Читать книгу Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen - Katharina Becker - Страница 261
2. Vereinbarkeit mit Europarecht
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Die Entsch des EuGH in den Rechtssachen Hughes de Lasteyrie du Saillant[44] und N[45] zeigen die europarechtlichen Rahmenbedingungen für die innerstaatliche Umsetzung einer Vermögenszuwachssteuer – wie sie § 6 zum Gegenstand hat – auf.[46] Zwar hat der EuGH weder in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie du Saillant noch in der Rechtssache N sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Vermögenszuwachsbesteuerung iSv § 6 generell gemeinschaftswidrig ist.[47] Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Gemeinschaftsrecht im Grundsatz einer Besteuerung der stillen Reserven, die während der StPfl im Inland entstanden sind, nicht entgegensteht.[48]
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Der EuGH sah einen Verstoß gg die Niederlassungsfreiheit darin, dass eine dem § 6 aF vergleichbare Regelung, die latente Wertsteigerungen besteuert, wenn ein StPfl seinen steuerlichen Wohnsitz ins Ausland verlegt, den Wegziehenden im Vergleich zu einem weiterhin im Inland verbleibenden StPfl benachteilige, da bei ersterem auch nicht realisierte Gewinne steuerpflichtig würden. Eine solche Benachteiligung sei geeignet, von einem Wegzug in einen anderen Mitgliedstaat abzuhalten. Um diese Benachteiligung auszuräumen, reiche es nicht aus, dass bei einem Wegzug in ein EU-Land die Steuer zwar gestundet, aber von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht würde. Zudem ist der Rspr des EuGH zu entnehmen, dass die nach Verlegung des Wohnsitzes eintretenden Wertminderungen zu berücksichtigen sind. Ansonsten würde die Steuer auf den nicht realisierten Wertzuwachs, die zum Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung festgesetzt, gestundet und bei späterer Veräußerung der Beteiligung fällig geworden wäre, die Steuer übersteigen, die ohne Wegzug im Zeitpunkt der Veräußerung tatsächlich festgesetzt worden wäre. Auch hat der EuGH in der Rechtssache N eine den Wegzug behindernde Wirkung in der Pflicht des StPfl zur Abgabe einer Steuererklärung bei Wegzug gesehen, da ein nicht wegziehender StPfl eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung über den Veräußerungserlös erst treffe, wenn dieser seine Beteiligung tatsächlich veräußere. Die Entscheidung des EuGH in der Rs National Grid Indus[49] erweitert den durch die Entscheidungen in den Rs Hughes de Lasteyrie du Saillant und N gesetzten gesetzgeberischen Spielraum nicht, insb würde eine Sicherheitengestellung bzw Verzinsung im Rahmen der Stundung gem § 6 Abs 5 den europarechtlich gebotenen Besteuerungsaufschub konterkarieren.[50]
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Die durch den EuGH gesetzten Vorgaben wurden durch § 6 nF in Abstimmung mit der EU-Kommission insoweit umgesetzt, als (1) in EU-/EWR-Sachverhalten gem § 6 Abs 5 eine unbefristete zinslose Stundung der Vermögenszuwachssteuer ohne Sicherheitsleistung vorgesehen ist, die erst im Realisierungszeitpunkt widerrufen werden kann und (2) zwischenzeitliche Wertminderungen bei der späteren tatsächlichen Veräußerung gem § 6 Abs 6 grds berücksichtigt werden können.
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Vor diesem Hintergrund bestehen nach hM gegen die Neuregelung des § 6 im Kern keine europarechtlichen Bedenken.[51] Der BFH[52] tendiert ebenfalls in diese Richtung, auch wenn weiterhin generelle europarechtliche Bedenken geltend gemacht werden.[53] Es dürfte insoweit unter Berücksichtigung des jeweiligen DBA noch eindeutig zu klären sein, ob aus europarechtlicher Perspektive – wie der BFH meint – tatsächlich nur der Zuzugsstaat für die Vermeidung einer etwaigen Doppelbest in Wegzugsfällen verantwortlich ist.[54] Dieses Problem erkennend schlägt die EU-Kommission eine EU-weite Koordinierung der Wezugsbesteuerung vor.[55]
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Jenseits dessen konzentriert sich die gemeinschaftsrechtliche Diskussion auf Einzelaspekte. Derzeit werden va in folgenden Punkten Zweifel an der Europarechtskonformität von Einzelregelungen des § 6 geäußert:[56]
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– | § 6 Abs 3: In Fällen der vorübergehenden Abwesenheit kann es zu Doppelbest kommen, deren Rechtfertigung gemeinschaftsrechtlich fragwürdig ist; |
– | § 6 Abs 5 S 1: Nicht abschließend geklärt ist, ob es die Kapitalverkehrsfreiheit gebietet, dass die in § 6 Abs 5 für EU-/EWR-Staatsangehörige gewährten Erleichterungen auch in Drittstaatenfällen anzuwenden sind; |
– | § 6 Abs 5 S 2: Soweit die Stundung gem § 6 Abs 5 S 1 von der Amts- und Beitreibungshilfe abhängig gemacht wird, stößt diese Voraussetzung grds auf europarechtliche Bedenken, da EU- und EWR-Staaten grds das gleiche Schutzniveau zusteht; |
– | § 6 Abs 7: Die Gewährung der Stundung der Vermögenszuwachssteuer wird von bestimmten Mitwirkungspflichten abhängig gemacht, deren Verhältnismäßigkeit zweifelhaft ist. |