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Keine Rosen

Am nächsten Tag brachte Benjamin Blumen mit. Er hatte einen Moment vor den roten Rosen gestanden und sich gefragt, was er denn damit wohl gesagt hätte.

Er entschied sich stattdessen für einen gemischten Frühlingsstrauß aus vielen Arten in bunten Farben, der fast so gut duftete wie eine Frau. Wie Charlotte.

Bei ihr hatte er noch eine Note wahrgenommen, die er nicht einordnen konnte. So roch keine Blume, die er kannte. Vom Laden in der Wendenstrasse, fast direkt vor seiner Wohnung, musste er mit dem großen und bunten Strauß durch die Burgstraße und über den Wilhelmsplatz mitten durch die Stadt. Einige Passanten sahen ihn lächelnd an, ein Mann grinste. Benjamin staunte, wie egal ihm das jetzt war.

Noch vor ein paar Tagen hätte er solche Blumen in einer Tüte versteckt, damit ihn um Himmels willen niemand damit sah. Wenn er überhaupt jemals welche gekauft hätte.

Charlotte öffnete ihm, diesmal in einem engen rehbraunen Rollkragenpullover und einer eng anliegenden, blumig gemusterten Hose. Leicht vornübergebeugt stand sie da, eine Hand auf dem Türgriff, die andere am Türrahmen, und Benjamin konnte nicht umhin, ihre perfekten Formen in aller Deutlichkeit wahrzunehmen. Sie juchzte.

»Wow! Schöne Blumen. Das ist aber lieb von Dir!« Sie öffnete die Tür ganz, nahm ihm die Blumen mit der einen Hand ab und umarmte ihn eng mit der Linken, ihm die Wange darbietend. Benjamin spürte ihre Zwillinge auf seinem Bauch unter seiner sich rasch hebenden und senkenden Brust, fest und doch weich und anschmiegsam.

Ihr Duft umfing ihn und rundete das Willkommen ab. Ben drückte ihr mit sanftem Druck einen etwas unbeholfenen Kuss auf ihre flaumige Wange und merkte, wie sich seine Rechte wie von selbst auf ihrem Hintern eingefunden hatte. So muskulös hatte er sich den gar nicht vorgestellt.

Charlotte hatte sich ihm wieder entzogen und war, die Blumen in der Hand, einen kleinen Schritt zurückgetreten. Sie sah ihn leicht belustigt und halb erstaunt an. Vielleicht war sein Begrüßungskuss etwas zu zärtlich ausgefallen. Immerhin war er ehrlich gewesen. Vielleicht war er nur von der Berührung und ihrem leichten, aber deutlich wahrnehmbaren Duft überwältigt worden. Jedenfalls hatte sie seine Freude genau wahrgenommen.

Benjamin sah in ihre hellblauen, klaren Augen und nahm die weißen Sprenkel darin wahr. Charlotte beugte sich vor und gab ihm ein winziges Küsschen auf den Mund, in einer federleichten, fließenden Bewegung, ohne dabei die Augen zu schließen. »Danke!«

Sie drehte sich weg, ging zu einem Regal, von dem sie eine bunte Vase nahm, in die sie die Blumen stellte, und schwebte davon in Richtung Küche.

»Ich habe uns einen Tee gemacht. Grünen mit frischer Pfefferminze, weiß nicht, ob du so was magst?«, fragte sie und zeigte in Richtung auf ihre Sitzgruppe.

Sie verschwand in der Küche, und Benjamin blieb in der Mitte des Lofts stehen und sah sich um. Gestern hatte er den Raum kaum wahrgenommen.

Aus dem Computerlautsprecher erklang eine Mischung aus Flamenco und einem leisen Saxofon, mehr klassische Gitarre als Jazz. Angenehm und nicht aufdringlich.

Charlotte kam aus der Küche zurück und stellte die Blumen auf den Tisch, an dem sie das letzte Mal gesessen hatten. Sie trat zu Benjamin in die Mitte des Raumes. »Pepe Habichuela«, erklärte sie. »Könnte ich stundenlang hören.«

Sie trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme unter der Brust und sah ihm ins Gesicht.

»So. Du bist ja zum Bügeln hier und nicht zum Vergnügen! Komm, setz dich. Wir wärmen uns erst mal auf, bevor wir anfangen zu arbeiten.«

Benjamin setzte sich. Sie hatte ihn erwartet. Der Tee war frisch, heiß und süß. So einen Tee hatte er vor ein paar Jahren bei einem Gastspiel der Göttinger Basketballer in Casablanca getrunken.

»Köstlich.« Er blickte sich um. »Wo sind denn deine Kätzchen geblieben?«

Charlotte setzte sich zu ihm. »Es hat sich niemand mehr gemeldet. Ich habe sie zusammen mit ihrer Mutter gestern Abend zu meinen Eltern nach Kassel gebracht, die haben viel Platz und viel Grün. Da werden sie sich wohlfühlen, bis jemand kommt. Warum? Wolltest Du vielleicht doch eines?«

Benjamin musste an die andere Anzeige denken und merkte an der zunehmenden Helligkeit im Zimmer, dass sich seine Pupillen geweitet haben mussten, und senkte den Blick. Auf ihre Schenkel. Im Stillen verfluchte er sein so lautes Unbewusstes, das seine wiedererwachten Wünsche so deutlich preisgab.

