Читать книгу Zen und die Kunst des Bügelns - Klaus Bodenstein - Страница 17

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Samstagmorgen

Ben wunderte sich, wie gut er geschlafen hatte, in diesem fremden Bett, zum zweiten Mal. Diesmal nicht sturzbetrunken wie beim ersten Mal, an das er sich kaum und gar nicht gern erinnerte.

Bis auf eine kleine Tabuzone hatten Charlotte und er sich überall in aller Ruhe erkundet und waren schließlich eng umschlungen eingeschlafen. Benjamin war glücklich, dass alles so war, wie es war, und dass es gut war. Charlotte und er waren zufrieden und kein bisschen enttäuscht. Früher hätte er nicht warten können und wäre über eine Verweigerung stinksauer geworden.

Charlotte machte Frühstück. Sie hatte vor ihm geduscht, er hatte sich noch ein wenig gestreckt und es genossen, in ihrem duftenden Bett zu liegen. Seit anderthalb Jahren war er zum ersten Mal wieder mit einer Frau im Bett gewesen. Nicht so, wie er gedacht oder befürchtet hatte, sondern völlig entspannt, und auch nicht mit irgendeiner Vertreterin der Gattung Weib. Sondern mit Charlotte.

Sie hatten den Vormittag für sich reserviert. Am nächsten Tag wollte Benjamin nach England. Er glaubte zwar nicht, dass ein Gespräch mit seinem Bruder Alexander ihn von allen moralischen und ethischen Skrupeln und Bedenken befreien würde, aber eine zweite Meinung, die eines Unbeteiligten, wollte er auf alle Fälle hören, bevor er begann, über direkte Aktionen nachzudenken. Er wollte mit seinem Bruder nicht über das Vorhaben direkt reden, nur über Ethik und vielleicht über die Liebe.

Charlotte wollte später ins Institut, sie hatte zwar am Tag davor viel geschafft, aber ein Teil ihrer eigentlichen Arbeit war liegen geblieben. Sie musste aufholen. Außerdem hatte sie noch ein paar gute Einfälle, die sie weiterverfolgen wollte.

Benjamin hatte vom Bäcker nebenan frische Brötchen besorgt, nebst zwei Nussecken mit Schokolade an jeder der drei Ecken, einem Baguette und einem frischen Brot, für alle Fälle. Willst du jetzt bei mir einziehen, hatte Charlotte ihn angesichts seines Einkaufs angestrahlt. Sie hatte Kaffee, Spiegeleier und Rösti gemacht und einen Quinoa-Salat aufgetaut. Dazu hatte sie französische Konfitüre aus dem Restaurant ihres Vaters auf den Tisch gestellt. Lange hatte Benjamin das Frühstück nicht mehr so gut geschmeckt. Aber dann ging der Morgen nicht so weiter, wie er erwartet hatte.

»Hör zu«, sagte Charlotte zu ihm. »Ich habe keine Wäsche mehr, die du bügeln könntest. Das lief letztes Mal ja schon ganz gut. Du bist jetzt bereit für den nächsten Schritt. Mach zur Abwechslung bitte mal den Abwasch.«

»Hä?« Benjamin kriegte den Mund nicht mehr zu. »Du hast doch eine Spülmaschine.«

»Während du abwäschst, mit der Hand, reden wir weiter. Ist fast genauso gut wie Bügeln.«

Einer musste sowieso abwaschen, dachte Benjamin, und eine WG-Diskussion wollte er hier nicht anfangen. Er durfte kaum erwarten, dass Charlotte nun in die Rolle einer Hausfrau schlüpfen würde, nachdem sie miteinander im Bett gelegen hatten. Das wäre ein absolut bescheuerter Gedanke gewesen. Er musste den Abwasch machen, na klar. »Okay, gerne.«

Während er heißes Wasser in die Spüle laufen ließ, setzte sich Charlotte an den kleinen Tisch, den sie in der Küche stehen hatte und wo sie frühstückte, wenn sie allein war. »Konzentrier dich aufs Geschirr«, sagte sie, »wir können ja dabei reden, wenn es dich nicht stört.«

»Okay.« Benjamin beförderte den Abfall von den Tellern, Yoghurtbecher, Eierschalen und den sonstigen Müll in die jeweiligen Behälter. Die Spüle war inzwischen voll, er krempelte sich die Ärmel hoch, spritzte Spülmittel ins Wasser und nahm sich ein Glas vor.

