Читать книгу 10 Minuten für die Selbstliebe - Kim Fleckenstein - Страница 8

Ein vorsätzlicher Liebesentzug

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Ich war ein impulsives Kind, das seine Gefühle und Gedanken frei äußerte. Dadurch eckte ich in meiner Familie an. Vor allem bei meinem Vater, der einer Generation angehört, die es nicht gelernt hat, über ihre Gefühle zu sprechen. Die typische Schutzstrategie meines Vaters ist das Macht- und Kontrollstreben; meines war Angriff und Attacke.

Unsere Auseinandersetzungen liefen stets nach dem gleichen Muster ab: Ich hatte eine andere Meinung als mein Vater und wagte es, diese auch zu äußern. Das passte ihm überhaupt nicht, woraufhin er mich scharf zurechtwies. Damit hätte ich leben können. Aber er setzte eine noch weitere Taktik ein, die mir an die Substanz ging: Er tat so, als sei ich Luft.

Unsere Diskussionen fanden meist beim gemeinsamen Abendessen statt. Mein Vater ignorierte mich danach üblicherweise eine ganze Woche lang. Anfangs wiederholte ich brav mein „Gute Nacht“ oder „Guten Morgen“, weil ich dachte, er hätte mich nicht gehört. Aber schließlich erkannte ich, dass er mich absichtlich nicht wahrnahm. Als wir das nächste Mal wieder im Clinch lagen, verzichtete ich von vornherein auf einen Gruß. Das wiederum ließ mein Vater nicht zu. Wenn er nach Hause kam, musste ich ihn mit einem „Guten Abend“ begrüßen. Er selbst blieb stumm.

Ich kann verstehen, dass man ab und zu sauer auf jemanden ist. Ich kann verstehen, dass man auch mal keine Lust hat, über etwas zu reden. Aber dieser vorsätzliche Liebesentzug war unglaublich schlimm für mich.

War die Woche um, grüßte mein Vater mich wieder, wenn ich aus meinem Zimmer getrottet kam. Zunächst zwar noch sehr reserviert – doch zumindest war ich wieder anerkannt. Der Streit an sich wurde nie mehr thematisiert, es gab bei uns keine Aussprachen. Deswegen habe ich es als Kind zum Beispiel nicht gelernt, wie man konstruktives Feedback gibt.

Falls Sie sich fragen, was meine Mutter zu all dem zu sagen hatte: nicht viel. Und wenn, dann änderte es nichts. Mein Vater war der Patriarch, seine Meinung und seine Laune zählten. Alle hatten sich nach ihm zu richten. Auch meine Mutter.

10 Minuten für die Selbstliebe

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