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Senator Lopez & Präsident4

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24. Mai 2019. Als Patties Handy am frühen Freitagnachmittag klingelte, saß sie gerade im Taxi im Stau auf dem Weg zum Ronald Reagan Airport, und fragte sich, ob sie ihren Flieger wohl noch erreichen würde. Ihr Flug sollte sie von Washington in eineinhalb Stunden endlich einmal wieder für zwei ungestörte Wochen nach Hause bringen. Family weeks!

Sie freute sich auf ihre Familie, auf die zu lange nicht gesehenen Zwillinge und sogar auf den Ehemann. Im Gepäck hatte sie liebevoll ausgesuchte Geschenke für alle dabei. Es sollte ihr Wiedervereinigungsangebot an alle sein – und wenn es unbedingt sein musste, auch an die verdammte Schwiegermutter. Für die hatte sie aber kein Geschenk, man musste es ja nicht gleich übertreiben, fand sie.

Ihr Handy machte sich bemerkbar. Sie warf einen Blick darauf. Feierabend, fand sie, sie musste nicht mehr rangehen. Obwohl hat eine CEO jemals Feierabend? Sie fragte sich, was Moscone in dieser Situation gemacht hätte – und nahm das Gespräch an!

„OR“ stand als Anruferkürzel für O’Reilly auf dem Bildschirm. Pattie freute sich über den Anruf des gut aussehenden jungen Mannes. Wollte er sie etwa nach Hause verabschieden?

„Adian?“, fragte sie, „Hallo, schön dich vor dem Flug noch einmal zu hören, bald geht es heim. Was gibt es?“

„Wo bist du?“, fragte er.

„Im Taxi. Auf dem Weg zum Washington National, aber ich stehe im Stau.“

„Du, Pattie, musst du jetzt unbedingt nach Providence? Ich meine, ist es wegen Todesfall, Hochzeit oder Scheidung?“

„Adian“, seufzte Pattie mit Bedauern oder sogar etwas Trauer in der Stimme, „du weißt, wie sehr ich dich mag – aber du weißt auch, dass ich eine Familie habe, um die ich mich auch mal kümmern muss. Wir sind doch beide erwachsen. Unsere wunderbare Beziehung ist das Eine, die leidige Familie in Providence ist das Andere. Für mich ist das doch auch nicht einfach, Adian, das weißt du doch. Aber...“

„Pattie“, unterbrach Adian sie, „wow, Pattie, halt mal eben die Luft an... Nein, es geht nicht um mich. Ich gönne dir deine Zeit mit den Mädchen, ehrlich, sogar mit deinem Ehegespons. Nein, es ist ganz anders als du denkst. Mein Mr. Ted, der Große Senator, will dich sehen. Bald. Er meint, er kann dich zwischendurch reinschieben. Irgendeine Delegation aus der Inneren oder Äußeren Mandschurei oder wie das da heißt, ist ja auch egal, alles dasselbe Gesocks, wird nicht kommen. Und jetzt will er dich!“

„Adian, ich bin schon so gut wie im Flieger, 90 Minuten vor zuhause. Und dort warten sie auf mich. Ich habe Geschenke versprochen...Da kann der doch nicht einfach mit den Fingern schnippen...“

„Doch, Pattie, tut er... Es tut mir leid, er erwartet dich in zwei Stunden. Er sagt, es gehe um die Nationale Sicherheit, um deinen Krieg gegen die russische Pipeline und ums Freiheits-Gas und, ach, er meint, es ginge ums Ganze, Pattie. Und er hat schon ´was geladen... Pattie, wenn du jetzt nicht umdrehst..., also, ich meine, das würde dich weit zurückwerfen, Lass dir das sagen, ich kenne ihn... Sozusagen zurück auf Start, und statt drei Würfen hast Du nur noch einen.