»Die genetischen Änderungen an deinem Bakterium – glaubst du, dass das überhaupt möglich ist? Und dass du das schaffst?«

»Einfach ist es nicht.« Benjamin überlegte kurz. »Aber ja, ich kann das. Wir zusammen. Nur eine Frage der Zeit.«

»Wir haben viele verschiedene Möglichkeiten besprochen«, bemerkte sie. »Welche hältst du für die schnellste und effektivste? Sprich, ohne nachzudenken.«

»Kleine Moleküle. Botenstoffe. Die stellen die Bakterien in rauen Mengen her. Die machen dann etwas, das die Eireifung blockiert, irgendeine wichtige Eiweißproduktion. Wir nehmen dazu exakt das gleiche Molekül wie für ihr Quorum Sensing, mit dem sie sich verständigen. Wir machen deren Sprache zu unserer. Beziehungsweise, wir geben denen ein neues Molekül dafür«, sagte er, ohne zu zögern.

Charlotte hatte eigentlich etwas zu Occam’s Rasiermesser sagen wollen. Seine Antwort erstaunte sie und traf sie, als ob er sie auf dem falschen Bein erwischt hätte. Sie hatte gerade in der letzten Woche zwei hormonartige Substanzen isoliert, bei Schweinen, die die Entwicklung der Oozyten steuerten.

Benjamin stellte das Glas beiseite und nahm ein anderes.

»Eine kurze Kohlenstoff-Kette, zwei, drei OH-Gruppen, ein oder ein paar Sauerstoffatome, Rest beliebig?«, fragte sie.

»Genau. So gehen diese Enzyme. Wieso?«

»Nur so.« Charlotte behielt sich das für später vor.

»Nächste Frage, sofort ohne nachzudenken antworten, bitte. Meinst du nicht, dass ein Stopp des Bevölkerungswachstums nicht viel zu langsam ist, um die Welt noch vor uns zu retten?«

»Vor uns?«

»Nein, nicht vor uns beiden, du Vollpfosten, sondern vor uns, der Menschheit. Der menschlichen Zivilisation und ihren Folgen. Und beantworte eine Frage bitte nicht mit einer Gegenfrage, Benjamin Zeno.«

»Ja. Nein.«

»Hä? Was denn nun?«

»Ja, eigentlich zu langsam, das dauert Jahrzehnte, bis es wirkt. Und bis dahin wirkt so eine Maßnahme gar nicht mehr.«

»Und nein?«

Benjamin stellte den letzten Teller weg und ließ das Wasser ablaufen. Er drehte sich um, sah sie an und suchte dann nach einem Geschirrtuch.

»So was muss man langfristig sehen. Wenn die Leute sich daran gewöhnen, dass die Bevölkerung nicht mehr wächst, vielleicht sogar schrumpft, würde sich das System ändern. Ändern müssen. Die Wirtschaft. Mehr Qualität statt quantitativem Wachstum. Ein Ende des Hypes, des Wahnsinns.«

Er fand ein Tuch und begann, das Geschirr damit abzutrocknen, während er noch sprach, Satz langsam und sorgfältig an Satz gereiht, wobei er jede Idee mit einem in die Luft gehaltenen Teller, einer Tasse oder dem Abtrockentuch unterstrich.

»Es wäre eine Umkehr. Eine Zäsur im unbeschränkten Wachstum. Zwang zum Nachdenken und Raum für entscheidende Änderungen. Nicht aus Idealismus. Aus ökonomischem und ökologischem Zwang. Die Welt müsste sich auf Schrumpfung statt Wachstum einstellen und ihr Konsumverhalten ändern.«

Charlotte schüttelte ihr langes Haar, das sie heute offen trug. »Aber vorher gibt es massives Chaos. Verteilungskämpfe. Kriege. Zerstörung. Oder? Müssen wir auch da noch durch?«

Benjamin rieb mit dem Tuch an einem schon trockenen Teller, bis es quietschte.

