, speist diese biologische Urschicht selbst noch die Ergebnisse philosophischer Reflexion und zumal die vorgefundenen Intuitionen, die zahlreiche Philosophen zum Ausgangspunkt ihres Nachdenkens nehmen (statt nach der Berechtigung der jeweilig angetroffenen Intuitionen zu fragen).

Die menschliche Gattung ist kein Individuum, sondern ein Aggregat aus Individuen. Eine aussterbende Menschheit empfände daher keine Todesangst. Die Idee einer todesangstartigen „Suizidbremse“, die sie vor dem Aussterben bewahren würde – entschlössen die Menschen sich zur Nachkommenlosigkeit – ist auf die Art nicht anwendbar. In den „Dienst“ des Fortbestehens der Gattung tritt vielmehr die Wertsphäre, die ebenso daseinspositiv gefärbt ist, wie sie von den Radikalen der bionomen Urschicht getränkt ist.

Antinatalismus

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