Die wollen Sanktionen gegen die Russen und alle anderen beschließen, die sich gewaschen haben, also der Präsident soll das natürlich tun, den haben sie nämlich gerade am Wickel. Pattie, ich meine das gut mit dir, da spielen gerade die ganz großen Jungs miteinander: White House, Pentagon und ein paar von den härteren Senatoren. Die drehen gerade das ganz große Rad! Das Spiel heißt America First. Ich kann dir sagen, wenn die „First“ sagen, dann meinen die auch first! Und wenn die „America“ sagen, dann blutet denen das Herz. Wenn die „America First“ sagen, dann möchte ich nicht irgendwie zwischen denen und ihrem Amerika stehen, nein, wirklich nicht! Und Du solltest jetzt mitspielen, Pattie, vielleicht ein paar neue Regeln aufstellen!“

Dann flüsterte er: „Pattie, das ist deine ganz große Chance, du kannst vielleicht sogar das bestimmen, was gespielt wird! Aber du musst kommen..., die warten auf dich. Die wollen dich. Jetzt. Nachher...“

„Ich habe verstanden, Adian“, sagte Pattie und beendete das Gespräch mit „na gut, ich komme!“

„Fahren sie da vorne raus“, wies Pattie ihren Taxifahrer an, „und dann muss ich zum Kapitol, Nordflügel. Wenn sie mich abgesetzt haben, bringen sie bitte mein Gepäck in mein Hotel, hier, ich habe eine Visitenkarte von denen. Ich zahle im Voraus. Machen sie das für mich?“

„Klar, Madame“, nickte der afghanische Taxifahrer, „erst zum Kapitol, Nordflügel und dann ins Hotel, Gepäck abgeben. No problem. Wird aber dauern, in der Gegenrichtung ist auch Stau. Geb´ mein Bestes!“

Sie rief Adian an. „Kannst du mir BITTE einen Gefallen tun, Adian? Ruf bei mir zuhause an, sag wer du bist, also offiziell, Büro des Senators und so, nicht den Rest, um Gottes Willen, das nicht, tu´so wichtig wie du bist und erkläre denen, dass der Präsident und Senator Lopez, und was weiß ich wer sonst noch mich gerufen haben, und ich kommen musste. Von mir aus erzähle denen, dass die Luftwaffe mein schon gestartetes Flugzeug zum Umdrehen gezwungen hätte. Mein Gott, Adian, denk´ dir ´ne Story aus, und zwar eine, die sich wirklich gewaschen hat! Aber ENTSCHULDIGE mich. Und zwar so, dass sogar meine Schwiegermutter endlich mal das Maul hält... Schaffst du das? Kriegst du das hin? Du schaffst das, ich weiß, dass du das schaffst! Das ist ein Klacks für dich. Oder kann das diese nette Sekretärin machen, von der du immer so schwärmst? Und wenn du gerade dabei bist, lass dir auch gleich noch ´was einfallen, warum ich das ganze Wochenende LEIDER nicht kommen kann – und dann bereite du dich auf ein Wochenende vor, wie du es noch nie erlebt hast. Ich hoffe, du magst Kaviar – den wirst du brauchen! Das bist du mir schuldig. Eine alte harmlose Frau so brutal von ihrer Familie zu trennen – Bursche, das wirst du bereuen. Oder auch nicht“, lachte sie, weil sie es wieder konnte, „das kommt darauf an, ob du auf mich stehst... Für meine Familie hast du eine halbe Stunde. Wenn du mit denen fertig bist, rufst du mich wieder an, um mich endgültig zu briefen, verstanden?“

„Ja, Mrs. Boss, wird erledigt. Ist schon so gut wie erledigt: Sekretärin briefen, Familie anlügen, Pattie briefen und nach dem Meeting frische Wäsche, Rasur und Dusche. Dann prophylaktisch eine Dose Kaviar. Dann Pattie! Dann noch einmal Pattie und noch einmal Pattie! Bis die Bronski abwinkt. Für mich hört sich das gut an. Auch die Reihenfolge. Vor allem das Ende. Verstanden! Alles klar...“

Das Taxi stand mehr im Stau, als dass es sich bewegte. Der Taxidriver fluchte und schimpfte, hörte den Polizeifunk ab, ob irgendwo auf dem Weg zum Kapitol eventuell kein Stau wäre? Nichts, keine Chance... Dann vernahmen sie hinter sich Polizeisirenen. Langsam arbeitete sich der laute und blinkende Polizeiwagen von hinten an ihr Taxi heran. Der Fahrer fuhr möglichst weit nach links, um den Polizeiwagen im Einsatz vorbei zu lassen. Der zwängte sich neben sie, hielt an. Der Fahrer ließ das Fenster herunter und bedeutete Pattie, das ebenfalls zu tun.

