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Hilft Bügeln?

Charlotte stand auf, ging zur Tür und schaltete das Deckenlicht ein. »Schluss jetzt mit dem Gelaber. Wenden wir uns den wichtigen Dingen des Lebens zu.« Sie streckte ihm eine Hand entgegen und half ihm aus dem Sessel. »Jetzt machen wir ernst.«

Benjamin sah sie mit großen Augen an.

»Jetzt wird gebügelt!«, sagte sie.

Sie gab ihm ein altes Männerhemd. Größe 45, reine Baumwolle. Während Benjamin das Bügeleisen einstellte und destilliertes Wasser einfüllte, überlegte er, wie sie wohl an das Hemd gekommen war. Ein früherer Lover? Oder trug sie gern Männerhemden?

Egal. Benjamin breitete das Hemd vor sich aus, mit der Knopfleiste am Rand des Bügelbretts, und setzte das Eisen an.

Charlotte hatte in der Zwischenzeit das Teegeschirr in die Küche getragen und eine Flasche Wein mit zurückgebracht, die sie jetzt öffnete. Der Abt, las Benjamin auf dem Etikett. Ein Rotwein von einem Klostergut. Charlotte goss etwas davon in eins der Gläser. Er sah zurück auf das widerspenstige Objekt vor ihm.

Die Knopfleiste gehorchte ihm nicht. Das war mindestens eine doppelte oder sogar vierfache Lage Stoff. Zudem waren die Knopflöcher umstickt. Das Hemd musste leicht eingelaufen sein, der Stoff kräuselte sich zwischen den Knopflöchern, wie Haut in der Badewanne nach einem mehrstündigen Bad. Benjamin wandte sich statt der Knopfleiste erst mal dem auf Links gedrehten linken Brustteil zu und fuhr mit dem Eisen an den Knöpfen entlang nach oben. So weit, so gut, nur an der von der Leiste abgewandten Seite hatte er einige kleine Bugwellen in das Hemd gepflügt.

Charlotte kam herüber, nahm ihm das Eisen aus der Hand und stellte es aufs Ende des Bügelbretts. Sie stand leicht vornübergebeugt vor ihm, Hände auf dem Brett, und sah Benjamin direkt in die Augen. Er hätte sie jetzt ganz leicht küssen können, fuhr ihm durch den Kopf. Ihre Brust berührte über dem Bügelbrett fast die seine. Einen Wimpernschlag später trat Charlotte ein wenig zurück.

»Bügel das erst mal mit der Hand«, sagte sie, und machte es ihm vor, brachte das Hemd dann aber wieder durcheinander. Benjamin tat es ihr nach. Das Hemd sträubte sich gegen den Glättungsversuch. Er hatte nicht verstanden, was sie meinte.

»Sanft, als ob du über den darunterliegenden Körper streicheln würdest«, empfahl sie ihm. »Stell dir einfach vor, du würdest mich jetzt eincremen. Ich bin das Hemd, der Stoff ist meine nackte Haut.« Sie lächelte ihn ermunternd an und setzte sich wieder.

Benjamin unterdrückte einen Seufzer und legte seine Hand auf das Hemd. Die Spitze seines Mittelfingers lag jetzt auf ihrem eingebildeten Bauchnabel. Er stellte sich ihren nackten Bauch vor, ein wenig gewölbt, vielleicht mit kurzen, weichen Haaren bestanden, mit einem kleinen Wirbel über dem Nabel. Ihre Wange war auch leicht beflaumt gewesen; er stellte sich vor, dass sie ein ganz weiches und kurzes Fell hätte, das sie mochte und nie rasiert hatte.

Er wusste auch nicht, wie er auf diesen Gedanken gekommen war. Seine Hand fuhr wie von selbst in einer sachten, fast unmerklichen Bewegung im leichten Bogen nach oben, der Stoff machte bereitwillig Platz. Weiter oben regte sich Widerstand gegen seine zarte Berührung, und Benjamin nahm die andere Hand zur Hilfe und zupfte den widerspenstigen Stoff in die richtige Richtung. Das Hemd gab nach, es mag das, dachte Benjamin, es folgt mir in einer organisch wirkenden Weise. Es schmiegte sich seiner Hand an. Als ob es die Bewegung tatsächlich mochte. Er strich noch einmal sanft über das nun schon bereitliegende Hemd.

»Siehst du?« Charlotte nippte an ihrem halb vollen Weinglas. »Geht doch. Und jetzt mach das Gleiche mit dem Eisen.«

»Ich soll das Eisen glatt streichen?« Benjamin blies sich mit spitzem Mund auf seine Hand.

