Читать книгу Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen - Katharina Becker - Страница 202
I. Tatbestandsvoraussetzungen des Abs 1 und 2
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Die Tatbestandsvoraussetzungen für die erweitert beschränkte Erbschaftsteuerpflicht ergeben sich aus § 4 iVm § 2 wie folgt:
1. | Der Erblasser/Schenker muss in den letzten 10 Jahren vor seinem Wegzug insgesamt mindestens 5 Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gem § 1 Abs 1 EStG und während dieser Zeit dt Staatsangehöriger gewesen sein. |
2. | Der Erblasser/Schenker muss in einem ausl Gebiet ansässig sein, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung iSd § 2 Abs 2 unterliegt. Demnach ist die Besteuerung niedrig, soweit sie bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 77 000 EUR um mehr als ⅓ geringer ist als die dt Einkommensteuer. Den Niedrigsteuerländern werden auch Länder gleichgestellt, die dem Betr eine sog Vorzugsbesteuerung gewähren.[27] Auch Länder mit normaler Besteuerung können als Niedrigsteuerländer qualifiziert werden, soweit im Einzelfall individuell Begünstigungen gewährt werden.[28] |
3. | Der Erblasser/Schenker weist im Inland unmittelbar oder mittelbar wesentliche wirtschaftliche Interessen gem § 2 Abs 3 und 4 auf (s § 2 Rn 108 ff). |
4. | Die ausl Erbschaftsteuer (oder Schenkungsteuer) auf das erweiterte Inlandsvermögen beläuft sich auf weniger als 30 % der dt Erbschaftsteuer hierauf. |
5. | Der Erbfall bzw die Schenkung finden in einem Zeitraum von 10 Jahren nach Wegzug statt. |
6. | Die Anwendung des § 2 Abs 1 darf nicht aufgrund eines DBA betr die Einkommensteuer ausgeschlossen werden. |
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Beispiel:
Familie S verlegt ihren Wohnsitz von Deutschland in den Kanton Schwyz der Schweiz. Mit der kantonalen Steuerverwaltung wird eine pauschalierte Einkommensbesteuerung nach dem Aufwand (Aufwandsbesteuerung) in Höhe von 100 000 CHF pa vereinbart. Diese pauschalierte Besteuerung stellt eine Vorzugsteuer iSd § 2 Abs 2 Nr 2 dar, so dass aus ertragsteuerlicher Sicht der Wegzug in ein Niedrigsteuerland erfolgt ist. § 4 Abs 1 ist bei Gegebensein der weiteren Voraussetzungen anwendbar. Da der Kanton Schwyz keine Erbschaft- und Schenkungsteuer erhebt, gelingt auch nicht der Gegenbeweis nach § 4 Abs 2. Sofern die Familie in Deutschland wesentliche wirtschaftliche Interessen iSd § 2 Abs 3 zurücklässt, greift die erweiterte beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht hinsichtlich des zurückgelassenen dt erweiterten Inlandsvermögens ein, und zwar sowohl im Erbfall wie auch bei Schenkungen solcher Vermögensgegenstände.
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Die Voraussetzungen der Vorschrift müssen im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 9 Abs 1 Nr 1 ErbStG) bzw im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung (§ 9 Abs 1 Nr 2 ErbStG) vorliegen. Gem Gesetzeswortlaut ist es nicht eindeutig, ob allein die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld maßgebend sind oder ob es ausreicht, wenn dieser Zeitpunkt in einen Zeitraum fällt, in dem der Erblasser bzw Schenker der erweitert beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt. Letztere Auslegung trifft eher zu, denn so kann das Stichtagsprinzip der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit dem System der Zeitraumbesteuerung bei der Einkommensteuer sinnvoll verbunden werden.[29] Denn im Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaft- und Schenkungsteuerschuld erweist es sich idR als unmöglich, das Entstehen der Einkommensteuerschuld gem § 2 vorauszusagen. Bei Zuwendungen zu Lebzeiten ist damit das Kj der Schenkung als Veranlagungszeitraum ausschlaggebend. Veranlagungszeitraum beim Erwerb von Todes wegen ist die Zeit vom Beginn des Jahres bis zum Todestag.[30]
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Bei aufschiebend bedingten Erwerben und bei der Berücksichtigung früherer Erwerbe ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 AStG auch im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld, also bei Bedingungseintritt bzw beim späteren Erwerb, vorliegen.[31]
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Die Erweiterung der Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht knüpft allein an den Wegzug des Erblassers bzw Schenkers an. Ein Wohnsitzwechsel des Erben bzw Beschenkten ins Ausland bei schon gegebenem ausl Wohnsitz des Erblassers bzw Schenkers führt dagegen nicht zu einer Erweiterung der Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht, sondern mündet in die reguläre beschränkte Erbschaftsteuerpflicht mit dem inländischen Vermögen.
