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Providence, Rhode Island

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23. November 2018. “Pattie Bronski”, sagte Moscone, „schön, dass du kommen konntest!“, als Pattie den George P. Mitchell-Raum im Superman-Building betrat. Das war natürlich fürchterlich gelogen, das wussten alle im Raum, denn niemand wäre vom CEO Moscone in dieses Meeting gebeten worden, der nur zufällig Zeit gehabt hätte und der nicht sehr genau gebrieft und genauso sorgfältig vorbereitet worden war.

„Sie müssen wissen“, lachte der CEO charmant, der heute alles von Captain Ahab missen ließ, heute gab er mehr den charmanten William Powell aus einem der Dünner Mann -Filme.

„Pattie, Mrs. Bronski, ist zur Zeit unsere allerwichtigste Mitarbeiterin, sie hatte diese grandiose Idee, deretwegen wir uns heute hier treffen, und sie arbeitet mit ihrem Team mindestens 24 Stunden am Tag... Ich darf mich bei ihnen allen bedanken, dass sie so kurzfristig Zeit hatten, sich Patties Idee anzuhören und zu diskutieren.“

Das mit dem Team war Pattie neu, sie hatte bisher alles allein gemacht. Sie hatte sich für den heutigen großen Auftritt von ihrer Style-Beraterin in ein ebenso schickes wie teures Schneiderkostüm stecken lassen. Unter der Jacke trug sie eine hochgeschlossene Bluse. Die Schuhe waren flach. Sie sah also nicht so attraktiv wie sonst, sondern nur „Nivea-gepflegt“ (wenn es Nivea in den USA gegeben hätte) und sehr nach professioneller Arbeit aus. Sie wäre mit ihrem Outfit in jedem evangelikalen Klüngel als republikanische Politikerin der zweiten oder dritten Linie durchgegangen.

Ihre Haare waren heute auch nicht stylish struppig, sondern lagen kurz und dicht am Kopf an, und sie trug (natürlich) Brille, aber eine, die sie intelligent und zurückhaltend und vor allem nicht frech aussehen ließ.

Pattie sah in die gepflegten und naturgebräunten Gesichter von lauter hochfitten und wichtigen Männern und von zwei Frauen, die garantiert täglich mit persönlichen Trainern hart an sich arbeiteten, ja, sich kasteiten. Die Gesichter sagten in ihrer gepflegten Strenge aus, dass Spaß in ihren Leben eigentlich seit ihrem sechsten Lebensjahr nicht vorgesehen gewesen war, Erfolg dagegen schon.

Das waren Männer und Frauen einer US-amerikanischen Klasse der Neu England Staaten, die von Kindesbeinen an dazu erzogen worden waren, später einmal wirklich sehr wichtig zu werden. Und das waren sie wohl auch geworden, das sah man an der teuren Masskleidung, ihren unglaublich gut sitzenden Frisuren, den ausgewählten Chronometern an ihren Armen und nicht zuletzt an den Schuhen und schließlich an der Tatsache, dass sie heute hier waren, denn der CEO der NaGaA stellte ihr nacheinander

Mrs. Kennedy von ExxonMobil, Mr. Cheney von DOW Chemical; Mr. Gonzalez von Halliburton; Mr. Tyler von BHP, Mrs. Collister von Cheniere Energy und Mr. Hernandez vo, The Shipbuilders Council of America vor.

Jede(r) einzelne war in der jeweiligen Firma wirklich sehr wichtig – aber doch nicht so unglaublich wichtig, und vor allem in der Öffentlichkeit nicht als wichtiger Leader bekannt, dass man zur Not nicht auf sie | ihn verzichten könnte, wenn die ganze Sache aus Versehen schief gehen würde!

“Ja“, schloss er die Vorstellungsrunde, „und das ist unsere begabte Pattie Bronski.“

Pattie gab jedem und jeder die Hand. Sie war von den Gästen schon beeindruckt. Fast hätte sie bei der sehr streng aussehenden Mrs. Kennedy einen Knicks angedeutet, der Name und die Augen erinnerten durchaus an die berühmten Verwandten, oder nicht? Wie heißt es doch so schön: Warum gibt es in den New England-Staaten keine Mafia? Weil die Kennedys schon vorher da waren. Bei dem stahlharten Auftritt von Mrs. Kennedy glaubte man das sofort.

