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V. Verhältnis zu DBA
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Häufig enthalten die deutschen DBA, insbesondere die älteren DBAs, keine speziellen, eine Vermögenszuwachsbesteuerung iSv § 6 berücksichtigenden Vorschriften, sondern folgen dem MA (Art 13 MA Rn 119 ff). Gem Art 13 Abs 5 MA steht das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen grds dem abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat iSv Art 4 MA des Anteilseigners zu (Ansässigkeitsstaat-Klausel).[68] Bezieht der Ansässigkeitsstaat bei der späteren Veräußerung auch diejenigen stillen Reserven in die Bemessungsgrundlage seiner Veräußerungsgewinnbesteuerung mit ein, die bereits iRd Vermögenszuwachsbesteuerung iSv § 6 in Deutschland steuerlich erfasst wurden, kommt es grds insoweit zu einer (juristischen) Doppelbest.
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Weist ein DBA das Recht, den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung zu versteuern dem Vertragsstaat zu, in dem die KapGes ihren Sitz hat (Sitzstaat-Klausel),[69] wird eine Doppelbest durch § 6 und die Regelungen des ausländischen Vertragsstaats im Veräußerungsfall nach Wegzug jedenfalls bei Beteiligungen an inländischen KapGes abkommensrechtlich vermieden, wenn und soweit der jeweilige Ansässigkeitsstaat des veräußernden Anteilsinhabers die deutsche Vermögenszuwachssteuer auf Basis der abkommensrechtlich regelmäßig vorgesehenen Anrechnungsmethode anrechnet.
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In verschiedenen – insb jüngeren – DBA finden sich spezielle Wegzugsklauseln,[70] die steuersystematisch Ausnahmen zu den Zuweisungen nach Art 13 Abs 2–5 MA darstellen (dazu Art 13 MA Rn 122). Wegzugsklauseln sollen Doppelbest vermeiden und das Besteuerungsrecht interessengerecht zwischen dem Wegzugsstaat und dem Zuzugsstaat aufteilen. Dies geschieht regelungstechnisch indem entweder dem Wegzugsstaat ein fortdauerndes Recht zur Veräußerungsgewinnbesteuerung hinsichtlich der im Wegzugsstaat gebildeten stillen Reserven zugewiesen ist und der Zuzugsstaat diese Steuer im Veräußerungsfall anrechnet[71] oder durch eine Buchwerterhöhung auf den gemeinen Wert im Zuzugszeitpunkt (sog step-up) bei der Ermittlung des späteren Veräußerungsgewinns im Zuzugsstaat.[72]
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Zu beachten ist jedoch, dass Wegzugsklauseln idR einen beschränkten Anwendungsbereich haben und zumeist nur auf den physischen „Wegzug“ abstellen. Lediglich die Tatbestände des § 6 Abs 1 S 1 und § 6 Abs 1 S 2 Nr 2 lassen sich idR unter den abkommensrechtlichen Begriff des „Wegzugs“ subsumieren.[73] Nach dem Wortlaut der Wegzugsklauseln sind damit die Tatbestände, die eine Besteuerung gem § 6 auch ohne physischen Wegzug des Anteilsinhabers auslösen, nicht erfasst.[74] In diesen Fällen ist nicht sichergestellt, dass eine Doppelbest im Hinblick auf den weiten Anwendungsbereich des § 6 vermieden wird. Zudem ist die Senkung der Beteiligungsquote des § 17 EStG von 25 % auf 1 % abkommensrechtlich iRd Wegzugsklauseln zT noch nicht nachvollzogen worden,[75] so dass für Beteiligungen unter 25 % die Doppelbest dem Wortlaut nach zT ebenfalls nicht vermieden wird. Weiter gelten die Wegzugsklauseln häufig nur für Anteile an Ges, die im Wegzugsstaat ansässig sind.[76]
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Vor dem Hintergrund der og verschiedenen abkommensrechtlichen Regelungen kann die Abkommenskonformität des § 6 nicht generell beurteilt werden, sondern ist jeweils im Einzelfall anhand des einschlägigen DBA zu untersuchen. Soweit im Einzelfall eine Sitzstaat- oder Wegzugsklausel Deutschland ein abkommensrechtliches Besteuerungsrecht – zumindest der in Deutschland entstandenen stillen Reserven – vorbehält, stößt § 6 und dessen Anwendung grds auf keine abkommensrechtlichen Bedenken. Bei Wegzugsklauseln ist aber stets deren genauer Wortlaut zu beachten, da der Erhalt des Besteuerungsrechts des Wegzugsstaats an ganz bestimmte Voraussetzungen knüpft. Sind diese nicht erfüllt, lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass eine Anwendung des § 6 nicht in Betracht kommt. So setzt etwa die Wegzugsklausel des DBA/Spanien[77] in Art 13 Abs 7 voraus, dass die Veräußerung der Anteile innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Wegzugs der natürlichen Person aus dem anderen Vertragsstaat erfolgt. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass Deutschland nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Wegzug einer natürlichen Person nach Spanien kein Recht zur Vermögenszuwachsbesteuerung gem § 6 mehr hat. Entsprechend entfällt ab diesem Zeitpunkt der Besteuerungsanspruch Deutschlands nach § 6 Abs 1, entspr Bescheide sind zu ändern.