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Folgende Gestaltungen sind in der Beratungspraxis zu prüfen, um die Tatbestandsvoraussetzungen ggf zu vermeiden:[32]
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Zunächst besteht eine naheliegende Gestaltung darin, wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland zu vermeiden, dh es sollten keine unternehmerischen Interessen als Mitunternehmer oder wesentliche Beteiligungen an einer inländischen KapGes mehr gehalten werden. Typischerweise erfolgt in Wegzugsfällen ohnehin häufig eine Veräußerung inländischer Unternehmungen vor Wegzug, da ein Wegzug dann, wenn der Wegzügler noch in die Leitung inländischer Unternehmungen involviert ist, in der Praxis regelmäßig nicht wirklich durchführbar ist. Die ertragsteuerlichen Folgen (Betriebsveräußerung, Entnahme- und Entstrickungstatbestände) sind zu beachten.
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Gestaltungstechnisch ist desweiteren denkbar, eine Umschichtung dt Vermögenswerte in ausl Vermögenswerte, zB Wertpapierdepots im Ausland, vorzunehmen, wobei jedoch auch hier die ertragsteuerlichen Folgen zu beachten sind.
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Ebenfalls kann geprüft werden, ob inländische Wirtschaftsgüter zu einem steuerlich günstigen Zeitpunkt in ausl KapGes eingebracht werden können. Die ausl KapGes stirbt nicht. Damit würde die dt erweiterte Erbschaftsteuerpflicht grds entfallen. Jedoch würden solche Gestaltungen von den dt Finanzbehörden als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten angesehen werden, wenn keine wirtschaftliche oder sonst wie beachtliche Gründe für die Einbringung angeführt werden können und die KapGes auch keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet.[33] Zu beachten bleibt jedoch auch § 5 Abs 1.
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Hält ein ausl StPfl Inlandsvermögen iSd § 121 BewG oder des § 4, so kann er sich der dt Erbschaftsteuerbelastung auch durch Veräußerung des Inlandsvermögen entziehen. Dabei sind allerdings wiederum die ertragsteuerlichen und grunderwerbsteuerlichen Folgen zu bedenken, die durch eine Veräußerung von Inlandsvermögen ausgelöst werden.
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Da auch in Bezug auf die erweitert beschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht bei Berechnung der Schenkung- oder Erbschaftsteuer vom steuerlichen Wert des (hier: erweiterten) Inlandsvermögens Schulden und Lasten abzuziehen sind, § 10 Abs 6 S 2 ErbStG, kann im Einzelfall auch eine Fremdfinanzierung von Wirtschaftsgütern des erweiterten Inlandsvermögens steuermindernd wirken.[34]
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Auch eine Verlegung des Wohnsitzes vor dem Tod des Erblassers bzw vor der Zuwendung des Schenkers aus einem „Niedrigsteuerland“ in ein „Hochsteuerland“ vermeidet eine Anwendung des § 4 AStG, da dann die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 S 1 AStG nicht mehr erfüllt sind.[35]
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Schließlich kann auch in den Fällen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht nach § 4 AStG ein Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs 3 ErbStG in Betracht kommen[36]. Voraussetzung für einen solchen Antrag ist, dass entweder Erblasser/Schenker oder Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer einen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des EWR haben. Mit diesem Antrag wird der Erwerb dann den Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen, und unterfällt dann nicht mehr der erweiterten beschränkten Steuerpflicht nach § 4 AStG. Ob ein solcher Antrag im Einzelfall wirklich Sinn macht, muss jedoch bezweifelt werden. Man „erkauft“ sich dadurch zwar die Geltung der Freibeträge nach §§ 16 Abs 1, 17 ErbStG, dies indes um den Preis, dass sich die Wirkungen des Antrags in verblüffend überschießender Weise auf alle Erwerbe der betroffenen Personen innerhalb von 10 Jahren vor und innerhalb von 10 Jahren nach dem konkreten Vermögensanfall erstreckt.