Читать книгу Und du bist nicht da - Kerstin Teschnigg - Страница 11
Kapitel 8
ОглавлениеJulian
Shit. Mein Kopf tut weh und mir ist schlecht. Langsam drehe ich mich zur Seite. Das Licht ist erbarmungslos grell. Oh Fuck... Ich schließe meine Augen schnell, mache sie dann langsam wieder auf und hoffe das Bild, das sich mir offenbart ändert sich, aber sie ist immer noch da. Vorsichtig sehe ich unter die Decke und halte kurz die Luft an. Ich bin nackt. Nein… Habe ich das wirklich getan? Janine rekelt sich und grinst mich triumphierend an. Ich weiß nicht ob es Absicht ist, dass sie mir ihren nackten Busen schonungslos präsentiert. Mir ist unglaublich schlecht und alles beginnt sich zu drehen. Ich springe aus dem Bett und übergebe mich im angrenzenden Badezimmer. Krampfend würge ich alles Mögliche herauf. Was zur Hölle ist passiert? Ich hänge noch über dem Klo, als Janine ihren Kopf zur Tür hereinsteckt.
„Alles ok? Klingt nicht gut?“, meint sie und verzieht dabei ihr Gesicht.
„Raus…“, blaffe ich sie an. Sie verdreht die Augen und schließt die Tür wieder. Ich stehe auf und lasse kaltes Wasser über meine Pulsadern laufen. Mühevoll versuche ich mich zu erinnern. In meinen Schläfen pocht es. Ich wasche mein Gesicht und schaue in den Spiegel. Anna. Ich erinnere mich an Anna. Lächelnd schließe ich meine Augen. Sie war so schön und sie roch so gut. Wie immer.
„Kommst du jetzt mal raus?“, beschwert sich Janine und klopft dabei für meinen Schädel zu laut an die Tür. Ich ignoriere es.
Anna…Warum ist sie gegangen? Ich denke angestrengt nach. Shit. Weil ich Mist gebaut habe. Und jetzt steht Janine vor der Tür. Fuck. Fuck. Fuck. Anna hätte neben mir im Bett liegen sollen, nicht sie. Ich wickle mir ein Handtuch um. Zögerlich öffne ich die Tür. Janine sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Haben wir…“, frage ich vorsichtig, weil ich mich absolut an nichts erinnere.
„Was?“, fragt sie mit einem spitzen Ton, der mir im Kopf wehtut. „Sicher haben wir. Was ist denn los mit dir?“
Ich lasse mich aufs Bett sinken. „Scheiße…“, murmle ich.
„Was SCHEISSE?“, schreit sie mich an.
Ich sehe auf und atme durch. „Keine Ahnung warum und wie das passierte, aber das wollte ich nicht. Ich war betrunken und erinnere mich an nichts.“
„Du wollteste es nicht? Das fühlte sich aber ganz anders an. Und jetzt?“
Ich zucke mit den Schultern. „Du hast doch mitbekommen, dass ich und Anna…“
Sie unterbricht mich und gibt mir einen ordentlichen Stoß an die Schulter. „Anna?! Ernsthaft?! Vor ein paar Stunden, da hast du nicht an deine Anna gedacht. Im Gegenteil! Ich kann dir gern erzählen was du alles mit mir gemacht hast! Sag mal tickst du noch richtig?“
Ich schüttle den Kopf. „Bitte hör auf. Es tut mir leid…“
Wieder unterbricht sie mich. „Leid? Mir tut es leid! Du bist echt ein Arschloch!“
