Читать книгу 10 Minuten für die Selbstliebe - Kim Fleckenstein - Страница 13

Die Abnabelung von meinen Eltern

Оглавление

Ungefähr zu dieser Zeit feierte ich ein letztes Mal mit meinen Eltern Weihnachten auf Sylt. Das war ihr alljährliches Ritual. Sowohl mein Bruder als auch meine Schwester zogen es vor, mit ihren Familien zu feiern. Unser Insel-Abend war dann auch alles andere als „heilig“. Mein Vater äußerte sich abfällig über meinen Bruder, was ich nicht so stehen lassen wollte.

Je mehr ich meinen Bruder verteidigte, desto wütender wurde mein Vater. „Den guten Eindruck, den du am Anfang des Abends hinterlassen hast, hast du in den vergangenen Stunden kaputt gemacht“, wetterte er. Dann attackierte er mich: „Ich habe gehört, dass du früher mal Probleme gehabt hast“ – damit spielte er das erste und einzige Mal auf meine Bulimie an –, „aber das Einzige, wofür du nichts konntest, war dein Autounfall.“

Mein Vater sprach’s, stand auf, knallte den Stuhl an den Tisch und ging ins Bett. Ich fuhr am zweiten Weihnachtstag zurück nach Hause und dachte nur: „Das war’s. Ich bin es leid. Ich höre mir diese blöden Kommentare von ihm nicht mehr an.“

Daraufhin hatten wir lange keinen Kontakt. Das letzte Mal hörte ich mit Ende 30 von ihm, als ich mit meiner Schwester und meiner Mutter Urlaub auf Sylt machte und er abends dort anrief. Ich ging ans Telefon und er meldete sich mit seinem Nachnamen. Nein, er hatte mich nicht falsch verstanden oder verwechselt. Ich sagte dennoch fröhlich „Hallo Papa.“ Er fragte, wo Mama sei. „Nicht da.“ Daraufhin legte er auf. Seitdem herrscht zwischen uns absolute Funkstille – mit der ich inzwischen sehr gut leben kann.

Zu meinem 40. Geburtstag gab ich eine Party, zu der ich auch meine Mutter einlud. Ich hielt eine Rede auf jeden Gast und fing mit ihr an. Ich sagte, dass ich mir immer so gewünscht habe, von ihr zu hören, dass sie mich liebt. Ich erklärte, dass ich darunter sehr gelitten habe. Andererseits sei mir bewusst geworden, dass auch ich ihr nie gesagt habe, dass ich sie liebe. „Ich will diesen Abend nutzen, um das nachzuholen. Mama, ich liebe dich.“

Natürlich hoffte ich wieder, die letzten drei Worte nun auch von ihr zu hören. Vielleicht hat sie sie gedacht, aber sie konnte sie aus irgendwelchen Gründen nicht aussprechen. Stattdessen verriet sie mir, dass mein Vater unsere Halbschwester immer mehr als sein Kind empfunden hat als meinen Bruder und mich. Es sind schon tolle Geburtstagsgeschenke, die ein Kind von seinen Eltern so bekommen kann, nicht wahr?


MEINE ERKENNTNIS

An diesem Abend wurde mir klar, dass die Hoffnung und die verzweifelte Erwartung meinen Eltern gegenüber ein Ende haben mussten. Und ich glaube, damals entstand unbewusst auch der Wunsch, eines Tages alles aufzuschreiben, um das Kapitel „Meine Eltern und ich“ endlich abzuschließen.

10 Minuten für die Selbstliebe

Подняться наверх