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Besser nie gelebte Leben
ОглавлениеAus der Zeit des chinesischem Boxeraufstands, um die Wende zum 20. Jahrhundert, berichtet Elisabeth von Heyking über die Armen von Peking: „Kaum menschliche Wesen waren sie zu nennen in ihrem Schmutz und ihrer namenlosen Verkommenheit. Und viele waren noch sehr jung, noch Kinder, und mussten doch auch mal eine Mutter gehabt haben [Elternschuld]! Und der Jammer dieser vielen, besser nie gelebten Leben erschien deshalb so entsetzlich, weil seine völlige Hoffnungslosigkeit so klar vor Augen lag.“ (Elisabeth von Heyking, Briefe, die ihn nie erreichten, S. 226)
Vergleichbaren Einschätzungen wie derjenigen Heykings steht die verbreitete Überzeugung im Wege, es sei immer noch besser erbärmlich gelebt zu haben als gar nicht. Dahinter wiederum steht der Mythos vom Totgebliebensein: Hätte ich niemals zu leben begonnen, wäre ich ewig tot geblieben – und da ich den Tod fürchte und lieber erbärmlich weiterlebe als zu sterben, muss es besser sein, von Anfang an schlecht als gar nicht gelebt zu haben.