»Ich weiß nicht. So wie heute wird das System ohnehin nicht lange überleben. Der Markt mit Finanzprodukten, mit Fantasiewerten, mit Zockerpapieren ist heute schon zwanzigmal so groß wie die reale Wirtschaft. China kann seine Rolle als Motor auch nicht mehr ewig weiterspielen. Über kurz oder lang kocht dieser Topf auf jeden Fall über. Über reduzierte Wirtschaftsmodelle und negatives Wachstum denken doch schon viele nach.«

Er stellte den Teller weg und sah Charlotte an, bevor er sich dem Besteck zuwandte.

»Und weißt du, ich denke, wenn vor allem die Chance, aber auch der Druck zur Vermehrung stark eingeschränkt ist, sobald das in das Bewusstsein eingesickert ist, dann fällt auch der Level an Aggression und die ganze Hyperaktivität ab. Fast alles, was wir tun, zielt letzten Endes darauf ab, uns in der richtigen Umgebung optimal und maximal vermehren zu können, und stets dazu in der Lage zu sein. Selbst das Streben nach Macht und Reichtum, das alles dient auch dazu, dass wir zum begehrten Alphamännchen werden. Der Nummer eins. Es geht darum, den eigenen Marktwert hochzuhalten, wenn du so willst.« Er wedelte mit einem noch feuchten Messer vor ihr in der Luft herum. »Wie bei diesem ach so beliebten Präsidenten. Der denkt doch auch, nur weil er reich und mächtig ist, dass er alle Frauen angrabbeln und besteigen darf, dass das sein Recht ist.« Er schüttelte den Kopf. Offenbar mochte er den Mann nicht.

»Wenn sich das alles abkühlt, wird wieder mehr Vernunft einkehren, auch wirtschaftliche Vernunft. Oder einkehren können. So was in der Art.«

»Aber bis da was wirkt, vergehen doch Jahre, Jahrzehnte. Bis dahin sind die letzten Regenwälder abgeholzt und die letzten Gletscher geschmolzen. Kommt deine Idee nicht viel zu spät?«

Charlotte war an Benjamin vorbei zum Kühlschrank gegangen und hatte sich eine Flasche Wasser genommen. Sie trat zu Benjamin herüber und nahm sich ein Glas aus dem Schrank, in den er das gerade gespülte Geschirr und Besteck einräumte.

»Hey! Ich bin ja schon fertig!« Benjamin schloss die Tür des Schranks und legte seine Hände auf Charlottes Hüften, zog sie an sich. Aber sie kam ihm zuvor, drückte ihm ein flüchtiges Küsschen auf den Mund und entzog sich ihm, bevor er reagieren konnte. Sie tänzelte hinüber zu ihrem Tisch und setzte sich wieder.

»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Außerdem kannst du auch gleich noch den Boden wischen. Der hat’s mal wieder nötig.«

»Was?«, entrüstete sich Benjamin. »Soll ich vielleicht auch noch deine Bettwäsche und deine Gardinen waschen, oder was?«

»Gardinen habe ich gar nicht, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Und die Bettwäsche habe ich gerade gestern erst frisch bezogen, falls du das auch nicht bemerkt hast«, sagte sie, halb beleidigt. »Das ist außerdem alles Teil des Bügelkurses. Also mach mal. Du findest alles unter der Spüle, was du dazu brauchst.«

Benjamin war etwas eingeschrumpft. Natürlich hatte er den frischen Geruch ihrer Bettwäsche bemerkt, wenn auch überdeckt von ihrem eigenen prickelnden Duft. Wieso er auf Gardinen gekommen war, verstand er selbst nicht. Niemand in Göttingen, den er kannte, hatte Gardinen vor dem Fenster. Jetzt waren ihm seine Worte peinlich.

Er ging auf ein Knie und öffnete die Tür unter der Spüle. Er fand lediglich einen Eimer und ein antikes Scheuertuch, nebst einer Flasche mit Reinigungsmitteln. »Hast du keine Besen, Schrubber, Mobs oder so was?«

»Nö. Brauch ich für die Küche nicht. In den anderen Zimmern liegt ja Teppich.« Charlotte legte ihre Beine auf einen Stuhl vor ihr. »Also, was ist? Kommst du nicht viel zu spät? Sind wir nicht schon zum Untergang verdammt?«

Benjamin ließ heißes Wasser aus dem Hahn in den Eimer fließen, warf den Lappen hinein und schoss ein paar Spritzer aus der Flasche dazu. Grüne Seife. Was auch immer das war.