Mrs. Kennedy fragte Pattie arrogant, ob sie Polin sei? Pattie schaute ihr fest in die Augen, lächelte sie kühl an und sagte nach einem Moment: „Nein, Mrs. Kennedy, ich bin so wenig Polin, wie sie vermutlich Irin sind – ich bin Amerikanerin. Sie auch?“

Mrs. Kennedy lächelte nur leicht, und ohne dass das Lächeln ihre Augen erreichte. Die Bronski hatte eben erfolgreich ihren Claim abgesteckt, fand Moscone.

Alle anderen hatten ebenso einen festen Händedruck, jeder und jede schaute ihr dabei gerade in die Augen – das war ein erstes Abtasten, ein Kräftemessen, das sie zu bestehen hatte... Und das sie bestand.

„Pattie“, fragte Moscone, „hast du zufällig deine Präsentation dabei?“

Natürlich hatte Pattie, natürlich rein zufällig...

„Ja? Wunderbar, dann können wir ja gleich loslegen... Wollen sie bitte ihre Plätze einnehmen, Ladies und Gentlemen. Pattie, wenn ich bitten darf... vielleicht kannst du auf ein paar zu tief in die Materie gehenden Einzelheiten verzichten, die Damen und Herren kennen das Geschäft ja aus eigener Anschauung aus dem ff – es sei denn, es bestünden Fragen... Sie können natürlich jederzeit Fragen stellen. Pattie, bitte...“

Pattie gab ihre Präsentation zum Besten, die sie natürlich an vielen Stellen überarbeitet, an einigen gekürzt, insgesamt aber ziemlich „gefeilt“ hatte. Sie beherrschte sie inzwischen auswendig. Sie tat, als ob sie ein paar „nicht so wichtige Fakten“ übergehen würde (das war vorher trainiert und vom CEO abgenommen worden), sie stellte die Situation der Gasindustrie in Amerika sehr kurz und sehr lapidar als „leider beschissen“ dar, das wussten alle. Da musste sie nicht weiter drauf eingehen.

Sie führte in Kurzform durch Kontinente, Klimazonen und gastechnisch wichtige Länder, sie zeigte Verbrauche und einige ausgewählte lokale Preise, sie präsentierte kurz die wichtigsten Energiefirmen als Abnehmer und Konkurrenten und führte die Gäste, die im Grunde alle schon die wichtigsten Fakten von Moscone im Voraus erhalten hatten, endlich nach ca. 15 Minuten zum Höhepunkt des Vortrages. Denn sie kam auf Europa und Deutschland und damit an die angedachte Lösung ihres gemeinsamen Problems zu sprechen.

„Wunderbar, soweit stellt sich das für mich alles wunderbar dar“, beschloss ihr Boss knapp den Vortrag, „oder gibt es da Probleme, Pattie?“

„Ja, Derrick, ich sehe da leider die Russen dick im Gas-Geschäft, sie verfügen über mindestens 6 Pipelines nach Europa und verdienen damit mindestens 100 Milliarden $ pro Jahr. Ich denke, das – die Russen – werden die Nuss sein, die wir zu knacken haben. Und das wird nicht leicht werden. Die haben im Moment noch ein Heimspiel, befürchte ich.“

Mrs. Kennedy (ExxonMobil) bedankte sich im Namen aller für die hervorragende Präsentation, um mit „Scheiß-Russen“, zu enden und, „immer sind es diese gottlosen Russen: Erst haben sie den Sputnik und dann haben sie die Pipelines, die Krim nicht zu vergessen, die sie unseren Freunden in der Ukraine gestohlen haben, gut, dann müssen wir sie eben wieder einmal in die Knie zwingen – erst mein Großonkel die Kommunisten und wir jetzt eben Putin! Hat man den schon einmal beten sehen? Nein! Das müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir es mit Gottes Hilfe nicht schaffen würden.“ Sie schaffte es ohne weiteres Gott und den Teufel in einem Satz unterzubringen.

DOW Chemical sah überhaupt nicht ein, dass diese verfickten Putin-Russen uns US-Amerikanern das schöne Geschäft kaputt machen sollten, das sich da doch anbahnte, oder?

