Читать книгу Halbe-Halbe, einmal und immer - Kathrin Brückmann - Страница 12

10 – Sophie schloss ihr Auto ab

Оглавление

und machte sich auf den Weg. Bis sie die Anhöhe erstiegen hatte, war ihr und besonders ihren Füßen wieder warm geworden. Das Haus, vor dem sie nun stand, war alt und offensichtlich unbewohnt. Es lag in Längsrichtung auf dem Ende eines bewaldeten Höhenrückens. An drei Seiten des Hauses fiel das Gelände zu den umliegenden Feldern oder Viehweiden und der Straße hin ab. Der Backsteinbau war deutlich größer als ein ausgewachsenes Einfamilienhaus, aber noch nicht groß genug, um als repräsentatives Gebäude gelten zu können. Die Fassade über dem Bruchsteinsockel war schön gegliedert durch ein Gesims zwischen den Geschossen und zwei Reihen hoher und breiter Fenster. Sechs von ihnen saßen im oberen Stockwerk, drei rechts und zwei links der zweiflügeligen Hauseingangstür im Erdgeschoss. Alle Fenster bis auf eines im Obergeschoss waren mit zweiteiligen Läden verschlossen. Die meisten hingen schief in ihren Angeln, ihr Holz wie das der Eingangstür schwarz vom Alter.

Das Dach des Hauses war an einer Ecke eingesackt, die Ziegel verrutscht. Das Fallrohr der Dachrinne war dort abgerissen, das Mauerwerk unter der lose hängenden Rinne veralgt und bemoost. Das nächstliegende Fenster hatte keine Läden mehr und keine Scheiben. Jemand hatte sie eingeworfen. Die Läden lagen abgerissen oder abgefault im toten Gestrüpp am Fuß des Hauses.

Sophie sah sich um. Dreißig Meter entfernt, unter den ersten Bäumen des lichten Waldes, stand noch ein Haus, ein kleines mit hoch liegenden Fenstern und einem großen Holztor, auch ein Backsteinbau mit einem Ziegeldach – ein Stall, eine Scheune oder ein Geräteschuppen.

Sophie stieg die vier Stufen hoch zur Eingangstür und probierte ihre Schlüssel. Gleich der Erste passte. Sie war also richtig. Dies war das Haus, das sie geerbt hatte. Um Licht zu haben, öffnete sie beide Türflügel. Sie ließen sich nur schwer bewegen, und ihre Scharniere knirschten. Dann stand sie in einem breiten Korridor, eher schon einer Eingangshalle, die durch die gesamte Tiefe des Hauses reichte. Der Fußboden war wie ein Schachbrett schwarz und weiß gefliest. In der Höhe reichte die Halle über beide Geschosse. Eine breite hölzerne Treppe führte an einer Seite in den ersten Stock und auf eine umlaufende Galerie, von der aus man die oberen Räume erreichen konnte.

Alles, was Sophie sah, war dick von grauem Staub bedeckt.

Sie wandte sich nach links und öffnete die Tür, die ihr am nächsten war. Dahinter lag die Küche des Hauses. Sophie betrat sie nicht, leuchtete nur mit ihrer Handylampe hinein. Sie sah die gleichen Bodenfliesen wie in der Halle und einen großen alten Küchenherd mit einer gusseisernen Platte, einer Reling und einem emaillierten Korpus. Ansonsten war die Einrichtung spärlich: ein kleiner, schmutzverkrusteter Gasherd, der mit Flaschengas betrieben wurde, ein großer Tisch und ein paar Stühle, ein Kühlschrank, ein Küchenschrank und an einer Wand eine vorsintflutliche Spüle aus braun glasiertem Steingut mit zwei Becken, groß wie Duschwannen. Es roch faulig und nach Kanalisation. Auf dem Boden verstreut lag undefinierbarer Unrat. Die Schachbrettfliesen waren unter einer alten Schmutzschicht in der Mitte der Küche, um den Gasherd herum und unter dem allgegenwärtigen Staub kaum noch zu erkennen. Sophie schloss die Küchentür.

Hinter der nächsten Tür in der Eingangshalle lag angrenzend an die Küche so etwas wie ein Esszimmer. Sophie leuchtete kurz hinein, sah wieder den Schachbrettboden, einen langen Tisch und viele Stühle, Schränke und Sideboards, alles klobig und aus dunklem Holz, alles verstaubt. Der Raum hatte zwei mit Läden verschlossene Fenster zur Rückseite des Hauses.

