Читать книгу Kuss der Wölfin - Band 1-5 (Spezial eBook Pack über alle Teile. Insgesamt über 1300 Seiten) - Katja Piel - Страница 39
Оглавление33. Kapitel
London, Heathrow - Airport, Herbst 2012
«Wenn du nicht alleine kommst, ist deine Freundin tot.»
In meiner Hosentasche vibrierte es. Hatte ich das Handy nicht ausgemacht? Dumme Frage, nein, hatte ich nicht. Ich zog es hinaus und starrte auf das Display.
- Wenn du nicht alleine kommst, ist deine Freundin tot -
Unerträgliche Anspannung auf einmal, Stress von Null auf Hundert. Die Wölfin warf sich von innen gegen das Gefängnis, das mein Körper war. Sam eilte zu mir, nahm mir das Handy aus der Hand, las kurz die wenigen Worte und schnaubte. „Als ob wir dich alleine gehen ließen. Für wie doof hält der uns eigentlich?“ Aber mir konnte er nichts vormachen, ich spürte und roch seine Angst. Scheinbar wusste er, mit was für einem Gegner wir es zu tun hatten. Ich musste mich dringend noch mal mit ihm unterhalten. „Hör mal, Sam. Egal, was passiert, ich werde euch nicht noch mehr in Gefahr bringen. Wenn Alexa…“ Mitten im Satz hielt ich inne, denn Adam hatte seine verbotene Zigarette zu Ende geraucht und kam zu uns rüber. „Gehen wir.“ Es klang so forsch, dass niemand von uns widersprach. Andreas blickte sich um und folgte uns in einigem Abstand aus dem Terminal.
In der Ankunftshalle wehte mir ein Geruch in die Nase, den ich kannte. Aber woher? Ich hielt inne, schloss die Augen und ließ den Duft durch meine Nase strömen. Woher kannte ich ihn? Blumig, mit einem Hauch Zimt. Suchend drehte ich den Kopf, konnte aber in der Menge weder jemanden erkennen, noch die Spur verfolgen. Sie verlief sich in einem Strudel aus Menschenschweiß und frischem Kaffee, der in einem Bistro ausgeschenkt wurde.
„Anna?“ Sams Lippen befanden sich plötzlich direkt an meinem Ohr. Sein heißer Atem schickte nervöse Schauer über meine Haut. Ich wandte mich ab und folgte Adam. Nur weg von Sam. Er sollte mir nicht so nah kommen, sollte mich nicht verwirren, sollte nicht so nüchtern und ruhig sein. Immerhin war seine Ex Freundin in den Händen eines Werwolfes - oder vermutlich eines ganzen Rudels. Gestresst fuhr ich mit den Fingern durch meine kurzen Haare und folgte Adam nach draußen. Wie üblich in London, und kein abgedroschenes Klischee konnte das ändern, regnete es. Zwar benetzte nur feiner Sprühnebelregen mein Gesicht, aber es reichte, um mich unwohl zu fühlen. Adam rannte über die Straße, an den Taxis vorbei zu einem der vielen Kurzzeitparkplätze und steuerte auf einen schwarzen Audi zu, der mit Warnblinker unsauber auf dem Gehweg stand. Als sich die Fahrertür öffnete und der Fahrer ausstieg, blieb mir fast das Herz stehen. Mit offenem Mund starrte ich den Mann an, der lässig in der halboffenen Autotür lehnte und mich mit einem schiefen Lächeln ansah. „Johannes!“, schrie ich und rannte auf ihn zu. Er trat einen Schritt von der Tür weg, breitete die Arme aus, und ich fiel hinein. So lange hatten wir uns nicht mehr gesehen, und so viele Fragen brannten mir auf den Lippen, aber ich presste mich einfach an ihn und hielt ihn fest. Mein Ohr lag auf seiner Brust und als er sich räusperte, ging mir sein Bariton durch und durch.