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In den übrigen Fällen (va der Ansässigkeitsstaat-Klausel iSv Art 13 Abs 5 MA), in denen Deutschland gem § 6 die innerstaatlich entstandenen stillen Reserven frühzeitig besteuert, das Besteuerungsrecht aber hinsichtlich eines Veräußerungsgewinns bei tatsächlicher Veräußerung dem anderen Vertragsstaat abkommensrechtlich vollständig zusteht, ist die Abkommenskonformität des § 6 – entgegen der Ansicht des BFH[78] – zu bezweifeln,[79] wenn tatsächlich ein und derselbe Wertzuwachs teilw doppelt besteuert wird.[80] Streng genommen ist der Auffassung der FinVerw zuzustimmen, dass nicht gegen abkommensrechtliche Regelungen verstoßen wird, wenn man davon ausgeht, dass der Wegzug gem § 6 als letzter Akt der unbeschränkten StPfl zu einem Zeitpunkt erfolge, in dem der StPfl noch im Inland ansässig ist und ihm insoweit kein Abkommensschutz gewährt wird.[81] Dies ist aber nicht nur eine sehr formale Betrachtungsweise,[82] sondern es sind auch Fälle denkbar, in denen im Wegzugszeitpunkt der Abkommensschutz bereits greift, § 6 aber nach seinem Wortlaut Anwendung findet. Dennoch läuft eine Anwendung des § 6 und die Besteuerung eines nicht realisierten Veräußerungsgewinns insoweit Sinn und Zweck einer dem Art 13 Abs 5 MA entspr Regelung zuwider.[83] Auch wenn mehrere Staaten dem § 6 ähnliche Wegzugsbesteuerungen eingeführt haben,[84] kann daraus nicht eine int Akzeptanz dieser Entwicklungen derart angenommen werden, dass § 6 keinen Verstoß gegen Zweck und Ziel eines DBA im Einzelfall darstellt. Zudem ist auch zu überlegen, ob nicht das jeweils anwendbare DBA hinsichtlich zukünftiger Veräußerungsgewinne bereits eine entspr Vorwirkung im Sinne einer Verpflichtung des Vertragsstaates entfaltet, auch die vorweg genommene Besteuerung der Veräußerungsgewinne nach den Grundsätzen des konkret anzuwendenden DBA zu behandeln.[85] Bejahte man dies, stellt § 6 in den genannten Fällen ein Treaty Override dar.[86] Für die Frage, ob dieses zulässig ist, ist zu beachten, dass § 6 nicht ausreichend seinen Anwendungsvorrang zum Ausdruck bringt.[87] Der BFH verlangt[88] für ein rechtmäßiges treaty overriding eine Bezugnahme auf das Abkommensrecht im Gesetzestext,[89] etwa durch den Zusatz „ungeachtet des Abkommens“.[90] Entspr Erklärungen in den Gesetzesmaterialien sind hingegen nicht ausreichend.[91] § 6 stellt insoweit kein zulässiges Treaty Overriding dar.[92] Ob für EU-/EWR-Sachverhalte evtl etwas anderes gilt und der Zuzugsstaat allein zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung verpflichtet ist, ist nicht abschließend geklärt.[93]
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Kommt es zu einer teilw Doppelbest, verbleibt dem StPfl nur noch der Weg über ein Verständigungsverfahrens nach Art 25 Abs 1 MA, an dessen Ende zweckmäßigerweise der neue Wohnsitzstaat nur den seit dem Wegzug angefallenen Wertzuwachs besteuern solle.[94] Der Verweis auf das Verständigungsverfahren ist aber wenig hilfreich, da der andere Vertragsstaat ob seines abkommensrechtlichen Besteuerungsrechts kaum zu einem (teilw) Besteuerungsverzicht bewegt werden kann. Daher ist die Forderung, Deutschland sei in diesem Fall zur Änderung der Wegzugsteuerfestsetzung verpflichtet, berechtigt.[95]
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Eine Anwendung des § 6 Abs 5 über seinen Wortlaut hinaus kann sich künftig aus den abkommensrechtlichen Diskriminierungsverboten ergeben. Offenbar hat der Gesetzgeber bei der Verfassung des § 6 Abs 5 nicht berücksichtigt, dass in zahlreichen dt DBA eine dem Art 24 MA entspr Regelung enthalten ist, wonach die Staatsangehörigen der jeweiligen Vertragsstaaten bei der steuerlichen Behandlung im jeweils anderen Vertragsstaat nicht diskriminiert werden dürfen. Insoweit wird § 6 Abs 5 grds auch auf außereuropäische Staatsangehörige anzuwenden sein (s auch Art 24 MA Rn 18).