„Sind sie Bronski?“, fragte ein junger Polizist aus dem Einsatzfahrzeug.

Als sie überrascht nickte, sagte er: „Folgen sie uns. Wir bringen sie zum Kapitol...“. Von da an lief es fast wie geschmiert für ihr Taxi.

„Darf ich Sie mal ´was fragen Missus“, fragte der Taxifahrer.

„Natürlich, was denn?“

„Wer zum Teufel sind sie? Das habe ich noch nie erlebt und keiner meiner Kollegen...“

„Bronski“, sagte Pattie, „ich bin Pattie Bronski, und ich soll gerade Amerika retten.“

Der Fahrer sah sie mit riesigen Augen an, schüttelte den Kopf und schwieg den Rest der Fahrt.

Gleich darauf klingelte das Telefon wieder und eine ihrer Töchter war dran, ganz aufgeregt fragte sie: „Mama, stimmt das, du musst zum Präsidenten? Das Weiße Haus hat gerade angerufen, sie hätten deinen Flieger zur Landung gezwungen, weil du darin gesessen hast, und weil sie dich aber doch im Oval Office brauchen, man o man, geil! Das kommt hier auch gerade über den Lokalsender. Pattie Bronski hat das Konzept, um Amerika zu retten! Müssen wir denn gerettet werden? Und wovor denn, Mama? Stimmt das denn wirklich, Mama? Bist du DIE Pattie Bronski? Sogar Oma ist ganz aufgeregt... Logisch, dass du jetzt nicht kommen kannst, völlig klar, kannst du die Geschenke mit UPS schicken, bitte?“

„Naja“, sagte Pattie, „irgendwie stimmt das schon!“

„Was sind das für Sirenen?“, wollte ihre Tochter noch wissen, „Ist es schon so schlimm? Bist du gerade dabei, uns zu retten? Mensch, das ist ja wie im Film bei Independence Day! Sind da denn wirklich Aliens gelandet?“

„Die Sirenen, das ist die Polizei, mein Geleitschutz...“

„Geil“, konnte ihre Tochter nur noch sagen, bevor sie das Gespräch wegklickte, um sämtliche Freundinnen, und vor allem die Nichtfreundinnen, anzurufen. Die Nachricht würde in einer exponentiell ansteigenden Kurve verteilt werden.

Was hatte Adian nur angestellt. Sie musste laut lachen. So ein Schlawiner.


Adian erwartete Patties Taxi vor einer der eindrucksvollsten Treppen des Kapitols (als ob eine normale nicht genug sei).

„Hallo Pattie,“ sagte er und reichte ihr artig die Hand, als sie damenhaft mit Doppelbeinschwung ausgestiegen war, nahm ihr die Mappe ab, in der sie die wenigen Unterlagen hatte, die sie brauchte, lächelte sie liebevoll an und flüsterte ihr zu: „Kuss gibt´s später, hier hat alles Augen, glaube mir... Komm, ich bringe dich zu ihm. Große Führung oder „direttissima“?“. Er gab sich selbst die Antwort: „ Nein, die warten schon auf dich, also nehmen wir den kurzen Weg“.

Der erwies sich als deutlich weniger spektakulär, als sie erwartet hatte.

Irgendwann – nach mehreren Hundert Metern und mehreren Sicherheitsüberprüfungen, die sie auch durch Flure, Gänge und Hallen führte, die mit vielen Gemälden und Statuen ausgestattet waren, die ein historisch angehauchtes Flair von Weltreich vermitteln sollten, meist aber durch schmucklose „Arbeitsgänge“, wie Adian ihr erläuterte – standen sie vor einer schweren Holztür neben der ziemlich klein „Senator Lopez, Texas“ auf einem auf Hochglanz polierten Schild stand.

