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27. Februar. Presseschau

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Die mz1 hatte natürlich berichtet: Der Mord war der Aufmacher des Tages. Natürlich war die Zeit zu knapp gewesen, um einen langen Bericht zu schreiben – aber für ein Agentur-Foto der Salvatorkirche mit einem schnell hinein gezeichneten Kreuz, wo die Toten gefunden worden waren (Photoshop sei Dank!) und eine Balkenüberschrift „Doppelmord in München“ hatte es gerade noch gereicht! Die Textinformation war eher dürftig: Berühmter Münchener Professor, wohnhaft im Stadtteil Harlaching, Mitglied der Society und (natürlich) der CSU mit Unbekannter gegen Mitternacht von Unbekannten hinter der Salvatorkirche erschossen. Die Polizei bittet eventuelle Zeugen, sich zu melden.

Der Bayerische Rundfunk berichtete in seinen aktuellen Sendern fast stündlich von der „rätselhaften Tat“, blieb aber weitgehend nahe an den Fakten, die aber dünn gesät waren.

Die „Privaten“ setzten sich journalistisch gekonnt ab und sprachen vom „ruchlosen Mord“! Auf ihren Websites zeigten sie stündlich wechselnd andere Agenturfotos vom Salvatorplatz als die mz.

Getragen intonierende Moderatoren versuchten eifrig, die Sensation am Kochen zu halten (sie hatten ja sonst nichts, über was sie schwadronieren konnten), indem sie eine ehemalige Haushälterin des berühmten Professors und verschiedene Ex-Arbeitskollegen des Emeritierten telefonisch interviewten...

Der akademische und menschliche Schleim, den sie dabei absonderten, hätte auf der Slip einer Werft locker für den Stapellauf eines mittelgroßen Schiffes gereicht.

Für diese journalistischen Glanzleistungen wurden sogar die ewig dudelnden „Oldies aus den 80ern und 90ern“ unterbrochen… Einer der Sender hatte ein „Reportage Team live vor Ort“, das befragte in halbstündigem Rhythmus Passanten, ob sie denn das unsägliche Grauen, das negative Kraftfeld, das von diesem Ort ausging, spüren würden – da die meisten Leute kopfschüttelnd am vor die Nase hingehaltenen Mikrofon vorbeigingen, wurden keine Liveberichte sondern ausgewählt „betroffene“ Tonkonserven gesendet – mit ein paar Tränen oder mit erstickter Stimme hervorgebrachte Betroffenheit sollte schon sein…

Immer wieder ging das folgende Interview mit einer offenbar älteren Dame über den glücklichen Sender, der diese Interviewpartnerin aufgetan hatte:

Frage (Betroffenheit in der zitternden Stimme der Interviewerin): „Was sagen sie denn..., also spüren Sie denn das Grauen, das über dem Ort des tragischen Geschehens liegt…?“

Antwort: „Ja, der Professor…“, und dann nur noch Schluchzen.

Frage: „Kannten sie ihn denn?“

Antwort: „Ja, natürlich... (Schluchzen)“

Frage (erfreute Spannung): „Sie waren also eine Bekannte von ihm?“

Antwort (durch ein vor den Mund gehaltenes Taschentuch kaum verständlich): „Nein, natürlich nicht persönlich, das war ja ein richtiger Professor, wissen Sie – aber man kennt ihn ja, aus den Zeitung halt … (Schluchzen), „das ist ja so tragisch… der arme Mann… und dann die arme Ehefrau…“. Ende des Interviews.

Moderator aus dem Studio: „Münchens Bevölkerung ist tief betroffen von diesem ruchlosen Mord. Wir fragen, was man fragen muss: Wer hat den Professor erschossen und warum?

Sie erwarten Antworten? Dann bleiben sie auf diesem Sender, wir berichten alle 15 Minuten live vom Tatort an der Salvatorkirche, wo inzwischen viele Menschen ihrem Mitgefühl mit den Hinterbliebenen mit niedergelegten Blumen und Kerzen Ausdruck geben.

Um 13.00 Uhr steht der Pressesprecher der Münchner Kriminalpolizei unserer Reporterin exklusiv für Fragen zur Verfügung. Unter der kostenfreien Telefonnummer 01805-99 99 99 100 können sie uns Ihre Fragen auf Band sprechen, die wir dann exklusiv an den Pressesprecher weiterreichen werden. Und gleich nach nur einem Werbespot ein echter Superhit in voller Länge aus den 60ern: Surfin Safari von den Beach Boys. Also, stay tuned oder: Bleiben sie dran!“

Kurz, alle redeten vom berühmten Wissenschaftler, niemand sprach über das andere Opfer, unsere Hannelore.

Morituri

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