Halliburton knurrte nur, dass man die Kerle schon lange hätte fertigmachen sollen. Wofür hatten wir eigentlich diesen schönen kalten Krieg? Das waren noch Zeiten. Da hätten wir die schon lange am Arsch...

BHP spielte mit dem sehr teuren Drehbleistift mit dem französischen Firmennamen und warf dann ein, im Prinzip sei er der Meinung seiner Vorredner... GAZPROM sei aber schon wer, mit dem zu rechnen sei. Und dahinter stünde eben Putin und damit ganz Russland, der KGB und sogar die Rote Armee oder wie die jetzt heißen mögen, sind aber dieselben wie früher.

Cheniere Energy sah den profitablen Bau von mindestens 5 bis 10 Verladestationen den Bach runtergehen, wenn man den Russen nicht ganz gewaltig in die Schranken weisen würde. Schlussendlich wird der Russe sich nicht trauen..., in Kuba und in Afghanistan hat der Russe ja auch den Schwanz eingezogen, frohlockte sie.

The Shipbuilders Council of America sah mit hochrotem Kopf einen Bauauftrag von mindestens – mindestens! – 30 Gastankern á 100 Millionen $ bedroht, wenn unser Amerika sich nicht durchsetzen würde. Und diese verschissenen Koreaner sollten ja nicht mucken, wenn es um Angebote gehen würde, denn dann würde man den Kim im Norden von der Leine lassen. Der Auftrag sei extrem wichtig für die US-amerikanische Sicherheit..., nein, es ginge natürlich um die nationale Sicherheit, schon rein strategisch... Das war den anderen eigentlich völlig piepe, Hauptsache war, dass nicht der Rubel sondern der Dollar rollen würde. Das allerdings war Konsens.

Die Damen und Herren diskutierten noch eine Weile in den oben skizzierten Denkmustern, dann kamen sie zu dem verblüffenden Schluss, dass der europäische Markt ihnen und nur ihnen zurecht zustehen würde – man denke nur an die NATO und so. Wo kämen wir denn hin, wenn wir den Gasmarkt – ausgerechnet den Gasmarkt – den Russen überlassen würden. Und die Europäer sollten gefälligst kuschen, die hätten da gar nichts mitzureden. Die USA seien schließlich der Big Brother...

Mrs. Collister fragte Pattie sehr direkt, wie sie es mit Gott und den USA hielte, weil es in den Kreisen, die man jetzt einbinden werde, schon sehr wichtig sei, dass man einander wirklich vertrauen könne, und gemeinsames Gottvertrauen sei eine wichtige Stütze dieses Vertrauens.

Pattie betonte, sie glaube an beide, wobei sie allerdings nicht ganz sicher sei, ob es die USA auch im Jenseits geben würde, denn Demokraten könne man sich als jenseitigen Präsidenten ja wohl kaum vorstellen. Aber sie sei sicher, betonte sie, dass die rechte Gottesfurcht die USA im finanziell wichtigeren Hier und Jetzt mehr beschützen würde, als irgendein dem Teufel zuneigendes Russland, China oder den Iran (bei der Erwähnung des Iran bekreuzigte sie sich). Sogar mehr als die teilweise doch erstaunlich gottlosen Europäer, wenn man von den Iren und Polen einmal absähe, deren abtreibungsfeindliche Politik doch „sehr ermutigend“ sei. Mrs. Collister nickte bei diesen Worten wohlwollend zustimmend mit dem Kopf.

Pattie wollte eigentlich nur noch raus aus dem Besprechungsraum oder wenigstens ein Fenster öffnen, aber Moscone hatte sie darauf vorbereitet, dass solche Themen aufkommen würden.

Mein Gott, führte ExxonMobil ersthaft an, Pipelines könnten ja mal explodieren, das sei nun einmal so, menschliche Fehler und so, das wisse man aus Erfahrung. Schließlich würden die ja größtenteils durch die Ukraine führen, wo man doch schon seine Jungs hätte, da könne man vielleicht... Es könne zum Beispiel ja auch ´mal eine Drohne außer Kontrolle geraten oder so... Er wolle ja nichts sagen, er meine ja nur...