Adian klopfte und öffnete gleich darauf die Tür ohne auf ein „Herein“, oder so etwas, gewartet zu haben. „Sandie“, sagte er zu einer jungen Frau im Raum hinter der Tür, „das ist sie, unsere Mrs. Bronski...“. Dann stellte er die junge Frau vor: „das ist Sandie. Sie ist der gute Geist des Büros. Der Senator mag ja glauben, dass er hier der Boss ist. Unsinn. In Wirklichkeit ist das Sandie. Ohne sie würde Texas wahrscheinlich implodieren – und der Senator erst recht, oder Sandie? Und Sandie hat die Sache mit dem TV gedeichselt. Ich hätte das nie so hinbekommen!“

Sandie wurde ein wenig rot. „Ach, Sie übertreiben immer so, Mr. O´Reilly, dabei stimmt das doch gar nicht!“

„Stimmt schon, Sandie, ohne dich würde der Boss keinen Termin einhalten, und ohne dich würde niemand einen bei ihm bekommen... Und sie kann Briefe schreiben, Mrs. Bronski, ich meine, sie kann texten, nicht nur tippen... das auch. Wow. Irgendwann wird sie den Großen Amerikanischen Roman verfassen, Literaturnobelpreis inklusive! Ja, das ist unsere fantastische Sandie...“

Sandie lächelte immer noch unter leichter Röte, „Unsinn“, murmelte sie, „aber geht nur durch“, sagte die erstaunliche Sekretärin, Assistentin oder welche Funktion sie im Vorzimmer des Senators auch ausüben mochte, und wies mit einem Kopfnicken in Richtung einer weiteren Tür, die offenbar zum Allerheiligsten führte, „sie warten schon auf euch.“

„Wieso sie?“, fragte Pattie sich. Es war aber keine Zeit mehr Adian zu fragen, denn der klopfte zweimal leise, öffnete die Tür wieder, ohne auf ein Zeichen zu warten, und winkte Pattie hinein. „Meine Herren“, sagte er als ob er Sammy Davies junior persönlich ankündigen wollte: „Ich darf ihnen vorstellen: Die große, die wunderbare, die fantastische Pattie Bronski!“. Dann trat er zurück, ließ Pattie vortreten und schloss die Tür hinter ihr. Von außen.

Pattie schaute sich verstohlen kurz um. Irgendwie hatte sie etwas mehr erwartet. Was, wusste sie selber nicht, aber der Raum, den sie betreten hatte, war weder besonders groß, noch eindrucksvoll und schon gar nicht spektakulär. Er war klein und eng, die Einrichtung war eher lieblos zusammengestellt. An den Wänden Cowboy-Bilder!

„Naja, er vertritt Texas“, dachte sie bei sich, „was willst du da erwarten... Vielleicht noch einen Baseball mit einer Unterschrift von Babe Ruth?“ Tatsächlich, da lag ein Baseball. Ob er von Babe Ruth signiert war, konnte sie nicht erkennen. Das Leder der Sessel sah alt aus, aber es würde sie nicht wundern, wenn es künstlich gealtert worden wäre. Drei Männer in dunkelblauen Anzügen, mit leicht gemusterten pastellfarbenen und völlig austauschbaren Krawatten, standen nebeneinander wie Schulbuben, die die Lehrerin erwarten, und blickten sie neugierig an.

Es dauerte einen Moment, bis sich der mit der roten Krawatte und der unpassend roten Nase räusperte und sagte: „So, so... Sie sind also die sagenhafte Pattie Bronski? Herzlich willkommen im Allerheiligsten, Mrs. Bronski. Wir haben viel von ihnen gehört. Adian, wissen sie, er schwärmt von ihnen. Also nur Gutes!

Ihr Ruf ist wie Donnerhall...! Darf ich mich vorstellen: Lopez, Rafael Edward Lopez, Senator von Texas. Aber die meisten nennen mich hier nur Ted, tun sie das bitte auch. Wir sind hier nicht so förmlich, jedenfalls nicht am Freitagnachmittag. Und neben mir erwarten sie, mindestens genauso neugierig wie ich, die Senatoren Ron Jones für Wisconsin und Tom Treewool für Arkansas. Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten? Ein Wasser oder etwas Stärkeres, ein Glas Wein vielleicht?“.

