Читать книгу Klausurenkurs im Arbeitsrecht I - Kerstin Tillmanns - Страница 45
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Es könnte jedoch eine mittelbare Diskriminierung gem. § 3 II AGG wegen des Alters vorliegen. Es könnte ein dem Anschein nach neutrales Kriterium gem. § 3 II AGG, nämlich die Eigenschaft als „junger Familienvater“, den A in besonderer Weise benachteiligt haben. Dafür ist es grundsätzlich erforderlich, dass von einer (potentiellen) Ablehnung statistisch gesehen erheblich mehr junge als alte Stellenbewerber betroffen wären.[7] Dies ist der Fall, denn es gibt in der Altersgruppe der 25- bis 40-jährigen Männer einen wesentlich höheren Anteil an „jungen Familienvätern“ als in der Altersgruppe der hier offenbar bevorzugten 40- bis 55-jährigen Arbeitnehmer. Es könnte demnach eine mittelbare Diskriminierung vorliegen.
Exkurs/Vertiefung: Die Abgrenzung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung ist mit vielen Zweifelsfragen behaftet. Der Klausurschreiber sollte sich hier nicht zu allzu tiefgehenden theoretischen Erörterungen hinreißen lassen. Vgl. auch die Ausführungen im Repetitorium unter II, Rz. 40.
Eine mittelbare Diskriminierung liegt aber schon tatbestandlich gem. § 3 II AGG nicht vor, wenn die benachteiligende Regelung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und das eingesetzte Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich ist.
Exkurs/Vertiefung: In der Sache ist eine dem Studierenden aus dem öffentlichen Recht bekannte Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Die nachfolgend angeführte Rechtsprechung des EuGH muss dem Studierenden nicht bekannt sein. Es genügt eine gute Argumentation.
Allgemein hat der EuGH ausgeführt, dass eine mittelbare Diskriminierung nur notwendig ist, wenn die Maßnahme der Verwirklichung eines wirklichen unternehmerischen Bedürfnisses dient. Nach der Rechtsprechung des EuGH zur Geschlechterdiskriminierung dürfen Arbeitnehmer mit höherem Erfahrungswissen oder einer besonderen Qualifikation bevorzugt werden.[8] Dasselbe gilt für Arbeitnehmer, welche eine qualitativ oder quantitativ höhere Arbeitsleistung erbringen.[9] Aber die Bevorzugung von Arbeitnehmern aufgrund einer pauschal behaupteten höheren ,,Motivation" ist keine Rechtfertigung.[10] Auch kann eine Diskriminierung bei der Einstellung nicht durch Umstände gerechtfertigt werden, welche erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses zu Tage treten.[11]
Hier wurde die Ablehnung des A damit gerechtfertigt, dass er in seiner Eigenschaft als Familienvater nicht über die nötige Risikofreudigkeit verfüge. Eine nur behauptete fehlende Einsatzfreude ist keine Rechtfertigung. Ob A tatsächlich weniger risikofreudig und einsatzbereit ist, würde sich zudem erst nach Vertragsschluss zeigen. Wenn die D-GmbH sich darauf hätte stützen wollen, hätte sie mit den Bewerbern entsprechende Einstellungstests machen können.
Denkbar für die Ablehnung wäre weiter eine etwaig fehlende Erfahrung des A. Zwar hat A Erfahrungen gesammelt, aber es könnte ihm an der für diese Tätigkeit möglicherweise erforderlichen „Lebenserfahrung“ fehlen. An diesem Umstand wurde die Ablehnung jedoch nicht festgemacht. Zudem ist die Lebenserfahrung sehr vom persönlichen Schicksal abhängig und korreliert nicht zwingend mit dem Lebensalter.
Damit ist eine mittelbare Diskriminierung gem. § 3 II AGG gegeben.