Dann packt sie wutentbrannt ihre Sachen und verlässt das Zimmer. Ich amte durch und lasse mich aufs Bett zurückfallen. Scheiße. Was mache ich denn jetzt? In meinem Kopf sticht es dermaßen, dass ich kaum klar denken kann. Doch eines ist ganz klar, wenn ich an Anna denke, zieht es in meinem Bauch und das halte ich fast nicht aus. Was soll ich ihr denn jetzt sagen? Ich schließe meine Augen. Wie sie lächelt…Ihre Lippen…Wie sie küsst…Wie sich ihre Haut anfühlt. Was genau ist heute Nacht passiert? Ich habe sie geküsst, aber sie wollte es nicht. Angestrengt denke ich nach. Warum habe ich nur so viel getrunken, ich mache das doch sonst nie? Ich drehe meinen Kopf ins Kissen, dabei wird mir wieder schlecht. Es riecht nach Janines Parfum. Schwer und bestimmerisch. So wie sie ist. Wie konnte ich mich nur auf sie einlassen? Ich springe auf, kurz dreht sich alles, doch ich nehme mich zusammen und ziehe das Bettzeug vom Polster und der Decke, außerdem reiße ich das Laken fast panisch von der Matratze. Danach bin ich so fertig, dass sich Schweißperlen auf meiner Stirn gebildet haben. Ich werfe die Schmutzwäsche vor meine Tür und stelle mich unter die Dusche. Zuerst drehe ich warm auf, dann eiskalt. Mein Herz pumpt. Meine Hände zittern. Plötzlich fällt es mir ein. Sie hat nein gesagt und ich habe sie blöd angemacht. Ich wollte sie gar nicht so anfassen. Warum habe ich es trotzdem getan? Ich kann nicht verstehen, was mit mir los war. Und dann Janine. Ich senke meinen Kopf und sehe an mir hinab. Daran kann ich mich absolut nicht erinnern, selbst wenn ich mich noch so sehr anstrenge. Ich kann doch nicht einfach mit ihr vögeln…Es würgt mich. Keine Ahnung was Anna jetzt von mir denkt. Dabei bedeutet sie mir so viel. Ich bin nicht hierhergekommen um mich zu verlieben. Es sollte einfach ein unbeschwerter Sommer werden. Doch dann habe ich sie gesehen. Wie sie ihre Augen aufgeschlagen hat nach dem Fahrradunfall. Wieder zieht es in meinem Bauch. Sie ist anders. Ganz anders. Sie ist so klug und besonnen. Und hübsch, auf eine ganz besondere natürliche Art und ohne den üblichen Kleister im Gesicht. Sie hat eine tolle Figur, nicht so skinny wie es jetzt scheinbar in ist, genau das gefällt mir. Sie strahlt eine mädchenhafte Leichtigkeit aus, die ich so nicht kenne. Ja…Sie ist anders…Ich muss lächeln. Papa hat sich auch in Mama verliebt und sie waren weit auseinander. Heute sind sie glücklich. Es ist also nicht ausgeschlossen. Nichts ist unmöglich. Ich muss mit ihr reden, mich entschuldigen. Während ich mich abtrockne, überlege ich wie ich das anstellen könnte. Ihr Vater ist streng. Er wird mich davonjagen, aber das muss ich riskieren. Ich werde ihm sagen, dass ich ehrliche Absichten habe. Ich bin kein Typ der seine Tochter nur flachlegen will, ich bin anders. Ich seufze für mich selbst. Nein…Bin ich nicht. Janine durchquert meine Gedanken wieder. Das kann ich ihr auf keinen Fall erzählen, sie würde es mir nicht verzeihen und ich kann das sogar verstehen. Nachdem ich mich angezogen habe, gehe ich hinüber zum Bauernhaus. Auf dem Weg dorthin offenbart sich mir ein ziemliches Chaos. Die nächsten Stunden ist wohl aufräumen angesagt. Frau Herzog lächelt mich an.
„Na? Ausgeschlafen? Da sieht aber wer noch nicht ganz frisch aus?“, meint sie schmunzelnd.
„Nein…Nicht so richtig. Darf ich das Bettzeug bitte tauschen?“, frage ich kleinlaut.