»Vielleicht ja. Aber wie ich eben gesagt habe, mittel- und langfristig würde das schon wirken. Weil es den Dampf aus dem Kessel nimmt.«

Er kratzte sich am Kopf. So richtig überzeugt war er von seinen eigenen Worten nicht.

»Du hast aber nicht ganz unrecht. Irgendwas müssten wir uns auch kurzfristig einfallen lassen. Sonst spielt sich nachher alles auf kahlen Felsen ab. Vielleicht kommt da deine Aggressionshemmung ins Spiel. Müsste ich drüber nachdenken.«

»Dann überleg mal. Ich warte.« Charlotte drehte ihr Glas mit Sprudelwasser in den Fingern und sah ihm zu.

Benjamin starrte auf einen Fleck auf den Fliesen hinter dem Wasserhahn, fand aber auch dort keine Antwort auf die Frage. Er nahm das Abtrockentuch und wischte den Fleck weg.

Der Eimer hatte sich inzwischen gefüllt, Benjamin stellte das Wasser ab und den Eimer auf den Boden, nahm das Scheuertuch heraus und wrang es halb trocken. Dann wischte er sich die Hände an den Schenkeln trocken, griff wieder zu dem feuchten Tuch und breitete es auf dem Boden aus.

Er sah zu Charlotte hinüber. Die saß auf ihrem Stuhl, die Beine übereinandergeschlagen, und drehte immer noch an ihrem Glas, während sie wartend zu ihm herübersah.

Benjamin setzte den Fuß auf das Scheuertuch und drückte es damit über den Boden. Das brachte nichts, außer nassen Füßen. Er musste das richtig machen.

Er ging auf die Knie, legte beide Hände auf das Tuch und bearbeitete die Fliesen damit. Wo Fußspuren oder Dreck auf den Fliesen waren, spürte er ein wenig Widerstand und staunte über seine Wahrnehmungsfähigkeit. Er beseitigte den Widerstand mit eifrigem Scheuern, bis er mit Tuch und Händen sanft über den Boden gleiten konnte.

Das hatte er so noch nie gemacht, aber er spürte, dass seine Arbeit Wirkung zeigte. Der Boden dankte es ihm mit nassem und glatten Glänzen. Benjamin nahm sich die nächste Fliese vor, darauf achtend, auch die Fugen zwischen den Fliesen mitzunehmen. Im Tuch blieben Staubkörner und Dreck hängen, und Benjamin merkte, wie diese über die Fliesen kratzten. Er tauchte den Scheuerlappen in das noch heiße Wasser im Eimer, spülte ihn ein paarmal und wrang ihn erneut aus, um sein Werk an der nächsten Fliese fortzusetzen.

Tja, was konnte man kurzfristig unternehmen? Der Wahnsinn ging täglich weiter, Palmöl-Plantagen ersetzten tropische Urwälder, Millionen von Haifischen wurden ihrer Flossen beraubt, damit Chinesen auf ihren Einladungen zu Hochzeiten oder anderen Festen etwas zum Anbieten und späteren Wegwerfen hatten. Korallenriffe wurden abgeräumt, um ein paar Hummer auf gut gedeckte Tische zu bringen. Riesige Monokulturen wurden angelegt, um Rinder für die Steak- und Hamburger-Produktion züchten zu können. Gigantische Flächen wurden zubetoniert und asphaltiert, um Autofabriken zu bauen und die Autos dann in weltumspannenden Staus abzustellen. Die Autos, Kraftwerke und Chemiefabriken spien in wachsendem Maß und überall ihren Dreck in die Luft.

Chemiefabriken.

Benjamin rutsche auf den Knien hinüber zur Spüle und sah sich die Hersteller-Vermerke auf der Flasche an. Die Seife war aus Fetten und Kalilauge gemacht, daneben waren ein paar anionische Tenside drin, und ein paar aromatische Duftstoffe, nichts aus der Erdölchemie. Benjamin wusste nicht, ob das wichtig war.

Er hatte Charlotte und seinen Bügelkurs komplett vergessen und war im Säubern des Fußbodens aufgegangen, während er auch das Nachdenken über die Welt mehr und mehr vernachlässigte.