Sophie durchquerte die Halle und öffnete die erste Zimmertür rechts vom Eingang. Sie fand das ›Wohnzimmer‹ des Hauses. Mit seiner hohen Decke und dem Parkettboden war es schon fast ein Festsaal. In seiner Mitte standen wie verloren ein paar plumpe Polstermöbel und eine Stehlampe um einen niedrigen Tisch und einen alten Röhrenfernseher herum. Sonst war der große Raum leer. Er roch modrig. Im Licht ihres Handys entdeckte Sophie eine Wolljacke auf einem Sofa und Bücher auf dem niedrigen Tisch davor. Eines davon lag aufgeschlagen da. Es sah aus, als ob ihre Großtante direkt vom Sofa und von ihrem Buch weg in das Heim gebracht worden wäre. Sophie schauderte.

Das Zimmer hinter der vierten und letzten Tür in der Eingangshalle war eine große Rumpelkammer. Sophie erblickte Möbel, Kartons und Kisten übermannshoch aufgestapelt, einen Haufen prall gefüllter Müllsäcke und provisorische Regale, die sich unter der Last alter Bücher bogen oder schon zusammengebrochen waren. Der Parkettboden war übersät mit Zeitungs- und Packpapierfetzen. Es roch streng nach den Mäusen, die überall im Dunklen herumhuschten und mit ihren Knopfaugen gebannt und wie hypnotisiert ins Licht starrten, wenn sie der Strahl von Sophies Lampe traf.

In der Tiefe der Küche hatte Sophie Türen gesehen, hinter denen weitere Zimmer liegen mussten, Kammern oder begehbare Schränke. Aber sie verzichtete darauf, das Haus weiter zu erkunden, und stieg auch nicht hinauf in das obere Stockwerk. Sie erwartete nicht, dort etwas anderes zu finden als das, was sie schon kannte. Statt ihren Rundgang fortzusetzen, öffnete Sophie die zweiflügelige Haustür auf der dem Eingang gegenüberliegenden Seite der Halle und trat nach draußen. Sie fand sich auf einer überdachten breiten Veranda wieder, die über die gesamte Länge des Hauses reichte. An einem Ende, auf Höhe des Esszimmers, standen ein Bierzelttisch, zwei dazu gehörende Bänke, zusammengeklappt und an die Wand gelehnt, und ein paar rostige Klappstühle. Am anderen Ende war die Veranda zu einem Wintergarten mit deckenhohen Sprossenfenstern umgebaut worden. Alles Glas der Fenster war zerstört, der Boden mit Splittern übersät. Leere Flaschen, Getränkedosen und Zigarettenkippen lagen auf der Veranda herum. Laub, Kiefernnadeln und Schnee, vom Wind zusammengetragen, hatten sich in Ecken und Winkeln gesammelt.

Auf Höhe der Tür war die Balustrade der Veranda unterbrochen, und vier Stufen führten hinab zu dem, was ehemals ein Rasen gewesen sein musste. Im Sommer hatte man von hier sicher einen schönen Ausblick, fand Sophie. Jetzt war nicht viel zu erkennen. Der fein rieselnde Schnee schwebte wie Nebel über dem Land.

Sie holte sich einen der Klappstühle , setzte sich und wartete auf den Handwerker. Hoffentlich kam er, bevor ihr wieder kalt wurde. Sie zog ihren wattierten Mantel fester um sich. Ihre Gedanken wanderten, ziellos zuerst, dann nahm ihr Verstand ungerufen die Arbeit auf, und sie bilanzierte ihre Situation. Sie war fünfhundert Kilometer weit gefahren, hatte 20.000 Euro Schulden geerbt, einen alten Koffer, einen Umzugskarton und ein altes, kaputtes, stinkendes, vermülltes Haus am Ende der Welt. Und sie hatte ihren Wagen in einem Schlammloch versenkt.

Was für ein Tag.

Und alles nur, weil ein unsympathischer und wahrscheinlich übereifriger Nachlasspfleger sie Monate nach dem Tod ihrer Großtante als Erbin ermittelt hatte. Hätte er sie nicht einfach übersehen können?