Senator Lopez trat auf sie zu und reichte ihr die Hand, dann begrüßten sie „Ron“ und „Tom“. Wie gesagt, Ted trug eine rote Krawatte zum dunklen Anzug, Ron eine hellblaue zum dunklen Anzug und Tom eine lindgrüne zum dunklen Anzug. Jeder hatte grau melierte Haare, und offenbar gingen alle drei zum selben Friseur. Ron und Tom trugen sehr ähnliche auf Hochglanz polierte Schuhe in der Art der „Budapester“, Ted trug als Texaner dagegen sehr teuer aussehende Boots aus Alligator-Leder mit bunten Applikationen. Sie fand diese Art der Uniform fast zum Lachen. Aber jeder von den drei hätte im nächsten Moment eine staatstragende Rede im TV halten können, wenn es zum Beispiel ein Mord am Präsidenten oder ein neues 9/11 oder die telegene Ordensübergabe an tapfere Feuerwehrleute o.ä. erfordert hätte.

„Ein Glas Wasser, vielleicht“, bat Pattie und unterdrückte ein Lächeln, „danke, nichts sonst.“

Etwas „Stärkeres“ hätte sie in diesem Rahmen ohne weiteres brauchen können, traute sich aber nicht, darum zu bitten. Wer weiss, was das für eine Prüfung war? Obwohl die Herren offenbar schon „Stärkeres“ in ihren Gläsern hatten, die auf einem kleinen Tischchen mit vier Sesseln darum gruppiert standen.

Wie auf ein Stichwort öffnete sich die Tür zum Vorzimmer und Sandie brachte eine Karaffe mit Wasser und ein Glas auf einem Silbertablett. Wie konnte sie das gewusst haben, fragte sich Pattie. Niemand hatte das bestellt. Offenbar hatten die Wände hier nicht nur Augen, sondern auch Ohren.

„Was kann ich für sie tun, meine Herren?“, fragte Pattie, „Sie haben mich gerufen... Ich bin ihrem Ruf gefolgt!“

„Das gefällt mir“, sagte Ron mit der hellblauen Krawatte, „gleich die Longhorns bei den Hörnern packen. Ja, das ist Amerika: Nicht groß drum herumreden, gleich aufs Wichtigste zu sprechen kommen!“

Senator Lopez nickte ihm über der roten Krawatte beipflichtend zu und übernahm das Gespräch: „Mein Assistent oder besser, mein wissenschaftlicher Mitarbeiter, Mr. O´Reilly, hat uns laufend von ihren Plänen und Vorstellungen unterrichtet – er scheint mir ziemlich begeistert von ihren Ideen zu sein. Sie müssen ihn tief beeindruckt haben. Das haben wir hier noch nicht oft erlebt. O´Reilly ist sonst immer sehr zurückhaltend in seinem Urteil. Bei ihnen war das anders, deshalb wollten wir sie kennenlernen, Mrs. Bronski.“

„Ich glaube, wir können uns die Präsentation, die sie sicherlich vorbereitet haben, sparen, Mrs. Bronski,“ sagte Tom leise und deutete auf den Laptop in Patties Hand, „seien sie bitte nicht enttäuscht, das ist kein Desinteresse an ihren Problemen und Ideen, ganz im Gegenteil, daraus spricht höchste Anerkennung, denn wir kennen ihre Unterlagen, Pläne und Argumente durch Mr. O´Reilly ja schon sehr gut, und wir stimmen ihnen ja auch 100%ig zu.“

„Was soll ich dann hier?“, fragte sich Pattie bei sich. Die Antwort kam umgehend.

„Sie fragen sich sicherlich, was sie dann hier sollen? Die Frage ist ihnen an der Nasenspitze abzulesen, Mrs. Bronski, oder darf ich Pattie sagen?“, lachte Ted sie freundlich mit glühender Nase an, „Wir sind Ted, Ron und Tom. Wir sind die Kerngruppe derer, die sich die Vertretung der Interessen der US-Energie-Industrie auf die Fahnen geschrieben haben. Das sind eigentlich mindestens alle Republikaner in Kongress und Senat und einige auch ganz brauchbare Demokraten. Doch, doch, die gibt es. Vor allem, wenn die Fernsehkameras abgeschaltet wurden. Einerseits geht es um sehr viel Geld, andererseits ist Energiepolitik vor allem Machtpolitik, weil die Beherrschung der weltweiten Energiequellen und Verteilungshardware eine Machtfrage ist, wenn sie nicht DIE Machtfrage der nächsten 50 Jahre sein wird. Hier in diesem Raum schlägt im Moment das machtvolle Herz der USA. Mit drei Herzkammern sozusagen, könnte es sein, dass wir in dir die vierte gefunden haben?