„Was machst du hier? Und warum Adam? Ich dachte, wir würden uns nie wieder sehen“, flüsterte ich und sah zu ihm hinauf. Hübsch war er. Mittelblondes Haar lag auf seinen Schultern, die hellblauen Augen blitzten fröhlich, und seine markanten Wangenknochen machten aus ihm einen ansehnlichen, jungen Mann. „Pscht“, machte er nur, strich mir über die Haare und schob mich ein Stück von sich. „Wir haben noch genug Zeit. Lass uns von hier verschwinden. Der Flughafen wird von Marcus‘ Rudel überwacht. Hey“, sagte er zu Sam gerichtet, der uns beinahe lauernd musterte, und ließ mich los. „Johannes. Kannst Jo zu mir sagen. Und du bist Sam?“ Ein dumpfes Gefühl schoss durch meinen Magen. Ich traute mich nicht, Sam anzusehen. Mir war plötzlich alles fremd, was mit meinem menschlichen Leben zu tun hatte. Was war mit uns passiert? Hatten unsere Gefühle füreinander nur aus Sex bestanden? Ich fühlte mich von Sams Welt so entfernt wie nie. Ich war kein Mensch! Ich gehörte dort nicht hin, egal wie sehr ich mich bemühte, egal wie perfekt meine Anpassung war. Ohne Sams Blick zu erwidern, den ich wie eine kalte Hand auf mir spürte, öffnete ich die hintere Tür und krabbelte auf den Rücksitz. „Ja, ich bin Samuel Koch. Schön, dich kennenzulernen“, hörte ich Sam höflich sagen, bevor er mir auf den Rücksitz folgte. Ich konnte förmlich seine Fragen spüren, starrte jedoch aus dem Fenster und biss die Zähne aufeinander. Nach Sam quetschte sich auch noch Andreas zu uns auf den Rücksitz, so dass Sam nun in der Mitte saß. Adam stieg links auf der Beifahrerseite ein.
„Du siehst echt komisch aus, Anna. Erst hab ich dich gar nicht erkannt. Aber deinen Geruch werde ich auch in hundert Jahren nicht vergessen.“ Johannes hatte sich hinter das Lenkrad gesetzt, legte den Gang ein und lenkte den Wagen auf die Straße. Wir fuhren ein ganzes Stück, bogen von einem Kreisel in den nächsten ein. Das Flughafengelände war sehr weitläufig und wir fuhren nun auf einer Landstraße neben der Startbahn entlang.
„Vorsichtsmaßnahme“, erklärte Sam nach einer gefühlten Ewigkeit neben mir. Er nahm meine Hand in seine und drückte sie fest. „Ich glaube, die haben dich trotzdem erkannt. Hättest dir das also sparen können“, grinste Johannes und blickte mich vom Innenspiegel an. Der Druck auf meine Finger wurde fester. „Sam, nicht so fest. Du brichst mir ja die Hand.“ Zischend wandte ich mich ihm zu. Er war eifersüchtig! Seine Augen glitzerten, seine Lippen waren fest aufeinandergepresst und dieser Blick traf mich in die Magengrube wie ein Dampfhammer. Mit meiner freien Hand streichelte ich beruhigend seine Wange. „Kein Grund zur Aufregung. Unsere Vergangenheit erzähle ich dir irgendwann mal. Zwischen uns ist nie etwas Ernstes gelaufen.“ In dem Moment beobachteten wir Adam, wie er zärtlich mit Jo´s Fingern spielte, die auf der Mittelkonsole ruhten. Aha, da war auch jemand besitzergreifend. Sofort ließ der Druck auf meine Hand etwas nach. „Sie sind ein Paar?“, flüsterte Sam mir zu. Ich nickte, war selbst überrascht. Erst der neue Name, dann das. Ich wurde immer neugieriger auf meinen alten Freund. Ich wollte mich zu Sam beugen und ihn küssen, als unser Auto scharf nach rechts ausscherte und ich gegen seine Brust geworfen wurde. Im ersten Moment kapierte ich nicht, was passiert war. Ein Blick auf die angespannten Schultern von Adam und Jo, sowie aus dem Fenster, reichte aus, um zu wissen, dass jemand uns angegriffen hatte und es sich nicht einfach nur um einen Unfall handelte. Neben