Читать книгу Kunst oder Kekse - Klaus Porath - Страница 10
Ganz der Papa?
Оглавление„Irgendwie hab ich Dich trotzdem gern. Irgendwie bleibst Du mir immer fern.“ Frank Parthenios in seinem Lied „Vater und Sohn“.
„´Strings ’N’ Keys´ sind die intellektuelle Ausgabe von ´Jessen & Melzer´.“ Sebastian Budde
Ich bin Musiker. Darum möchte ich immer wissen, was gespielt wird. Und das auch im Leben. Meine beste Freundin Saskia kritisierte an diesem Kapitel, dass sie ihre kleinen grauen Zellen ganz schön in Schwung bringen musste, um meinen Gedankengängen folgen zu können. Sie warnte mich, dass ich manchen Leser hier vielleicht überfordere und verliere. Ich habe nicht vor, Sie zu imprägnieren (war das das richtige Fremdwort?), aber zu meiner Persönlichkeit gehört auch ein bisschen „Tiefgang“, für den auf der Bühne kein Platz ist. Dieses Buch versetzt Sie in die Lage, sich exemplarisch an mir ein Bild von einem Popmusiker zu machen. Ich bin mir bewusst, dass mich Psychologen nach der Lektüre vollständig durchschaut haben, bitte aber von Therapieangeboten abzusehen. Mir ist nicht zu helfen!
Da ich in den folgenden biographischen Kapiteln der Wahrheit und meinem selbst erteilten Unterhaltungsauftrag zuliebe nicht anders kann, als nicht nur mich, sondern auch meinen Vater Ihrem Lächeln auszusetzen, möchte ich mich vorweg bei ihm in aller Öffentlichkeit bedanken. Ohne ihn wäre ich nicht der, der ich bin. Ich bin gerne ich, und ich bin auch nur deshalb in bescheidenem Rahmen erfolgreich, weil ich ihm ähnlich bin. Die Grundlage aller meiner Handlungen habe ich, auch wenn er das bis heute nicht bemerkt hat, von ihm übernommen. Er gab in unserer Familie fürs tägliche Leben die praktische Maxime aus: „Wir tun alle Dinge so, wie sie am besten erledigt werden. Und wenn wir eines Tages herausfinden, wie man es besser macht, dann machen wir es so.“ Wow! Ob das auf seinem eigenen Mist gewachsen ist oder ob er Kant verinnerlicht hat, hat er uns bis jetzt nicht verraten. Eine andere Art, vernünftig das Leben zu bestreiten, war im Hause Porath undenkbar. Wenn ich diese grandiose Einstellung nicht übernommen hätte, könnte ich heute nicht als selbstständiger Musiker, dem kein Chef diktiert, was er zu tun hat, überleben.
Mein Vater ist unglaublich talentiert. Er ist promovierter Mediziner, hat unter anderem in Geschichte ein riesiges Faktenwissen und ist handwerklich so begabt, dass er so gut wie alle Arbeiten im und am Haus selbst ausführen kann. In dieser Vielseitigkeit ist er einmalig und bewundernswert. Ich kann ihm da nicht das Wasser reichen. Ob ich mit meinem Talent als Musiker und neuerdings als Autor dagegen anstinken kann, interessiert mich nicht. Er ist er, und ich bin ich. Ich verspüre keinerlei Drang ihm, mir, Ihnen oder irgendjemand anderem etwas zu beweisen.
Vor kurzem gratulierte mir ein emeritierter Medizinprofessor, der als Chirurg eine Koryphäe auf seinem Gebiet war, zur Relevanz meines Berufes. Er behauptete, ich hätte „an einem Abend 100 Leute glücklich gemacht“. Dieses Kompliment hat mich angerührt, da ich es für bedeutsamer erachte, jemanden zu operieren, als ihm etwas vorzusingen. (Nebenbei, mein Vater soll auch ein ausgezeichneter Operateur gewesen sein.) Fairerweise muss ich hinzufügen, dass auch die wunderbaren Weißweine vom Weingut Rheinterrassen in Guntersblum ihren Anteil an der guten Stimmung des Herrn Professors hatten. Aber: in vino veritas („Im Wein liegt die Wahrheit“)! Dass ausgerechnet zwei Mediziner meine Berufswahl – mein Vater hält mich für einen Versager – so konträr beurteilen, hat mich ins Grübeln gebracht. Wenn ich mir meinen Kontostand angucke, liegt die Wahrheit – wie immer im Leben – irgendwo in der Mitte. Das heißt, mein Vater müsste auf seine alten Tage gar keine komplette Kehrtwendung bezüglich meines Erfolges vollziehen. Die Tatsache, dass ich glücklich bin und dass das letzte Hemd keine Taschen hat, könnte die Basis für einen neu anzuberaumenden Vater-Sohn-Dialog sein.