Das „Du“ ist sozusagen dein Ritterschlag, Pattie, deine Eintrittskarte in diesen – zugegeben sehr elitären – Zirkel. Da wollen viele rein, und nur sehr wenige schaffen es!

Also, deine Argumente liegen auf dem Tisch und sind 100%ig akzeptiert. Amerika ist zu klein für das ganze Gas, das ihr da draußen produziert. Japan als Hauptabnehmer ist auch zu wenig, wir brauchen mehr, wir brauchen im Grunde den Weltmarkt, aber wir wollen, deinen Ideen folgend, erst einmal damit beginnen, Europa zu übernehmen. Habe ich das richtig zusammengefasst?“

Pattie nickte nur. Europa übernehmen! War es das, was sie wollte? Sie wollte den Europäern doch eigentlich nur einen Teil des in den USA geförderten Gases zu teuren Preisen verkaufen. Von „Europa übernehmen“ war in ihren Ideen bisher nicht die Rede gewesen! Darunter verstand sie eigentlich etwas anderes. Wann hatte sie da was verpasst?

„Wir wollen von jetzt an mit dir besprechen, wie wir weiter vorgehen. Wir wollen die Frage, und vor allem die Antwort aus dem Kreis der Industriellen und damit der Dollars, auf die emotionale Ebene der Nation und ihrer Bedürfnisse heben.

Von nun an ist dein – sei nicht böse – im Grunde kleines Gas-Problem, Pattie, eine Frage der Nationalen Sicherheit der USA geworden. Wer sich uns in den Weg stellt, stellt sich nicht mehr einer Firma oder deinem Interessenverband, der vor allem Geld verdienen will, entgegen, sondern Pattie Bronski und der sich hinter ihr aufbauenden furchteinflößenden dunklen Seite der Macht der USA.

Um es ein für alle Mal klarzustellen: Die Russen haben uns viel zu lange auf der Nase herumgetanzt! Sie haben es ab sofort wieder mit einer entschlossenen Weltmacht USA zu tun, die auch wieder aktiv in die Welt hinaustritt. Wer sich uns in den Weg stellt, wird weggeräumt, Pattie, wie auch immer! Und wenn es sich zunächst nur um einige Zig Milliarden Dollar für Gas dreht – das ist das Vehikel, das wir brauchen, um die Bolschewiken ein für alle Mal auf die Größe zurückzuschneiden, die wir ihnen zugestehen.

Unser Präsident mag seltsame Freunde haben, ich sage nur Kim oder Putin – sein Ding! Er hat uns aus der Weltpolitik zurückgezogen – und das ist eben nicht sein Ding!

Präsidenten kommen und gehen. Jeder US-Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg, jeder (!) hat bisher irgendwo auf der Welt mindestens einen gerechten und profitablen Krieg für Freiheit und Demokratie begonnen, nur unser jetziger nicht, er will sogar US-Truppen aus der ganzen Welt heim ins Reich holen... Was für ein Fantast! Was glaubt er, wer er ist? Das geht ja nun gar nicht.

Präsidenten mögen einen Koffer für den Start von Atomraketen haben – aber sie glauben nur, sie hätten die Macht, sie auch zu starten...“, lachte Ted.

„Nein, Pattie, Präsidenten mögen sich einbilden, sie könnten Dinge entscheiden. Falsch, völlig falsch, entschieden werden Dinge im Senat! Und da sitzen wir. Wir können sie springen lassen – dahin wo wir wollen!

Schau einmal Pattie, du erinnerst dich an dieses Exportverbot für Erdöl, das seit der Energiekrise in den 1970er Jahren und bis 2015 in Kraft war? Deswegen durften die USA kein Erdöl exportieren. Wer hat das geändert? Obama, ein Demokrat. Warum? Er wollte es nämlich gar nicht, er hat sich mit Händen und Füßen gewehrt – aber wir vom Senat wollten es! Weil US-amerikanische Firme und Konzerne es wollten. Wenn man in den USA und auf der Welt etwas wirklich Großes bewegen will, dann spricht man mit uns!

