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Besserhaben, Gutes und das Beste fürs Kind
ОглавлениеEltern wollen immer nur das Beste für ihre Kinder. Und schon begehen sie einen Salto natale, indem sie den Umstand, dass es einem Kind gut gehen soll, als Rechtfertigung dafür ansehen, so zu handeln, dass ein Kind zu leben beginnt.
Eltern, die das Beste für ihr Kind wollen, müssen dieses Kind zunächst einmal haben. Und für wen wollen die Eltern dieses Kind? Für sich selbst! Eltern, die wiederholen, für ihr Kind nur das Beste zu wollen, wollten also zunächst einmal für sich das Beste; zumindest wollten sie sich etwas Gutes tun. Dieses Beste oder Gute ist das Kind, über das es vor noch gar nicht allzu langer Zeit regelmäßig hieß, die Frau habe es ihrem Manne geschenkt.
In einer ebenso paradoxen Variante dient als Hervorbringungsgrund für ein eigenes Kind, dass dieses es einmal besser haben solle als Vater oder Mutter. Dahinter mag die Hoffnung der Eltern stehen, dass es ihnen (den Eltern) besser gehen wird, wenn sie sehen, dass es ihrem Kind besser geht. Bleibt die Frage, warum es ausgerechnet einem eigenen Kind besser gehen muss und es den Eltern nicht bereits dann besser gehen könnte, wenn sie sehen, dass es einem anderen Menschen als dem eigenen Kind besser geht als ihnen selbst.
Erich Kästner (1899–1974) entlarvt die Pronatallüge „Meine Kinder sollen es einmal besser haben“, indem er den Fortpflanzungswunsch als Resultante persönlichen Scheiterns entlarvt. Mit Recht gilt ihm der intergenerationelle Meliorismus, wie er im „Meine Kinder sollen es einmal besser haben!“ zum Ausdruck kommt, als Lüge vor Lebzeiten:
„Ein Mann verachtet sich
Wenn der Lebenslauf so recht misslang / (und das ist der Fall im großen ganzen), / der verspürt, mit einem Mal, den Drang, / sich so schnell wie möglich fortzupflanzen. /
Alles, was er plante, blieben Pläne. / Ein Jahrzehnt marschierte er an Ort. / Ach, sein Ehrgeiz hatte falsche Zähne! / Und am liebsten spülte er sich fort. /
Doch er bleibt. Und geht zur Nacht spazieren. / Und in tausend Fenstern sieht er Licht. / Die dahinter werden auch verlieren! / Doch ein Trost für ihn ist das noch nicht... /
Er erkennt, weil er im Dunkel steht, / seine Täuschung als die allgemeine. / Zwecklos ist, daß sich der Globus dreht! / Irgend jemand hat ihn an der Leine. /
Er verzweifelt in bescheidnen Grenzen, / geht nach Hause und beschließt im Bett, / die Familie endlich zu ergänzen. / Eher hält er sich für nicht komplett. /
Und dann freut er sich auf seinen Knaben. / Er, der jeden eigenen Wunsch begräbt, / schwört gerührt: Der soll es besser haben! / Er belügt das Kind schon, eh es lebt. /
Immer ist die Katastrophe nah. / Und aus Angst, sie könnte uns verderben, / weihen wir ihr, eh wir sterben, Erben. / Bitteschön, wer lacht denn da?“ (Werke in 9 Bd., Bd. 1, S. 94)