mir konnte ich aus den Augenwinkeln, roten Lack sehen, zu mehr war mein Gehirn momentan nicht in der Lage. Jo kurbelte das Lenkrad nach links, um vom Schotter wieder auf die Straße zu gelangen und trat aufs Gas. Der Motor heulte auf, weil er nicht schaltete. „Tret die Kupplung“, befahl Adam ruhig. Offensichtlich befand sich Jo nicht oft in einer solchen Situation, denn seine Finger krampften sich um den Steuerknüppel, die Augen starr auf die Straße gerichtet. „Jo. Rutsch zu mir rüber. Ich halte das Lenkrad. Wir tauschen.“
„Was? Spinnst du? Ich … ich … kann nicht“, stotterte er. Der Motor jaulte und ich hörte ihn bereits explodieren, so laut wurde es im Auto. Ich wusste, ich durfte mich nicht einmischen, aber wenn nicht bald ein Wechsel stattfände, würden Marcus Leute uns platt machen. Angespannt biss ich auf die Backenzähne. Ein letztes Mal heulte der Motor auf, als Jo endlich den Fuß vom Gas nahm, sich aus seinem Sitz schälte und hinter Adam auf den Beifahrersitz glitt. Adam war im selben Moment nach rechts gerutscht, zog die Beine nach und umfasste das Lenkrad. Bis er sicher saß, wurde der Wagen langsamer, aber wenige Augenblicke später, zog er an, kuppelte und steuerte das Fahrzeug die Landstraße entlang. Ich hatte komplett die Orientierung verloren. Draußen war es dämmrig, nass und ungemütlich. Vor uns sah ich die roten Rücklichter bremsender Autos. Auf Andreas Seite erschien ein Motorrad. Der Fahrer kam näher, so dass er auf Höhe der hinteren Türen war, und bevor ich den Atem anhalten konnte, hatte Andreas das Fenster runtergelassen und schoss auf ihn. Entsetzt konnte ich erkennen, dass sich der Oberkörper des Angreifers nach hinten bog, die Kontrolle über das Motorrad verlor, und wie ein nasser Sack auf die Straße fiel. „Verfluchte Scheiße!“, schrie Sam und zuckte zusammen, hielt meine Hand fest in seiner. Mein Herz pochte hart gegen meine Rippen, und als sich der Wagen von eben näherte, und mit der Fahrerseite auf meiner Höhe war, hielt ich kurz die Luft an. Utz! Es war Utz. Übelkeit stieg in mir auf. Grinsend starrte er zu mir rüber und rammte uns mit seinem rechten Kotflügel. Er war alleine. Der Drang, die Wölfin rauszulassen, wurde immer stärker, der bittere Geschmack im Mund kündigte ihre Gier auf den Kampf an. Ruckartig schoss Jos Kopf zu mir. „Du bleibst hier! Adam bringt uns hier raus.“ Offensichtlich hatte er die Wölfin gerochen. Meine Scheibe zersprang plötzlich in tausend kleine Stücke, die sich auf mir ergossen und Utz´s Arm flog auf mich zu. Reflexartig rückte ich zu Sam, drehte mich halb zu ihm und hörte einen lauten Knall. Ich riss die Augen auf und drehte mich zum offenen Fenster. Regen peitschte mir ins Gesicht, stach mit tausend Nadeln auf meine Wangen ein. Utz grinste mich mit seiner hässlich vernarbten Fratze an, tippte sich mit dem Lauf einer Pistole gegen die Schläfe, in Militärgrußmanier und brauste an uns vorbei.
„Kopf runter!“, hatte Andreas geschrien. Alles war in Sekundenschnelle passiert, und doch kam es mir vor, als wären die nächsten Momente in Zeitlupe abgelaufen. Ich hatte gespürt, wie der Wagen schneller geworden war, mein Blick war zu Sam gehuscht und mir war das Herz für einen Moment stehengeblieben. Meine Ohren klingelten immer noch und doch hörte ich mich selbst weiter schreien, als ich auf meine rechte Hand sah, die eben noch Sams gehalten hatte. Überall war Blut und als ich den Kopf anhob, bemerkte ich, dass sich ein dunkler Fleck auf seinem Hemd ausbreitete.