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Tante Greten

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Schließlich gehörte zu den Wartenden Tante Greten. Tante Greten war tatsächlich eine echte Tante von Hanna. Sie wohnte ein paar Häuser weiter, denn sie wollte nicht permanent „unter Aufsicht stehen, Mädchen wollen ja auch mal alleine sein – oder fast...“, gluckste sie immer, wenn Hanna sie wieder einmal fragte, ob sie nicht endlich in die für sie frei gehaltene kleine Wohnung der Alters-WG im Eckhaus einziehen wolle... Nein, war die immer gleiche Antwort, dafür sei sie mit ihren achtundachtzig Jahren einfach noch zu jung! Das könne sie ja immer noch machen, wenn sie mal alt und krank sei, oder?

Tante Greten war, wie es sich in ihren Augen für eine so alte Dame (Originalton Tante Greten:) „gehörte“, ganz in Schwarz gekleidet – im Gegensatz zu den meisten anderen nicht schickes oder extravagantes Schwarz, sondern schlichtes Schwarz. Tante Greten hielt sich ziemlich gerade, war aber inzwischen wieder klein geworden. Zurzeit maß sie („höchstens noch“) einssechzig.


Als der Taxifahrer vor der Gruppe hielt, staunte er nicht schlecht, als eine elegante Hanna sich – mühsam aber immerhin - aus ihren Rollstuhl erhob und auf eigenen Füssen gehend den Beifahrersitz einnahm. Den Rollstuhl überließ sie wortlos Udo zum Zusammenfalten und Verstauen. Der kannte das schon und deshalb klappte das auch. Der Graf half Tante Greten kavaliermäßig korrekt in den Fond des VW-Busses hinein, und Udo verstaute Hannas Rollstuhl geschickt wie es nur ein Hamburger Schauermann kann und setzte sich neben Sarah.

Aus der Alten-WG fehlte im Moment nur Edgar, der irgendeinen Amtsbesuch in der City zu erledigen hatte, und der direkt aus der Stadt zur Aussegnungshalle kommen würde.

Sie fuhren durch die Hübnerstraße, bogen an der Landshuter Allee sehr zügig, weil sich gerade eine Lücke im dicht fließenden Verkehr bot, rechts in Richtung Dachauer Straße ab. Dort mussten sie drei Ampelphasen warten, dann folgten sie der Straße bis zur Siedlung Borstei und bogen dort links in die Baldurstraße ein. Kurz hinter der U-Bahnstation „Westfriedhof5“ erreichten sie den Friedhof mit den gelben Gebäuden der Leichen- und Aussegnungshalle.

Als der Bus davor hielt, spielte Radio Charivari gerade „Highway to Hell“ von AC/DC. Der Fahrer wollte den Ton mit der Bemerkung abstellen, dass das Stück im Moment vielleicht nicht passen würde, aber Hanna legte lachend ihre Hand auf seine und sagte: „Doch, doch, ich glaube das passt ganz gut...“, dabei drehte sie den Kopf nach hinten und fragte immer noch lächelnd „oder?“.

Der Graf nickte huldvoll und Udo sagte laut, dass eigentlich nichts anderes passen würde – bei DER Beerdigung... Der Taxifahrer fragte Hanna leise, ob sie etwa zu der Trauerfeier von der alten Frau wollten, die in der Zeitung gestanden hatte, weil sie diesen „Lackl von Prof.“ erschossen hätte?

„Genau“, sagte Tante Greten, „genau, junger Mann, diese Dame wollen wir ehren... Schade, dass die Alten sich sonst immer nur so wegducken, die Feiglinge, wir sollten viel öfter mal zurückschlagen wie meine Freundin Hannelore“. Genau das sagte sie und schaute sich triumphierend um, um dann die Frage in den Raum zu stellen: „Oder, Jungs, was sagt ihr?“. Dann ballte sie ihre kleine Hand zu einer Art Mäusefaust, stieß die in die Luft und sagte triumphierend: „Hannelore, wir kommen...“

Der Taxifahrer blickte sie im Rückspiegel staunend an, dann lächelte er und meinte, dass die alte Dame – Verzeihung... – ja wohl ziemlich viel Mumm habe... Dann stoppte er vor der Aussegnungshalle, die „Frau Doktor“ zahlte, Udo holte den Rollstuhl und der Graf fragte den Fahrer, ob er sie in zweieinhalb Stunden vom „Wiener Café“ gleich da drüben abholen wolle?

Als der VW-Bus ohne sie wieder anrollte, erinnerte sich Wolf-Dieter, dass er die weißen Lilien im Bus vergessen hatte, fluchte kurz und rannte dann armeschwingend hinter dem Bus her. Naja, „rannte“ – jedenfalls sah der Taxifahrer seine wedelnden Arme, bezog sie auf sich, hielt an und ließ das Taxi rückwärts rollen.

„Unsere Blumen“, sagte Wolf-Dieter atemlos und keuchend und deutete auf die Rückbank, wo ein Strauß weißer Lilien lag... Er nahm sie und ging so schnell wie es seine kaputten Lungen zuließen zum Eingang der Aussegnungshalle, wo die anderen feixend auf ihn warteten.

„Ja“, sagte Wolf-Dieter, „Ihr müsst gar nichts sagen... ich weiß... Alzheimer lässt grüßen!“. Dann verteilte er jeweils eine Lilie an jeden. Er schaute sich um, stutzte und sagte dann: „Die könnten die Wand auch mal neu verputzen, oder, da fällt ja alles runter... Er deutete auf große Löcher im gelben Putz, teilweise lagen ganze Stücke am Boden, die offenbar gerade erst herausgefallen waren... „und das in München... da sollte der Oberbürgermeister sich mal drum kümmern, statt dass er Ministerpräsident werden will...“

„Wird er sowieso nicht6...“, tröstete ihn Hanna, „das haben die Sozis in Bayern nicht drauf...“

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