Meine „Kant-Nachfolge“ lebe ich entscheidend anders als mein Vater. Kants Glaube an einen Schöpfer geht meinem Vater völlig ab. Bei ihm vermisse ich die Reflexion darüber, dass (wie man an ihm bestens sieht) ein strenges Leben nach selbst erkannten und selbstauferlegten Maximen zwar von Erfolg gekrönt sein kann, aber die Gefahr einer emotionalen Enge aufweist. Kant blieb zum Beispiel von Musik völlig unberührt. In meinen Augen war der „Weltweise“ weise genug, nicht zu heiraten. Mit einer Frau und Kindern, also ordentlich Leben in der Bude, wäre er nicht klargekommen. Anders als in meinem Elternhaus sah ich es als einen Segen an und genoß es, dass meine Ex-Frau ganz anders geprägt war als ich. Sie brachte dadurch eine mir nur in der Musik bekannte Weite in unser gemeinsames Leben. Als Paar und für unsere Kinder ergänzten wir uns darum phantastisch. Jedenfalls so lange, bis sie das eines Tages anders sah..
Im Gegensatz zu meinem Vater bin ich mir bewusst, dass ich als „verlässlicher Erbsenzähler“ wie eine Maschine funktioniere. Wenn ich unter der Dusche stehe und das Shampoo alle ist, greife ich zur (selbstverständlich!) bereitstehenden neuen Flasche und notiere mir nach dem Föhnen, Shampoo zu besorgen. Das ist perfekt, anstrengend und auf keinen Fall normal. Ich weiß das, mein Vater nicht. Wir beide können aber nicht anders. Mit dieser Präzision kann und sollte man ganze Handelsketten leiten oder U-Bootflotten kommandieren. Beides wurde mir leider bisher noch nicht angeboten…
Meinen Vater und mich unterscheidet, dass ich generell andere Menschen so lasse, wie sie sind. Ich beobachte meine Mitmenschen sehr genau und bin fasziniert davon, wie sie es auf ihre Weise fertigbringen, im entscheidenden Moment ebenfalls nicht ohne Shampoo dazustehen.
Mein Vater macht in meinen Augen den Fehler, seine vielen zweifelsohne richtigen Erkenntnisse automatisch auf den Rest der Menschheit zu übertragen. Alle sollen sich am besten so verhalten wie er. Verstärkt dadurch, dass er nicht an Gott glaubt, spielt er ihn selbst und ist darum von anderen oft nur schwer zu ertragen. Ich kann über mich selber lachen und wünschte, mein Vater könnte das auch. Über mich lacht er schon genug, ich wünschte mir, er würde auch mal über sich selbst lachen.
Erst, wenn Sie ihr zartes Miezekätzchen mal versucht haben zu baden und hinterher das Blut von Ihren Händen und Unterarmen abwischen, wissen Sie, dass es Krallen hat und sehr stark ist. Genau das erleben manche Menschen mit mir. Ich springe nicht nach jedermanns Pfeife, ich tue grundsätzlich nur das, wovon ich überzeugt bin. Man erlebt mich fast immer gut gelaunt, so dass es Menschen gibt, die bisweilen völlig überrascht sind, dass es auch bei mir den Moment gibt, ab dem mit mir nicht mehr gut Kirschen essen ist. Wer auf mich einwirken möchte, schafft das nur mit vernünftigen Argumenten.
„Gefühlte Wahrheiten“ durchschaue ich in Lichtgeschwindigkeit. Ich lasse niemanden seine schlechte Laune und ungelösten Probleme an mir abreagieren. Diese Klarheit, ausgerechnet bei einem Musiker, findet man wohl eher selten. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb sie mir (von einem Freund und von meiner Ex-Frau) schon die Beschimpfung, ich hätte besser Staatsanwalt oder Professor werden sollen, eingehandelt hat. Jura wäre für mich vermutlich tatsächlich das richtige Studium gewesen. Dieses klare „Standing“ hilft mir alleine da draußen, nur mit einem Klavier „bewaffnet“, auftretende Konflikte schnell zu lösen und dann weiter gute Laune zu verbreiten. Dass mich nichts so leicht aus der Bahn wirft, verdanke ich zum anderen der grenzenlosen Liebe meiner Oma Paula, von der ich gleich berichten werde.
So, geschafft!! Werten Sie dieses Kapitel einfach als mein Outing als verkappter Intellektueller. Vielleicht waren meine Semester an der Uni doch nicht ganz für die Katz?
Mit meinen Eltern in einem Nachtclub auf Gran Canaria,1979.