Charlotte lachte nur. »Du weißt schon, du Scherzkeks.«

Benjamin tat wie befohlen. Er sprühte den Stoff leicht ein, und das Eisen glitt sanft über die mit der Hand geglättete Fläche. Das ging besser als erwartet. In Gedanken noch auf Charlottes Bauch, strich Benjamin die feinen Härchen mit der Hand wieder zurück in Richtung Süden, und folgte der Hand mit dem Eisen. Charlotte grinste zu ihm herüber. »Mach ruhig so weiter.«

Benjamin nahm sich die andere Seite vor. Das ging jetzt schon viel schneller. Er dachte wieder an Charlottes Bauch, das Bügeln klappte.

Charlotte legte den Kopf schief, griff dann zur Flasche und goss sein Glas ebenfalls halb voll. »Weißt du, Zen, ich glaube, du hast für heute genug gelernt. Ich habe heute keine große Lust aufs Bügeln. Setz dich her und nimm einen Schluck.« Sie stand auf und trat auf ihn zu.

Benjamin ging ihr langsam entgegen.

Er legte ihr den Handballen auf den Bauch, einer warmen Stelle, die er eben noch als Hemd gebügelt hatte. Seine Finger berührten ihre Seite oberhalb der Hüfte, weich und fest zugleich. Deutlich nahm er den Übergang zwischen ihrem festen, muskulösen Oberschenkel und der nachgiebigeren Substanz darüber wahr. Gern hätte er seine Hand weiter über ihren Bauch geführt, wie eben beim Bügeln, vielleicht bis an den Brustansatz, aber nicht weiter. Das traute er sich nicht. Er war sowieso schon zu weit gegangen, mit dieser Berührung, fand er. Er ließ los.

Stattdessen, und überrascht von sich selbst, leckte er ihr mit der Zungenspitze über ihren linken Mundwinkel. »Du hattest da noch Wein.«

Sie hielt ihn an seinem Hemd fest, am obersten Knopf, streckte sich zu ihm hoch und drückte ihm einen Kuss auf, nicht mit gespitztem Mund wie beim letzten Abschied, sondern mit weichen, entspannten Lippen. Benjamins Hand kam wie von selbst zurück auf ihre Hüfte und wanderte auf dem Rücken nach oben. Sein Mund erwiderte den leichten Druck, und er öffnete leicht seine eigenen Lippen und legte den Kopf schief, weil sich ihre Nasen im Weg waren.

Wenn das jetzt so weiterging, würde er in zehn Sekunden mit ihr im Bett liegen.

Aber es ging nicht so weiter. Charlottes Hand, die immer noch seinen obersten Hemdknopf umschloss, drückte ihn von sich weg. »Setz dich und trink deinen Wein«, befahl sie ihm, ließ ihn los und trat selbst hinter das Bügelbrett.

Benjamin setzte sich und leckte sich unwillkürlich die Lippen. Charlotte senkte den Blick, sah nur auf das Hemd. »Das hast du ganz ordentlich gemacht, diesmal«, sagte sie halblaut. »Ich mach das mal kurz fertig.«

Benjamin sah ihr zu. Sie machte das ganz anders als er. Sie ließ das Eisen praktisch kaum aus der Hand, die andere Hand zupfte und zuckelte am Stoff, während die andere mit dem Bügeleisen hinterherkam. Mit kurzen Rucken brachte sie das Hemd in die Lage, in der sie es haben wollte. »Das war heute noch zum Einüben«, fuhr sie fort, während sie die Schultern bearbeite. »Aber du hast gemerkt, wie der Stoff den Leib einhüllt und wie er fallen soll. Das gibt dir ein Gefühl für das Kleidungsstück. Du musst zum Kleidungsstück werden, wenn du bügelst.«

In einer fließenden Bewegung rollte sie den Kragen über das Brett und folgte mit dem Eisen nach. Benjamin sah, dass er aus mindestens zwei, wenn nicht drei Lagen und mehreren Nähten bestand, wahrscheinlich Handarbeit.

Charlotte bügelte ihn so, als sei er rund, nicht flach auf dem Tisch, mit geschickten und perfekt sitzenden kleinen Handgriffen. »So. Fertig«, sagte sie, stellte das Eisen ab und schaltete es ab. Sie knöpfte ein paar Knöpfe zu, nicht alle, und begann das Hemd auf dem Bügelbrett zu falten, von hinten her. Sie drehte es um, knickte es mit einem weich gezielten Handkantenschlag und legte es auf dem Brett ab. Das Hemd lag da, als ob es neu aus dem Laden gekommen wäre, aber sie beachtete es nicht weiter.

»So«, sagte sie. »Jetzt trinken wir aus, und du gehst nach Haus. Sonst geht mir das alles viel zu schnell. Wir machen morgen weiter. Zahlen musst du heute auch nichts.«

Benjamin erhielt wider Erwarten keinen Kuss, als sie ihn kurze Zeit später zur Tür brachte. Was hatte er falsch gemacht?

Zen und die Kunst des Bügelns

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