Und nun? Sophie hielt sich für eine praktische Frau und bildete sich auch etwas darauf ein. Das Schicksal zu beklagen, glaubte sie, brachte nichts. Stattdessen musste man Probleme angehen. Was sonst? Eines nach dem anderen, sagte sie sich, das Wichtigste zuerst. Zuerst musste sie ihren Wagen wieder flottbekommen. Immerhin hatte sie dabei Aussicht auf Erfolg und Hilfe von einem netten Handwerker mit schönen Augen und einem schönen Hund.

Irgendwann hörte Sophie den Landrover. Eine Autotür klappte, Krallen wetzten auf den Fliesen der Eingangshalle, und eine Sekunde später stand Cora neben ihr und wedelte mit dem Schwanz. Sophie strich ihr über den Kopf und knetete sacht das Knickohr. Es war warm und unwahrscheinlich zart. Die Hündin legte ihr Kinn auf Sophies Schoß und stand still.

Schritte in der Eingangshalle.

»Halloo?«

»Ich bin hier draußen«, sagte Sophie mit erhobener Stimme. Der Handwerker erschien auf der Veranda. Er sah sie und sagte: »Verwöhnen Sie das Tier nicht, sonst werden Sie es nicht mehr los.«

Sophie beugte sich zu der Hündin und sagte: »Hast du das gehört, Cora? Der denkt, du wärst ein Tier.«

»Was ist das für ein Haus?«, sagte der Handwerker.

»Ich habe es geerbt.«

»Darf ich mich mal umsehen? Haben wir Zeit dafür?«

»Klar. Sie brauchen aber eine Taschenlampe.«

Der Handwerker verschwand. Cora hatte nach ein paar Minuten genug und verschwand auch. Sophie wartete ohne Ungeduld, obwohl ihr mittlerweile wieder kalt geworden war, besonders an den Füßen. Hin und wieder hörte sie Geräusche im Haus, Schritte, Türen, die geöffnet und geschlossen wurden. Der Handwerker ließ sich Zeit. Erst nach zehn Minuten tauchte er wieder auf. Er holte sich einen der Klappstühle und setzte sich in Sophies Nähe.

»Ein schönes Haus«, sagte er. »Glückwunsch.«

Was? Wozu? Sophie sagte: »Meinen Sie das ernst? Für mich ist es eine Ruine.«

»Nun ja …«, sagte der Handwerker. »Man könnte was draus machen. Die Bausubstanz ist gut, der Keller ist trocken …«

»Das Dach ist eingestürzt.«

»Das lässt sich reparieren.«

»Ist das Ihr Beruf? Alte Häuser reparieren?«

»Ich bin Zimmermann«, sagte der Handwerker. »Ich tischlere auch, aber nur so nebenher. Manchmal helfe ich als Dachdecker oder Gerüstbauer aus.«

»Wollen Sie das Haus haben?«, sagte Sophie. »Ich verkaufe es Ihnen. Für 21.406 Euro. Und 52 Cent.«

»Ich habe kein Geld.«

»Nehmen Sie einen Kredit auf.«

Der Handwerker, der Zimmermann war, lachte und sagte: »Oh je. Ich habe schon mehr Schulden, als es gesund ist.«

Damit sind wir jetzt zu zweit, dachte Sophie. Dann saßen sie schweigend nebeneinander. Es war kein unbehagliches oder verlegenes Schweigen. Es gab nur einfach nichts zu sagen. Es gab auch nichts zu sehen, von dort, wo sie saßen, nur rieselnden Schnee im winterlichen Zwielicht.

Nach einer Weile meinte der Zimmermann: »Okay. Fahren wir?« Sie erhoben sich gleichzeitig, wie verabredet. Ihre Blicke trafen sich.

»Ich bin Sophie, Sophie Schatz«, sagte Sophie in die blauen Augen. »Schatz ist mein Nachname.« Das sagte sie manchmal, wenn sie sich jemandem vorstellte. Dieses Mal bereute sie es, kaum dass sie es ausgesprochen hatte. Es war unnötig. Es war albern. Der Zimmermann war keiner von denen, die ihren Nachnamen für Anzüglichkeiten oder Scherze missbrauchten.