Der Präsident wird also tun, was wir wollen – er bekommt dafür kleine Geschenke, will sagen, er darf Kleinigkeiten entscheiden. Und wir wollen, dass ihr wieder verdienen können – und Politik und Kirchen den „Zehnten“ als Spenden abliefern könnt. Mein Gott, es ist so einfach, es ist ein großes Rad, das gedreht werden muss. That´s it!“

„Ja“, lachte Tom mit der lindgrünen Krawatte, „du musst dir das wie den Kampf zweier Straßengangs oder Straßenköter vorstellen – keine Regeln, kein vornehmes Abtasten. Wer zuerst hart zuschlägt, gewinnt – aber er muss so hart zuschlagen, dass der andere sofort verletzt, blutend und mutlos am Boden liegt. Und dann hilft man dem Gegner nicht wie ein Gentleman auf, man tritt solange zu, bis er endgültig am Boden liegen bleibt. Und dort lässt man ihn liegen. Im Großen nennt man das Machtpolitik, Pattie, und darauf wird es auch hinauslaufen. Das ist unser Spiel und wir machen die Regeln...“

Es klopfte leise an der Tür, die öffnete sich lautlos ein Stückchen, Sandie steckte ihren Kopf durch den Spalt und sagte leise lächelnd: „Die Wagen sind vorgefahren, meine Herren...“

Pattie schaute die drei der Reihe nach an und dachte bei sich: „War es das jetzt?“

„Ach so“, lächelte Ted (rote Krawatte), „ich glaube, ich vergaß zu erwähnen, dass wir noch einen Termin im Weißen Haus haben...“.

Sandie überreichte jedem Senator im Vorbeigehen eine elegante Ledermappe, die offenbar jeweils nur wenige Blätter enthielt. Ted hielt seine Mappe Pattie entgegen. „Das sind“, erläuterte er dann, „einige wichtige Briefe, die im Spiel um Europas Erdgasversorgung wichtig sein werden, sozusagen unsere Kriegserklärungen an Deutschland und Russland, denn wenn Tom auch gesagt hat, dass wir in diesem Spiel sofort brutal zuschlagen müssen, geben wir den Kombattanten doch eine winzige Chance, klein beizugeben... Das sieht für die Öffentlichkeit dann besser aus.

Und, Pattie, du wirst ihm bitte sagen, dass unsere Ölindustrie das unbedingt braucht – am besten wegen der unglaublich vielen Arbeitsplätze, die er damit in naher Zukunft schaffen wird, er mag das!

Keine Sorge, Pattie, er kann zwischen Öl und Gas nicht unterscheiden. Es interessiert ihn auch nicht. Wir fangen zunächst mit Sanktionen an, die, anzunehmen sich die Russen nicht leisten können, ohne ihr Gesicht zu verlieren.

Sanktionen kommen nämlich bei unseren Leuten gut an, weißt du, das finden die gut – so überlegt... Wir beginnen mit vergleichsweise unbedeutenden Sanktionen, z.B. Kontensperrungen für Leute aus Putins dritter Reihe, dann ziehen wir die Schlinge langsam zu. Immer weiter. Irgendwann müssen sie reagieren und sich wehren. Und dann haben wir sie. Dann zeigen wir auf sie und behaupten, die hätten angefangen. Glaubt uns jeder sofort! Und dann schlagen wir zu – sehr schnell und sehr hart, wie Tom gesagt hat.

Und dann kommt dieser ganze unangenehme Straßenköterkram, von dem Tom auch erzählt hat.

Die Russen werden schließlich wieder den Schwanz einziehen wie damals in Kuba, und die Deutschen werden überhaupt kneifen, die sind die geborenen Kneifer. Das sind Europäer, auch die Russen, die wollen nicht mehr kämpfen, das wirst du sehen... Die haben immer noch die Schnauze vom 2. Weltkrieg voll – und die Russen zusätzlich von ihrem Afghanistan-Abenteuer, bei dem sie eigentlich gegen uns angetreten waren. Das hat bloß niemand zugegeben.