BHP fragte, wofür eigentlich diese verdammt teuren Navy Seals da seien, die angeblich überall rein und raus kommen, ohne gesehen zu werden? Und hinter ihnen kracht es dann... Hatten die nicht erst diesen persischen oder fucking iranischen General, wie hieß er noch, Fakhrizadeh, mein Gott, wie kann man nur so heißen, da bricht man sich ja die Zunge, mit einer ferngesteuerten Hightech-Bombe erledigt? In einem Land, das, wenn dort vernünftige Gesetze gelten würden, gerechterweise immer noch den Kollegen von BP gehören würde.

Cheniere Energy fügte hinzu, dass man sich in diesem Kreise ja wohl einig sei, dass eine russische Pipeline weg müsse, was man aber kaum selber machen könne, und dass jetzt die Politik und deren verlängerter Arm, das Militär, am Zuge seien, denn der Markt heilige auch mal unkonventionelle Mittel, ja, er fordere sie geradezu – dies hier sei ja das beste Beispiel dafür. Und Gott sei schließlich auf ihrer Seite. Denn wer verteidigt denn wohl Freiheit, Demokratie und Reichtum auf der ganzen Welt? Wir! Und wenn die andere Seite Gotteskrieger einsetzen könnten, dann können wir das doch wohl auch! Sie hob die Augen zum Himmel und atmete einmal tief durch.

DOW Chemical nickte bei dem Beitrag intensiv und schlug dann ein kurzfristig angesetztes Meeting in Washington DC vor, an dem geeignete Leute teilnehmen würden, die das Problem so (dabei schnippte er mit den Fingern der rechten Hand) lösen können, das sei nur eine Frage von wenigen Telefonaten.

Damit konnte ein CEO Moscone, der sich vor Zufriedenheit kaum noch beherrschen konnte, das Treffen früher als geplant beenden, was allen Beteiligten sehr recht war.

Man war sich einig, dass es ein sehr gutes und zielführendes Meeting gewesen sei – und Pattie Bronski, unsere amerikanische Heldin mit dem Herz auf dem rechten Fleck und verdammt guten Argumenten auf der Zunge, solle die Sache nur weiterbringen, sie würde mit Gottes Hilfe genau die Richtige sein. Sie sei zwar nur eine Frau, aber eine mit offenbar eisernen Eiern, sie erinnere sie an sich selbst vor 20 Jahren „oder so“, lobte die Kennedy noch.

Gutgelaunt und lachend ging die Gruppe auseinander, es hätte nur gefehlt, dass sie untereinander christliche Sammelbildchen getauscht hätten: „Drei Moses, ein brennender Busch und ein Jesekiel für eine Maria“ oder so. Aber die Aussichten, den Gottlosen Teile des LNG- und Erdgasmarkt zu entreißen, wog im Endeffekt mehr als alle gottgefälligen Sprüche, denn auch steigende Aktienkurse waren für diese evangelikalen Kreise sehr, sehr gottgefällig. Je steiler die Steigung, desto gottgefälliger, so war das nun einmal in „Gods own Country“.

Moscone und Pattie blieben als Gastgeber natürlich die Letzten im Raum. „Gutes Mädchen“, lobte Moscone Pattie, „das ist besser gelaufen als gedacht, Bronski. Die haben dir ja ordentlich auf den Zahn gefühlt, Pattie. Gut pariert – „Ich bin genauso wenig eine Polin wie Sie eine Irin“ – war das gut, ich hätte in die Hosen machen können! Mehr Säbel als Florett, aber das brauchen die, das gefällt denen, ehrlich! Das läuft in die richtige Richtung! Vielleicht solltest du für die Zukunft noch ein wenig Bibelstudium betreiben... Gut gemeinter Rat, Bronski: Lass dich als Republikanerin registrieren, wenn du es noch nicht bist!

Du wirst bald das ganz große Rad drehen, das kannst du mir glauben. Von nun an ist es allerdings dein Spiel nach deinen Regeln, Pattie Bronski. Weiter kann ich dir nicht helfen. Von jetzt an musst du deine Karten alleine richtig ausspielen. Alles Gute! Und lass dir deine Haare wieder verstrubbeln, Pattie, man darf sich nicht zu sehr verbiegen lassen, Mädchen, für nichts!“


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