»Will Trenck«, sagte er mit einem Lächeln. »Will kommt von Wilhelm, Trenck mit ck am Ende.« Er reichte Sophie die Hand. »Sehr erfreut, Frau Schatz.«

»Sophie«, sagte sie. »Freut mich auch, Will Trenck.« Er hatte eine warme, trockene, feste Hand und einen guten Händedruck. Er fühlte sich an, wie jemand, dem man vertrauen konnte. Er lächelte auch vertrauenswürdig, doch Lächeln konnte täuschen, ein Händedruck nicht. Als Trenck ihre Hand losließ, fand Sophie es fast schade, und das wiederum brachte sie auf abwegige Gedanken. Wenn einer so einen Händedruck hat, dachte sie, wie muss sich erst eine Umarmung von ihm anfühlen? Sie schob den Gedanken von sich, verschloss die Türen des Hauses und folgte Trenck zu dessen Auto. Er hupte, als sie losfuhren. Für ein so großes Auto war die Hupe erstaunlich asthmatisch. Der Ton rief Cora, die wie aus dem Nichts erschien und neben ihnen herlief, während sie langsam die Anhöhe hinab zur Straße rollten. Das Innere des Landrovers war überraschend warm. Er hatte eine Standheizung. Die blies mit voller Kraft heiße Luft an Sophies eiskalte Füße und verschaffte ihr urplötzlich ein geradezu sensationelles Wohlgefühl. Sie schauderte vor Behagen, bewegte die Zehen in den Schuhen und fühlte sich gut. Am liebsten wäre sie gar nicht mehr aus dem Wagen gestiegen.

Eis krachte, als der Golf aus dem Schlammloch befreit wurde, und schwarzes Wasser floss aus dem Motorraum, als er auf der Straße stand. Trenck hatte ein zwei Meter langes, zehn Zentimeter dickes Eisenrohr auf seinem Dachgepäckträger mitgebracht, an dessen einem Ende der Anschluss für eine Anhängerkupplung und am anderem eine stählerne Schlaufe geschweißt war. Ein Schäkel half, den Golf mit der Stange zu verbinden. Trenck stellte die Warnblinklampe in das Rückfenster von Sophies Auto und sagte: »Die Werkstatt, in die ich normalerweise gehe, liegt auf der anderen Seite des Flusses. Ist das okay, wenn wir da hinfahren?«

»Nach Polen?«

»Nicht?«

»Geht das so einfach?«

»Kein Problem. Polen ist EU. Gleich hinter der Grenze liegt Kystrowcze, das war mal ein Dorf und ist jetzt so eine Art Gewerbegebiet, mit Tankstellen, Discountern, Werkstätten und dem sogenannten Polenmarkt. Wir fahren dauernd da hin. Tanken, einkaufen. Samstags ist halb Küstrow auf der anderen Seite der Oder.«

»Kennen Sie die Werkstatt gut?«

»Sie gehört einem Freund von mir. Er hält mein Auto am Laufen. Mit deutschen Werkstattpreisen könnte ich mir keinen Landrover leisten.«

Sophie dachte, im Guten wie im Schlechten ist dieser ganze Tag ein einziges Abenteuer. Und nun der Höhepunkt: einem gutaussehenden fremden Mann ins Ausland folgen.

»Dann los«, sagte sie. »Auf nach Polen.«

Die Fahrt dauerte fast eine Dreiviertelstunde, denn Trenck fuhr nicht schnell. Sophie nahm wenig von ihrer Route wahr. Meist hatte sie nur das kantige Heck des Landrovers im Blick, wartete darauf, dass er blinkte, um mitzulenken, und hörte an ihrem Auto Blech knirschen, wenn er bremste oder enge Kurven nahm. Als die Straßen sich verbreiterten, waren sie in den Außenbezirken Küstrows angelangt. Auf einer langen, ebenen Geraden durchquerten sie die Oderniederung, auf einer stählernen Brücke rollten sie über den Fluss, und die hell erleuchteten Grenzposten passierten sie in einer Kolonne anderer Fahrzeuge und im Schritttempo. Angehalten wurden sie nicht. Die Fahrt endete kurz hinter der Grenze in einem Gewerbegebiet ähnlich dem, in dem Sophie jahrelang gearbeitet hatte, auf dem Hof einer Autowerkstatt. Ihre Arme und Schultern schmerzten von der Anstrengung des Lenkens ohne Lenkhydraulik. Ihre obere Körperhälfte schwitzte in dem dicken Mantel, aber ihre Beine und Füße waren taub vor Kälte. Sie schälte sich mühsam aus ihrem Wagen.