Wir aber haben keine Angst vor der Auseinandersetzung. Wir sind ja auch keine Europäer. Von diesen sogenannten Kulturnationen hätte sich heute keine mehr einen ganzen Kontinent unterworfen oder geraubt, keine! Ja, damals ein bisschen am Rand, aber nicht alles. Wir schon. Unsere Vorfahren hatten damals keine Skrupel, nicht beim Landraub von den Rothäuten und nicht bei Sklavenimporten, und wir haben sie immer noch nicht, Gott sei Dank. Uns fehlt dieses lächerliche Bedenken-Gen.

Denn wir sind das von Gott auserwählte Volk, das alles darf – Gott sei Dank.“

Ted machte eine Pause, in der nun Ron sagte: „Besser hätte ich es nicht formulieren können, oder Tom? Das ist unsere Maxime, das ist, was America First in Wirklichkeit bedeutet!“

„Let´s go! Pattie, du fährst bei mir im Wagen mit“, bestimmte Ted. Wenig später fuhr eine Kolonne von gepanzerten Wagen sehr schnell und mit sehr viel Blaulicht und Sirenengeheule vom Kapitol zum White House.

„Pattie“, sagte Ted unterwegs, „ich gehe davon aus, dass du den Präsidenten noch nicht persönlich kennst. Ist das richtig?“. Pattie nickte und fragte sich in diesem Moment völlig unpassend, welche Krawattenfarbe der Präsident wohl zum dunklen Anzug tragen würde? Fast hätte sie spontan losgekichert.

„Du musst wissen, das Wichtigste im Umgang mit ihm ist, ihm klar zu machen, dass du ihn bewunderst, als Präsident ebenso wie als Mann, dass du ihn sehr bewunderst, also quasi grenzenlos! Das mag er. Gib ihm das Gefühl, er sei der Größte. Wenn du das schaffst, dann werden wir ihn im Sack haben. Den Rest machen wir dann. Das wird klappen, garantiert. Und du und deine Fracking-Gas-Industrie werdet gewinnen und verdienen, versprochen!“

Ein wenig später beugte er sich während der Fahrt noch einmal zu ihr herüber und sagte leise: „Pattie, eine Sache noch, die ist sogar mir ein bisschen unangenehm, aber wenn er dir an den Po fassen sollte, dann lass ihn, um Himmels Willen. Auch wenn dir danach ist, ihm gleich eine reinzuhauen..., er glaubt, er könne sich das erlauben..., lass es bitte für den Moment zu. Kneif innerlich die Backen zusammen und spar dir deine Rache für später auf – irgendwann wird er nicht mehr Präsident sein! Aber im Moment ist er der Präsident, den wir für unser Vorhaben brauchen, glaube mir. Wird das gehen?“

Statt einer Antwort oder als Antwort zuckte Pattie nur wortlos mit den Schultern. Mein Gott, wie viele Kerle hatten sich das unverschämte Verhalten im frühen Verlauf ihrer Karriere herausgenommen? Privilegierte Arschlöcher, alle!

Und nun würde der Präsident in ihrer privaten Sammlung der Unerbetenen, Grapscher, Zufasser und Streichler eben einen Ehrenplatz erhalten. Vielleicht würde sie irgendwann einmal mit Melania sprechen. Wer weiss, welche Sitzordnung sie wann zusammenbringen würde?


Okay, das soll hier noch erwähnt werden: Das Gespräch mit dem Präsidenten war kurz und erfolgreich, seine Krawatte rot mit einem kleinen Muster, seine Schuhe jedenfalls keine Boots und sein Griff im perfekten Moment fest.

Zu Patties Überraschung war Gotteskrieger und Reverend James auch anwesend, der seinem theologischen Sohn überzeugend bestätigte, dass es Gottes Wille sei, den gottlosen Russen das verdammte Gasgeschäft wegzunehmen, ja, dass das die Heilige Pflicht des Präsidenten, nein dieses Präsidenten sei, und dass der von der Schwester Pattie vorgezeichnete Weg ihr von Gott persönlich in die Feder diktiert worden sei. Und der Präsident glaubte den Sermon! Oder Patties Po war überwältigend. Auch das ist möglich.

Pipeline

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