Читать книгу Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde Band 1 - Kersten Reich - Страница 20
ОглавлениеVon Anbeginn der Kulturgeschichte in ihren unterschiedlichen Formen hat sich der Mensch um sein eigenes Leben, um die Welt um sich herum und die möglichen irdischen und überirdischen Einflussgrößen Gedanken gemacht, kreiste also stets überwiegend um sich selbst, seinen Besitz und sein Streben. In den großen Theorien und Ideologien, in den Philosophien, der Religion, den Versuchen letzter moralischer Antworten oder universaler Gesetze eines vernünftigen und gerechtfertigten Handelns wurden im Laufe der Zeit zahlreiche Lösungen gefunden und an die sich wandelnden Herausforderungen der Zeitalter angepasst. Die menschliche Sorge teilt sich auf in eine verstehende und eine erklärende Dimension, die der Realität stets vorauseilt oder sie im Rückblick beschaut. Je nach Lage und Situation der Menschen gibt es sehr unterschiedliche Auslegungen. Mit diesen Sorgen und den aus ihnen entspringenden Lösungen will ich mich beschäftigen, um die Frage zu beantworten, ob die Sorge uns hinreichend antreiben kann und wird, die bisher fehlende Nachhaltigkeit zu bewältigen.
Menschen meinen heute immer wieder gern, der alten, krisenbefallenen Geschichte, dem ständigen Überlebenskampf entkommen und in einem wirklich aufgeklärten und freien Zeitalter angekommen zu sein. Wir sprechen davon, in der besten aller Zeiten zu leben, wenngleich viele Menschen durchaus zugeben, dass sie nicht vollkommen perfekt ist. Aber wenn wir näher und tiefer in die Vergangenheit schauen, müssen wir erkennen, dass viele Sorgen und Probleme gleich geblieben sind. Die menschlichen Begierden, die maßlose Lebensweise, das sind zivilisatorische Ereignisse, die die Menschheit von Anbeginn begleiten. Ebenso alt ist die historische Erklärung dieser Lebensweise: der notwendige Kampf ums nackte Überleben.
Hindernisse in Form von Gefahren gab es in der Menschheitsgeschichte fortlaufend. Prometheus ist ein Sinnbild für die Notwendigkeit, Hindernisse und Gefahren zu überwinden, um Fortschritt zu erlangen. Er stahl den Göttern das Feuer und brachte es den Menschen, die so ihre Kultur- und Fortschrittsgeschichte beginnen konnten. Prometheus ist eine der fiktiven Gestalten der griechischen Mythologie und damit ein Konstrukt in der Selbstbewusstwerdung der Menschen, die selbst die Ungeheuerlichkeit des Diebstahls von Kräften der Natur für die Menschen in einer Erzählung fassen, die seither in vielerlei Variationen wiederkehrt. Das Feuer brachte den Menschen nicht nur Wärme, Sicherheit und technologischen Fortschritt, sondern auch Brand und Vernichtung. Im Mythos wurde Prometheus von den Göttern bestraft, aber die Menschen wollen sich in der realen Geschichte vor allem durch weiteren Fortschritt belohnen.
So sehr der Mensch im Laufe seiner Geschichte auch ein Kulturwesen geworden ist, so ist er dennoch wie alle biologischen Wesen angetrieben von Überlebensinstinkten, die er in Konkurrenz mit anderen Lebewesen ausübt. Mauch (2019, 7) nennt den Wettbewerb der Arten auf der Erde ein allgemeines Organisationsprinzip des Lebens, das es dem Menschen aufgrund seiner besonderen Ausstattung erlaubt hat, sich stark zu vermehren und auszubreiten, sich maßlos zu verhalten. So hat der Mensch sich im Überlebenskampf sogar selbst zum Gegner gemacht und sich und der Umwelt in seinem Eroberungskampf keineswegs nur Erfolge gebracht, sondern, wie Haber (2007, 359) feststellt, sogar ökologische Fallen errichtet, die sich als gefährlich für seine weitere Evolution erweisen. Was sind solche Fallen?
Haber sieht mehrere Fallen, die der Mensch allein in Sorge um seine Bedürfnisse erzeugt hat. Die Kontrolle des Feuers und die Nutzung von Brennstoffen, die Herstellung von Lebensmitteln und anderen biologischen Substanzen, die Nutzung von Metallen und anderen Materialien in verschiedenen Anwendungen, einen technisch orientierten und städtisch ausgerichteten Lebensstil, eine ökonomisch und sozial regulierte Gesellschaftsorganisation gehören dazu (ebd., 359 ff.). All diese Wege können für den Menschen fortschrittlich sein, weil sie den Wohlstand erhöhen und die Überlebenssorgen besser einschätzen und begrenzen lassen. Aber sie sind zugleich auch Fallen in der Ökologie, ich nenne sie Nachhaltigkeitsfallen, weil sie das Potential haben, Grenzen des Wachstums zu überschreiten, sofern sie Schädigungen für alles Leben auf der Erde erzeugen.