Charlotte musste das bemerkt haben. Sie hob ihre Tasse, wandte den Blick aber dabei nicht von ihm ab. »Sag mal, Zen, du wirkst etwas verlegen. Fühlst du dich unwohl in meiner Gegenwart?« Sie wusste doch genau, wie sie auf ihn wirkte, dachte Benjamin. Sie legte ihm ihre weiche und erstaunlich kleine Hand auf seine. »Tut mir leid, wenn das so ist. Ich bin eigentlich nicht immer so direkt.«

»Schon okay«, antwortete Benjamin und sah ihr erst in das rechte, dann das linke Auge, und schließlich auf den Mund, aber zu lange mochte er sie nicht so direkt anschauen.

»Nee, nicht unwohl, Charlie, im Gegenteil. Aber deine Gegenwart ist so – « ihm fehlte das richtige Wort. Raumfüllend, fiel ihm ein. Er versuchte, nicht auf ihren Busen zu schauen, der sich bei jeder Bewegung bewegte, als ob er ein Eigenleben hätte.

»Intensiv.« Irgendwie traf es das auch nicht.

»Und – « Benjamin atmete tief ein und schluckte. »Ich hatte länger eher wenig Kontakt zu Frauen.« Das war ihm herausgerutscht. Er versuchte, seine Hand unter der ihren hervorzuziehen, aber sie hielt ihn mit einem leichten Druck zurück. Sie lehnte sich zurück, ohne seine Hand freizugeben.

»Aber deshalb hattest du dich doch nicht auf meine Anzeige gemeldet?« Sie musterte ihn belustigt. »Die andere, meine ich.«

Benjamin wollte seine Hand wiederhaben, ließ sie aber noch liegen und griff stattdessen mit der anderen zur Teekanne und goss sich Tee nach.

»Nein.« Er ließ sich Zeit beim Eingießen. »Du bringst mich komplett durcheinander.« Vermutlich werde ich schon wieder rot, dachte er. »Das kenne ich überhaupt nicht von mir. Sorry, wenn ich so konfuses Zeug rede.«

»Ich hätte diese andere Anzeige wohl besser nicht aufgeben sollen.« Charlotte lehnte sich in ihrem Sessel zurück, zog die Beine an und verschränkte sie auf der Sesselkante, die Tasse in der einen Hand, die andere Hand auf ihrem Oberschenkel. »Das war halb Spaß und halb psychologisches Experiment. Ich musste die ganze Zeit lachen, als ich die Anzeige aufgegeben habe. Mir sitzt eben manchmal der Schalk im Nacken. Dass du mir nicht auf dumme Gedanken kommst, ja? Außerdem hatte ich ja wirklich kleine Muschis hier«, sagte sie, unbeschwert von allen Zweideutigkeiten.

»Ja.« Benjamin hob die Augenbrauen und verzog die Mundwinkel zu einem Grinsen.

»Ich fand das auch lustig. Ein netter, verspielter Scherz, nicht? Ein Grund mehr, um herauszufinden, was hinter deinen Annoncen steckte, Charlie«, gab er zu.

»Du bist auf der Suche nach etwas«, schloss sie aus seinen Worten.

»Irgendwie schon«, antwortete er. »Ich mache mir so meine Gedanken. Was ich hier soll, auf der Erde meine ich, nicht hier bei dir.« Benjamin lächelte sie entschuldigend an.

»Was ich tun oder lassen soll. Ob das alles was bringt, sich reinzuhängen, all dem nachzujagen, was geht, was andere auch machen oder haben, was wir machen können.«

Charlotte hob eine Augenbraue und zog ihre Knie an die Brust. »Aha.«

»Vielleicht gibt es was Wichtigeres als Haus, Auto, Familie, Kinder, Urlaub am Meer oder in den Bergen. Wenn du verstehst, was ich meine.«

Sie trank von ihrem Tee und sah ihn wohlwollend an. »Soso. Sage ich doch, du suchst.« Sie nahm die Beine wieder runter und verschränkte ihre Arme hinter dem Kopf. Benjamin konnte gar nicht hinsehen, was das mit ihrem Oberkörper machte, und schluckte.

»Erzähl mir mehr davon«, schlug sie vor. »Ich habe Zeit. Und Zen hat auch mit Loslassen zu tun. Nicht nur mit Bügeln.«

Charlotte lehnte sich zurück und strahlte ihn an. »Dann schieß mal los. Warum war denn so ein großer, hübscher Kerl wie du auf einmal nicht mehr auf Frauen scharf? Und jetzt wieder umso mehr? Spannend. Ich will das alles wissen, Bügeln können wir auch später noch.«

Zen und die Kunst des Bügelns

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