Dass es ihm das Putzen Spaß gemacht hätte, wäre zu viel gesagt gewesen, dass es ihm lästig oder unangenehm war, auch. Es spielte eigentlich auch keine Rolle. Hier und jetzt reinigte Benjamin den Boden.

Er rutschte hinüber zur nächsten Fliese und begann diese zu schrubben, das raue und heiße Scheuertuch über und unter seinen Händen. Kurzfristig. Die Fliese dankte seinen Bemühungen mit abnehmendem Widerstand. Die nächste hatte zwei Teeflecke und einen undefinierbaren Fettfleck, wie Benjamin dankbar zur Kenntnis nahm. Er hatte noch nie einen Boden gescheuert, und hatte sich noch nie derartig darin aufgelöst.

Vielleicht sollte man die Wasserpreise erhöhen, fiel ihm ein. Dann würde nicht so verschwenderisch mit diesem kostbaren Rohstoff umgegangen werden, gerade dort, wo er am knappsten war, wie in Indien oder China. Wo selbst das Grundwasser verbraucht und die Reste verdreckt waren.

Die Teeflecke waren weg, der Fettfleck leistete noch Gegenwehr. Dann war auch er fort, und Benjamin spülte den Scheuerlappen wieder aus. Die nächste Fliese zeigte Spuren von Gummi, dunkle Kreise und Kreissegmente, dunkler in der Mitte, heller am Rande. Die Stelle, an der sich Charlotte immer umdrehte, wenn sie Tee machte, dachte er. Diesen Fleck mit einer kreisförmigen Scheuerbewegung zu bearbeiten brachte nichts. Ein paar Mal hin und zurück, und auch diese Fliese war sauber. Benjamin machte weiter.

Neben der zunehmenden Zersiedlung der Landschaft, der Vergiftung der Meere, der Vernichtung von originären Ökosystemen und dem Raubbau an Ressourcen ist die Erwärmung von Atmosphäre und den Weltmeeren vielleicht das größte Problem, dachte Benjamin. Fast jede menschliche Aktivität war damit verbunden, Heizung und Verkehr, die Herstellung und der Transport von Gütern, die Zucht von Rindern und der Anbau von Reis. Jetzt wollten einige Konzerne sogar das gefrorene Methan von den Meeresböden als Energiequelle erschließen, zur Gas- und Benzingewinnung. Das würde der Atmosphäre den allerletzten Rest geben. Dann würde das letzte Eis in Grönland abschmelzen, die ehemaligen Permafrostböden würden Riesenmengen an Methan freisetzen, und spätestens ab diesem Zeitpunkt war es so gut wie aus mit Mutter Erde.

Benjamin hatte sich in seinen Gedanken verloren, die Ideen kamen und gingen von selbst, und währenddessen hatte er kniend schon fast die ganze Küche geschrubbt und gesäubert, Schweiß auf der Stirn, mit nassen Knien und aufgekrempelten Ärmeln.

Und während er weiterrutschte und weiter schrubbte, drehte sich die Welt für einen winzigen Moment ein winziges Bisschen langsamer. Für den Bruchteil einer Nanosekunde blieb die Welt stehen, zu kurz, um es wahrzunehmen, zu lang, um nicht voller Erstaunen zu sein.

Benjamin lehnte sich etwas zurück, während sich diese kurze Ewigkeit in ihm weiter ausdehnte, und ließ es zu. Vor ihm lag eine weitere Fliese mit Fußspuren, das konnte man mit etwas Wasser, Seife und Wischen wieder sauber machen.

Benjamin tat es, dankbar, dass alles so war wie es war. Auf ihre stille Fliesenart war auch die Fliese dankbar. Benjamin putzte die nächste Fliese, spülte den Lappen, wrang ihn trocken, und putzte die nächste Fliese.

Da war eine Fliese, da war etwas Dreck, da war Benjamin, der einen Eimer mit Lauge und einen Lappen hatte. Benjamin befreite die Fliese vom Dreck, und das war das.

Charlotte hatte ihr Glas inzwischen geleert. »Also, Benjamin, sag. Was willst du nun kurzfristig unternehmen?«

»Den Küchenfußboden sauber machen«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Hier ist noch Schmutz.«

Zen und die Kunst des Bügelns

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