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Prora. Kalle, Anna & Orlow

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16. Juli 2019. Gegen 15.00 telefonierten Anna und Orlow miteinander und änderten den Treffpunkt. Kurz danach trafen sich die drei im italienischen Restaurant im Hotel Solitaire in Prora ganz in der Nähe von Kalles Wohnung.

Anna meinte, unter Unterdrücken jeden Grinsens, ernsthaft und laut, dass Kalle heute unbedingt viel Eiweiß brauche. Russischer Kaviar sei am allerbesten, Fisch aber auch brauchbar.

Jetzt kaufen Sie mal russischen Kaviar der von ihr präferierten Sorte Malossol im italienischen Restaurant oder überhaupt in Binz oder in Nordost-Rügen. Binz gibt sich zwar gerne als das mondäne Sylt der Ostsee, aber mindestens kaviarmäßig liegen nicht nur 340 km Luftlinie, sondern Welten zwischen Binz und Sylt.

Also sassen die drei bei italienischer Fischsuppe, Pizzabrot, den größten Hummern, die die jetzt leeren Becken liefern konnten, und Stralsunder Bier an einem etwas abseits gelegenen Tisch und unterhielten sich über unverfängliche Themen: Die Abhängigkeit Westeuropas von Gaslieferungen, Gazprom als Sponsor von Schalke 04 und der Champions League – so etwas in der Art.

Kalle konzentrierte sich inzwischen auf das Vertilgen seines Hummers und zeigte keinerlei Reaktion, außer dass er einmal leise kurz fluchte, als ihm eine Hummerschere beim Knacken aus der Zange flutschte.

Dann schlug Anna einen Strandspaziergang entlang des Riesenbaus vor, dem man seine Nazivergangenheit nicht mehr ansah: Renoviert, mit viel weißer Farbe und Glas aufgehübscht, also tres chic: Ganz in Weiss mit vorgehängten gläsernen Balkonen.

Der Wind hatte gedreht und etwas aufgefrischt, Wellen rollten als kleine Brecher an den zwischen Binz und Prora ziemlich leeren Strand. Jedem Agenten war klar, dass man sie bei diesem Wetter an diesem Ort unter diesen Bedingungen nicht abhören konnte – viel zu viel Rauschen! Sicher ist sicher, fanden sie, auch wenn da wahrscheinlich niemand war, der sie abhören konnte oder wollte – aber man wusste ja nie... Agenten, insbesondere erfahrene Agenten und in diesem Falle erfahrene Agentinnen, die viel herumgekommen sind, sind da eigen: Sie wittern den Feind immer und überall! Nur deshalb sind sie als Agenten so alt geworden.

„Anna Walentina hat ihnen wahrscheinlich das Wichtigste erzählt?“, fragte Orlow in Richtung Kalle.

„Ja, Amerikaner wollen NorthStream zerstören!“

„Im Großen und Ganzen richtig, wahrscheinlich sogar beide Pipelines, so würde ich es jedenfalls machen, wenn ich die wäre – wenn ich schon einmal dabei wäre... Dann doch beide, ist doch nur logisch, ist doch ein Aufwasch.“

„Laufen die Pipelines denn parallel?“, wollte Kalle wissen.

„Im Prinzip schon, aber nicht dicht zusammen, sie kreuzen sich sogar einige Male.“

„Dann würde ich wahrscheinlich da ansetzen, wo sich die Leitungen kreuzen“, meinte Kalle nachdenklich, „wissen wir, wie sie es machen wollen? Bomben aus der Luft? Raketen? Wasserbomben? U-Boote? Kleinst-U-Boote? Von Tauchern angebrachte Sprengsätze? Torpedos? Wird es ein groß angelegtes Manöver oder werden kleine Spezialeinheiten eingesetzt werden? Werden es US-Amerikaner sein, die angreifen oder doch Balten, Ukrainer oder Polen? Machen die es aus antirussischer Überzeugung und Geld? Oder sind es irgendwo auf der Welt angeheuerte Söldner, die es ausschließlich für Geld machen? Oder wird man die Kopfstationen sprengen oder via Internet angreifen?“

„Wissen wir nicht“, gab Orlow zu, „wir wissen noch nicht viel, nicht wo und wie und auch nicht wann. Etwas Zeit werden die schon noch brauchen, um den Angriff vorzubereiten. Nur eines kann ich mir nicht vorstellen, dass die US-Army oder Marine direkt angreift – denn das würde doch sofort Krieg bedeuten! Und der wäre ganz schnell ein Atomkrieg. Ich glaube nicht, dass wir noch einmal zurückzucken werden, wie damals in Kuba. Nein, die werden anschließend großes Geld mit ihrem Gas verdienen wollen. Und dazu braucht es funktionierende Länder in Europa.“

„Also ein verdeckter Angriff wird es, das vermuten wir jedenfalls“, bemerkt Anna.

„Vermutlich“, stimmte Kalle zu, „entweder setzen die eine kleine Gruppe hoch spezialisierter und supergut ausgerüsteter Navy Seals ein, oder sie setzen auf Söldner.

Der Vorteil der Seals ist, dass die extrem gut ausgebildet sind. Ihre individuellen Chancen, aus der Sache heil herauszukommen, sind relativ hoch, wenn sie es gut planen, und wenn sie sehr schnell sind. Der Nachteil der Seals ist, wenn wir auch nur einen kriegen, sind die Amerikaner dran.

Das Risiko werden sie kaum eingehen wollen. Und Seals sind teuer, die Ausrüstung erst recht. Und, das darf man auch nicht vergessen: Tote US-amerikanische Soldaten kommen in den USA nicht gut an. Deshalb doch auch die Drohneneinsätze im Mittleren Osten und in Afrika. Nur ein lebender Soldat ist in den USA ein guter Soldat! Ich weiß nicht, ob wir sie lebend kriegen würden. Selbst wenn wir aus welchen Gründen auch immer über einen Angriff auf die Pipeline den Mantel des Schweigens decken würden, die Leichen würden wir denen präsentieren – das würde die USA erschüttern!

Der Vorteil der Söldner ist, dass sie billig sind, viel billiger als ihre eigenen Seals! Und niemand in den USA interessiert sich für einen toten Söldner...

Man würde sie irgendwo anheuern, es gibt genug gut ausgebildete Ex-Soldaten auf der Welt, die die Finger nicht vom Kriegspielen sein lassen können, Adrenalin-Junkies! Ich sage nur: Israelis, Südafrikaner, Briten, Deutsche, Ukrainer, Polen, Balten, nicht zu vergessen Chilenen – die Liste der Länder wird ewig lang, je länger man nachdenkt. Könnten auch Jungs aus unseren Spezialtruppen sein... Ältere oder unehrenhaft Entlassene. Es gibt immer irgendwo einen, der für Geld bereit ist, alles zu machen. Die Idee würde ich einmal festhalten wollen, Anna.

Noch ein Vorteil der Söldner: Wenn wir sie fassen, müssen die wahren Auftraggeber von nichts gewusst haben, und werden daher kaum verantwortlich zu machen sein. Ein paar – wahrscheinlich tote – Männer aus den verschiedensten Ecken der Welt, die ein Attentat geplant oder gemacht haben... Kann man sich leicht von distanzieren.

Wenn ich das planen würde, würde ich die Söldner zum Ende des Einsatzes ohnehin töten lassen. Sicher ist sicher. Sind ja nicht meine Männer. Mission accomplished, sagen die Amis dann wohl.“

Pipeline

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