„Sicher. Magst du einen Teller Suppe? Es ist noch etwas übrig vom Mittagessen“, meint sie.
Ich nicke und setze mich an den großen schweren Holztisch. Heute komme ich mir so klein vor, es ist schrecklich. Selten wünsche ich mir meine Mum wäre jetzt hier, aber heute tue ich es. Sie weiß immer Rat.
„Wo sind denn deine Freunde?“, fragt mich Frau Herzog und stellt mir einen dampfenden Teller Leberknödelsuppe hin. Mir ist immer noch schlecht, aber ich denke die Suppe wird helfen. Darum löffle ich langsam die heiße Brühe.
„Ich glaube die schlafen noch.“ Ich werfe einen Blick auf die Küchenuhr. Es ist schon fast drei Uhr nachmittags. Keine Ahnung wie lange die Party überhaupt gedauert hat. „Kennen Sie Anna?“, frage ich leise.
„Anna? Welche Anna denn?“, meint sie neugierig.
„Sie wohnt in der Nähe von der Kreuzung oben am Ende der Straße.“
Sie überlegt kurz, lächelt dann aber. „Du meinst die Anna Adler.“
Ich nicke. Ja ich glaub sie sagte mir, dass ihr Nachname Adler wäre.
„Das ist ein sehr nettes Mädchen“, nickt sie.
Ich nicke auch. „Und der Vater, kennen Sie den auch?“
Sie zieht die Augenbrauen hoch und atmet durch. „Durchaus. Ja.“
„Der ist wohl nicht so nett…“, murmle ich.
„Ich würde sagen, geh ihm aus dem Weg. Er ist nicht der angenehmste Zeitgenosse hier im Dorf. Warum fragst du?“
Mir wird wieder schlecht. „Nur so…Ich mag Anna.“
Jetzt schmunzelt sie ziemlich breit. „Kann ich verstehen.“
Ich nicke wieder, senke meinen Blick danach aber und denke nach. Kein angenehmer Mensch. Shit. Aber ich muss dahin, ich will Anna sehen und mich bei ihr entschuldigen.
Nach der Suppe geht es mir etwas besser. Ich gehe zurück zum Ferienhaus und beginne unmotiviert aufzuräumen. Die anderen sind inzwischen auch munter. Daniel verdreht grinsend die Augen und Sam kann es auch nicht lassen blöde Andeutungen wegen Janine zu machen.
„Haltet einfach die Klappe“, murre ich. „Das ist alles ein riesen Shit.“
Es dauert gefühlt ewig bis alles halbwegs aufgeräumt ist. Ich bin wieder komplett durchgeschwitzt und mein Kopf tut immer noch weh. Kurz nach sechs Uhr stehe ich frisch geduscht vor dem Spiegel und sehe mich an.
„Ich fahre jetzt dahin. Ich muss sie sehen. Ich muss mit ihr reden. Sonst drehe ich durch. Ich darf kein Schisser sein. Ich bin ein Mann.“ Ich senke meinen Blick. „Ich bin ein Idiot.“
Allen Mut zusammennehmend gehe ich hinaus und an meinen Kumpels die gerade eine Bretteljause essen vorbei. Mir dreht es schon wieder fast den Magen um.
„Willst du nichts essen?“, meint Sam.
„Nein. Ich fahre zu Anna“, sage ich bestimmt.
„Zu Anna?“
Ich bleibe stehen und nicke. „Ja. Ich habe Scheiße gemacht. Keine Ahnung wie ich das gutmachen soll.“
Sam verdreht die Augen, natürlich kann er nicht verstehen wie ich mich fühle, ich verstehe es ja selbst nicht. Ich fahre langsam vom Hof, an der Weggabelung an der es zu Annas Haus geht bleibe ich kurz stehen. Da unten wohnt sie. Wieder das Gefühl in meinem Bauch, das es mir schwer macht klar zu denken. Ich fahre weiter. Ich werde das wiedergutmachen.