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„Klaus, schreib das alles auf!“

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Den ersten Anstoß, unter die Autoren zu gehen, bekam ich bereits Ende der 90er Jahre. Ich telefonierte mit einem Hamburger Kollegen wegen einer „Mucke“. Damit bezeichnet man in Musikerkreisen einen bezahlten Auftritt. Als alles geregelt war, kamen wir ins Klönen und erzählten uns gegenseitig, was wir auf unseren Konzerten Schönes und weniger Schönes erlebt hatten. Er sagte: „Wir schreiben das alles auf. Klaus, schreib das alles auf!“ Ich wusste damals nicht, für wen ich mir die Mühe machen sollte und antwortete: „Wer will das denn lesen?“ Und dabei blieb es erst einmal.

Das bedeutete aber nicht, dass meine Umwelt vor dem Erscheinen dieses Buches von meinen Erlebnissen von nun mehr 20 Jahren „on the road“ verschont geblieben ist. Weit gefehlt! Ihrer mündlichen Wiedergabe konnte in der Vergangenheit so mancher nicht entfliehen. Egal, wo in gemütlicher Runde ein Gespräch stockt, mir fällt bestimmt ein Erlebnis ein, das an das Thema anknüpft. Oft genügt ein Stichwort und ich hangle mich monologisierend von Anekdote zu Anekdote. Vor einiger Zeit ging mir ein Licht auf, warum mir in den letzten Jahren immer häufiger die Idee, ein Buch zu schreiben, nahegelegt wurde. Ich bin ein Nachtmensch und laufe genau dann zur Höchstform auf, wenn anderen Menschen langsam die Augen zufallen. Einmal ins Erzählen gekommen, bin ich kaum zu stoppen. Dieses Buch dagegen können Sie auf den Nachttisch legen und das Licht ausknipsen, wenn Sie müde sind.

Ich möchte mich darum bei allen Betroffenen, vor allem bei meiner Ex-Frau, für die vielen Stunden an Schlafdefizit entschuldigen, die mein Erzählen verursacht hat. Ich bekenne, das war oft nicht fair, denn ich konnte am nächsten Tag meistens ausschlafen. Als wir noch keine Kinder hatten und ich noch ganz am Anfang meiner Karriere als „Piano Man“ stand, habe ich sie nach jedem Konzert mitten in der Nacht aufgeweckt und ihr haar-klein berichtet, wie der Abend verlaufen war. Eines Morgens fragte sie mich dann, ob das gestrige Konzert gut war. Sie hatte durch viel Übung die bemerkenswerte Fähigkeit entwickelt, aufrecht im Bett zu sitzen und mir scheinbar intensiv zuzuhören, während sie in Wahrheit weiterschlief! Ich war leicht „verschnupft“ und weckte sie von da an nachts nicht mehr auf.

Als Mutter von vier schulpflichtigen Kindern fehlte ihr später schon ab 22 Uhr, für mich also mitten am Tag, die nötige geistige Frische, mir zu folgen, wie ich mich an den Lianen der Erinnerungen immer tiefer in den Dschungel meines Lebens schwang. Um ihren Schlafmangel nicht ausufern zu lassen, ging sie gegen meine Erzählanfälle bald aktiv vor: „Ich geh’ schon mal ins Bad und putz’ mir die Zähne. Kommst Du mit und erzählst mir da weiter?“ Na klar tat ich das. Ich tue alles, wenn ich nur weiter erzählen kann. Ihre Rolle beschränkte sich dabei auf ein zustimmendes Nicken oder ein gebrummtes „Hmhmm“. Beides ging problemlos auch mit einer Zahnbürste im Mund. Mit: „Ich geh jetzt nach oben, kommst du mit?“, folgte ich ihr, natürlich weiter erzählend und dabei immer wacher werdend, ins Schlafzimmer. Mit: „Ich kann jetzt nicht mehr, erzählst Du mir morgen weiter?“, warf sie dann elegant, aber bestimmt das Zuhörerhandtuch und ließ mich mit meinen Erinnerungen und Gedanken allein. Komischerweise behauptete sie, nur ich hätte so meine Rituale.

Kulturhistorisch wähne ich mich auf bewährten Pfaden: Zuerst erzählten sich die Menschen abends am Lagerfeuer ihre Geschichten von der Jagd. Die nicht so spannenden gerieten in Vergessenheit, und nur die prägenden Erlebnisse blieben präsent. Sie wurden dann nach der Erfindung der Schrift festgehalten. Indem die Empfänger meines verbalen Outputs von Zuhörern zu Lesern geworden sind, hat sich das Blatt zu ihren Gunsten gewandelt. Sie bestimmen nun sowohl die ihnen angenehme Tageszeit, als auch die Dosierung der Informationen aus meinem Leben. Und ich kann nicht mehr locker vor mich hin parlieren, sondern brüte schwitzend als unerfahrener Autor über jedem einzelnen Satz. Es ist so, wie wenn man einen Song oft live spielt und dann aufnimmt. Erst dann fallen einem Schwachstellen auf, die es auszubügeln gilt.

Kunst oder Kekse

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