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Bin ich ein Kuckuckskind?

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Wenn Sie ein sensibler Leser sind, werden Sie zwischen den Zeilen eine gewisse Fremdheit zwischen meinen Eltern und mir herausspüren. Es ist in meiner Familie unausgesprochen, aber klar, dass mich der Storch über dem falschen Schornstein fallengelassen hat. Die Mendelschen Gesetze der Vererbung, nach denen eine Eigenschaft eine Generation im Verborgenen überspringen kann, mögen meinen Eltern als Erklärung für mich dienen, ihren Kummer aber wohl nicht mildern. In meinem Fall war der genetische Übeltäter mein bisher noch nicht erwähnter anderer Opa, der Vater meines Vaters, Otto Porath. Er war Bildhauer und hat somit auch keinen richtigen Beruf ausgeübt. Meine Töne verklingen und sind weg. Von ihm stehen irgendwo in Deutschland noch ein paar behauene Steine herum. Genau wie ich hat er zwei Söhne und zwei Töchter gezeugt. Nach den Schilderungen seiner Ältesten, meiner bereits kurz vorgestellten Tante Gisela, bereitete es Otto Porath ähnliche Schwierigkeiten wie mir, die Seinen mit seiner Kunst zu ernähren. Sahen meine Eltern damals schon so weit voraus, dass sie meinen Kindern in spe ein ähnlich hartes Los ersparen wollten?

Seit ich selbst Kinder habe, weiß ich, dass man als Eltern nicht „Hurra!“ schreit, wenn der eigene Nachwuchs Musiker werden will. Manchmal weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Berufswunsch meines Jüngsten (Marc, Baujahr 1999) ist Pilot bei der Lufthansa. Seine Begründung: „Damit meine Kinder es einmal besser haben.“ Auf meine Nachfrage, wie er das meine, kam: „Keine finanziellen Sorgen“. Der Kommentar meiner Ex-Frau dazu: „Jetzt hast du einen Grund, Dich zu besaufen.“ Familie ist schön, oder?


Marci unterm „Flügel“.

Dass ich eines Tages in Otto Poraths Fußstapfen wandeln würde, bezeugte ein böses Omen: Obwohl meine Eltern mir, wie ich finde, einen schönen Vornamen gegeben haben, nennen sie mich bis heute aus mir unerfindlichen Gründen nie Klaus, sondern immer nur „Otto“! Meine Proteste dagegen verhallten im Nichts. Sie wurden mit dem Argument abgeschmettert, dass Otto ein schöner, alter, deutscher Name sei. Mit seinem Faible für Geschichte verwies mein Vater dann auf Otto I., Otto II., Otto III. und Otto IV. Warum Otto von Bismarck in der Reihe meiner bedeutenden Spitznamensvettern nicht auftauchte, weiß ich nicht. Den übersprang man und ging lieber gleich zu Otto Waalkes über, zu dem ich später noch komme. Lange Zeit wünschte ich mir, meine Eltern würden endlich den „Otto“, der ich nie war, vergessen und den „Klaus“ erkennen, der ich bin. Dieses Buch bietet ihnen dafür aus meiner Sicht eine einmalige Chance.

Als ich 17 war, nahmen sie einen finalen Anlauf, mich zu einem normalen Menschen zu verbiegen und schickten mich einmal in der Woche zum Psychiater. Frau Dr. H. war sehr nett, aber all ihre Fragen kamen mir belanglos vor. Für meinen Bedarf tastete sie sich zu langsam an den „heißen Kern“ heran. Sie sollte nie zu ihm vorstoßen. Frau Doktor kam mir vom Leben gebeutelt vor und jammerte in den Sitzungen, dass sie als Ärztin genau wie meine Eltern zu wenig Zeit für ihre Kinder hätte. Aber das stimmte bei uns leider ganz und gar nicht. Mein Vater war immer sehr stolz darauf, wie viel Zeit er sich nahm, um uns zu „dressieren“. Das war seine Ausdrucksweise, aber es traf leider nicht auf das zu, was er tat. Tiere bekommt man ausschließlich durch Lob und Bestätigung dazu, ihr Verhalten zu ändern. Ich war immer froh, wenn er nicht zu Hause war. Aber leider teilten sich meine Eltern eine Praxis, so dass de facto jeder von ihnen nur einen Halbtagsjob hatte. Mein Vater riss seine vier halben Tage am Montag und Dienstag am Stück ab und hatte von Mittwoch bis Sonntag frei. Im Sommer verbrachte er die meiste freie Zeit auf unserem Segelboot, was meiner Schwester und mir erfreulich viel an „Dressur“ ersparte. Meine Mutter arbeitete mittwochs und freitags nur am Vormittag und am Donnerstag, ihrem „schlimmen Tag“, sogar vormittags und nachmittags!

Trotzdem hatten wir eine Haushaltshilfe für die lästigen Arbeiten. Wie zum Beispiel meine Einschulung, zu der nur sie mich begleitete. Andere Mamas vergießen, wenn der Ernst des Lebens beginnt, gerne ein paar Tränchen. Meiner Mutter erschloss sich die Bedeutung dieses Initiationsritus nicht. Komischerweise wurde aber jedes Mal, wenn ich ihren Geburtstag vergessen hatte, ein Drama daraus gemacht. Sie und ich sind uns nie richtig ans Herz gewachsen. Interessanterweise sieht sie die Schuld dafür bei mir.

Aber zurück zu meinen Therapiesitzungen, in denen es eigentlich um all das hätte gehen müssen. Das Schlimmste daran war die Zeit davor im Wartezimmer. Vor den anderen Patienten gruselte es mir richtig. Die hatten wirklich Probleme! Glücklicherweise meinte Frau Dr. H. nach wenigen Sitzungen mit banalen Fragen, meine Persönlichkeit ausreichend erfasst zu haben. Jetzt fehlte ihr nur noch ein Bild über den „Stall“, aus dem ich kam. Dafür lud sie mich für eine Sitzung aus und meine Eltern ein. Die Woche drauf beendete ein einziger Satz meine noch nicht begonnene und aus ihrer Sicht anscheinend unnötige Therapie: „Wissen sie eigentlich, junger Mann, dass nicht Sie, sondern Ihr Vater hier sitzen sollte?“

Kunst oder Kekse

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