Читать книгу Halbe-Halbe, einmal und immer - Kathrin Brückmann - Страница 23
21 – Am Abend vor ihrer Abreise
Оглавлениеbekam sie eine WhatsApp-Nachricht von Jens. Sie hatte damit gerechnet, dass er sich noch einmal bei ihr melden würde, wenn auch vielleicht nur aus organisatorischen Gründen. Schließlich gab es eine gemeinsame Wohnung, und so ziemlich alles, was Sophie besaß, befand sich noch dort. Aber sie erschrak doch, als sie seine Mitteilung entdeckte: Können wir reden? War sie schon wieder stark genug, um sich mit Jens auseinanderzusetzen? Auf jeden Fall war sie nicht vorbereitet. In den drei Wochen mit Sabine, Mariechen und Holger hatte sie geradezu hektisch alles Mögliche getan, aber sich nicht darauf eingestellt, Jens noch einmal gegenüberzutreten. Nun versuchte sie sich auszumalen, was auf sie zukommen würde, wenn sie mit Ja antwortete. Was bedeutete ›Können wir reden‹? Hieß es: ›Es tut mir‹ leid oder ›Stell dich nicht so an‹? Hieß es: ›Bitte komm zurück zu mir‹ oder ›Wann packst du deine Sachen, ich brauche den Platz‹? Was immer es hieß, sie fürchtete sich davor. Von allem, wovon sie nicht wusste, wie es weitergehen würde, war ihr die Zukunft ihrer Beziehung am wenigsten klar. Weder konnte sie weiter bestehen wie bisher, wenn überhaupt … noch war Sophie darauf vorbereitet, als Single zu leben. Sie war zwar ein Einzelkind, aber nie allein gewesen. Erst war sie Mitglied einer Familie, dann Teil eines Paares. Dazwischen gab es nichts. Seit sich ihre Familie aufgelöst hatte, nach dem Tod des Vaters und dem Umzug der Mutter nach Spanien, war ihr Jens in all seiner Unvollkommenheit ein Anker (gewesen), fester Boden unter den Füßen. Nicht, weil er ein guter Partner war, sondern weil er eben da war. Sie hatte sich an ihn gewöhnt. Wenn er sie nun um einen Neuanfang bat – würde sie einwilligen, weil sie an ihn gewöhnt war? Und mit seiner Untreue leben lernen? Warum nicht? Andere Frauen konnten das auch, wahrscheinlich sogar die meisten. Die Alternative dazu war, jedenfalls vorübergehend (hoffentlich nur vorübergehend), ein Singledasein. Das kannte sie zwar nicht, doch es konnte nicht so schwer sein. Zigtausende Frauen in ihrem Alter lebten ungebunden. Es war quasi der Normalfall. Allerdings – Single, ohne Angehörige und arbeitslos und wohnungslos und verschuldet, das war vielleicht eine Spur zu viel Ungebundenheit …
Im Grunde fürchtete Sophie das endgültige Aus ihrer Beziehung ebenso wie die Fortsetzung.
Können wir reden? Sie starrte auf das Display ihres Telefons. Was sollte sie antworten? Nichts? Welche anderen Möglichkeiten hatte sie? Ja. Nein. Was willst du. Nicht jetzt. ›Nicht jetzt‹ gefiel ihr am besten. Es verschaffte ihr Zeit. Es verschob Auseinandersetzungen, die sie nicht führen mochte, und Entscheidungen, die sie nicht treffen konnte oder wollte.
Sophie tippte ›Später‹ und drückte ›senden‹.