Trenck wartete neben dem Landrover auf sie. Er sagte: »Alles gut gegangen?«

»Alles gut«, antwortete sie, schüttelte ihre Arme und stampfte mit den Füßen.

Die Werkstatthalle war gleißend hell erleuchtet und blitzsauber. Ein Gebläse rauschte unter der hohen Decke und verteilte warme Luft. Auf sechs Hebebühnen waren ebenso viele Autos hochgefahren, und an jedem arbeitete ein Mechaniker. Kaum, dass sie die Halle betreten hatten, kam ihnen ein Mann entgegen.

»Will Trenck! Mein Freund, was geht?«

»Marek. Wie laufen die Geschäfte?«

Sie begrüßten sich mit einer kurzen Männerumarmung und klopften dabei einander auf den Rücken.

»Solange du alte englische Auto fährst, Will, wird mir Arbeit nicht ausgehen«, sagte Marek. Er war ebenso groß wie Trenck, aber älter, breiter und schwerer. Sein Overall spannte über einem komfortablen Bierbauch. An den Seiten seines Kopfes war sein blondes Haar kurz geschoren, und er trug einen prächtigen Vollbart. Ein Hörnerhelm hätte ihn zu einem veritablen Wikinger gemacht. »Was bringst du mir heute, Will?«

»Die junge Frau hier ist mit ihrem Wagen in ein Wasserloch geraten. Sophie – Marek, Marek – Sophie.«

Marek stellte die gleichen Fragen wie zuvor Will und versprach, den Golf gleich am nächsten Morgen zu untersuchen. Dann schickte er Sophie und Trenck ins Büro des Betriebs, um Fahrzeugschein und Telefonnummern zu hinterlassen und einen Auftrag zu unterschreiben. Auf dem Weg dorthin sagte Sophie: »Sollte ich den Wagen ausräumen?«

»Nicht nötig. Hier kommt nichts weg. Nehmen Sie nur mit, was Sie heute Abend und morgen brauchen.«

Der Innenraum des Landrovers war so warm, dass Cora hechelte. Sophie beeilte sich beim Einsteigen und streckte sofort die Füße in die Ecke des Fußraums, aus der die heiße Luft der Standheizung blies. Draußen war der Tag fast vorüber, im Inneren des Wagens war es Nacht. Trenck startete nicht sofort. Sie saßen schweigend nebeneinander und Sophie fühlte sich gut. Nähe, Stille, Wärme und Dunkelheit vereinten sich für einen kostbaren Moment zu einer Geborgenheit, wie sie sie seit ihrer Kindheit nicht mehr erlebt hatte. Ehe sie dem Gefühl nachspüren konnte, brach Trenck die Stille, indem er sich bewegte, um den Wagen zu starten.

Sophie räusperte sich und sagte: »Will …«

»Ja?«

»Danke.«

»Schon gut. Ich helfe gern.«

»Ich habe Sie einen halben Tag gekostet …«

»Ach was. Alle meine Baustellen sind eingeschneit. Bis zum Frühjahr habe ich viel Zeit.«

»Nein, was ich meine ist … ich will mich bei Ihnen revanchieren dürfen. Ich lade Sie zum Essen ein.«

»Wie, jetzt gleich?«

»Wann sonst? Es sei denn, jemand wartet mit dem Abendessen auf Sie.«

»Nein, das nicht«, antwortete er. »Aber ich kann mich so, wie ich aussehe, in keinem Restaurant blicken lassen.«

»Ach, kommen Sie, ich will doch nicht in einen Laden mit weißen Tischdecken, Kristall und Kerzen. Ich möchte nicht dinieren, ich will essen. Sie kennen sich doch hier aus – wo gehen Sie denn mit Kumpels oder Kollegen hin für eine ehrliche Portion Schniposa und ein Bier?«

Er überlegte einen Moment und sagte dann: »Wie wäre es mit Pizza und Wein?«

»Pizza und Wein sind perfekt.«

Trenck startete den Wagen. »Gut. Da haben wir es nicht weit«, sagte er. »Ein paar Ecken weiter gibt es hier eine Pizzeria.«

»Dann los«, sagte Sophie. »Ich habe einen Mörderhunger.«

»Ich auch«, antwortete er.

Halbe-Halbe, einmal und immer

Подняться наверх