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„Zugvögel“ aus anderen Tiergruppen

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Während ziehende Vogelarten für fast jeden von uns direkt sicht- und erlebbar sind, machen sich neben den Zugvögeln jedes Jahr über dem ganzen Erdball Millionen von anderen Tierarten zu Lande, zu Wasser – und mit den Vögeln auch in der Luft – auf ihre Überlebenswanderzüge. In Afrika sind es Antilopen, Zebras und Elefanten mit jährlichen Strecken von bis zu 1500 km, in den Flüssen und Meeren marine Krebse (Langusten, Hummer) und Schildkröten, Lachse, Aale sowie Wale und in der Luft auch Insekten und Fledermäuse. Um ihre Ziele zu erreichen, müssen alle Arten Änderungen ihrer Umweltbedingungen genau wahrnehmen und den richtigen Zeitpunkt zum Start ihrer Wanderungen wählen, der von einer Reihe von Faktoren bestimmt wird.

Ein Naturschauspiel ohne Gleichen bietet sich, wenn 1,5 Millionen Weißbartgnus (Connochaetes taurinus) die Kurzgrassavanne im Südosten der Serengeti in Tansania verlassen, um nach Norden bis in das Massai-Mara-Reservat nach Kenia zu ziehen. Weder Löwen und Hyänen noch Krokodile bei den gefährlichen Flussdurchquerungen können den Treck aufhalten. Es ist einerseits der Bedarf an Mineralstoffen, vor allem Phosphor, andererseits der Wassermangel, der die Gnus veranlasst, ihre Weidegründe zweimal im Jahr zu wechseln. Sie müssen die Kurzgrassavannen verlassen, wenn der Regen in der Trockenzeit ausbleibt und es zu Nahrungs-, Wasserknappheit und Versalzung kommt. Auf ihren Trockenzeitweiden finden die zu den Kuhantilopen zählenden Gnus zwar Hochgras und nach Gewitterregen auch Frischgras. Doch dieses Futter bietet ihnen nicht genügend Mineralstoffe. Nach einiger Zeit tritt dann bei den Gnus ein Phosphatmangel auf, der sie wieder in die Kurzgrassteppe im Süden mit ihrem nach der Regenzeit jungen, mineralstoffreichen Gras zurücktreibt.


11 Nahrungs- und Wassermangel zwingen alljährlich die Streifengnus zu ihren gefährlichen, aber dennoch überlebenswichtigen Wanderungen zwischen der Serengeti und der Massai Mara in Ostafrika.


12 Vor ihrem Bestandsrückgang machten sich Saiga-Herden mit bis zu 200.000 Tieren auf ihre Sommerwanderungen in den asiatischen Trockensteppen.

Einstmals waren auch die nordamerikanischen Bisons auf solchen Weidewanderungen durch die Prärie unterwegs. Bevor sie bis auf letzte Reste zusammengeschossen wurden, umfasste ihre Art um die 30 Millionen Köpfe. Die Karibus in Alaska und Kanada oder die Rentiere im Norden der Alten Welt bilden heute noch große Herden und unternehmen weite Wanderungen.

Vom Nordkaukasus über Kasachstan und die Südwestmongolei bis Xinjiang (China) leben in den kalten, hoch gelegenen Trockensteppen die schafähnlichen Saiga-Antilopen (Saiga tatarica). Während ihrer Sommerwanderungen, bei denen einzelne Herden – vor dem dramatischen Bestandsrückgang der Art infolge starker Bejagung und wohl klimawandelbedingter Infektionskrankheiten – auf bis zu 200.000 Tiere anwachsen konnten, dient ihnen die Rüsselnase am kräftigen Kopf als Staubfilter, in den bitterkalten Wintern zur Erwärmung der Atemluft.

Im Wasser sind viele Fischarten immer unterwegs, und auch Wale und Robben unternehmen weite saisonale Wanderungen. Eine Welt ganz ohne Grenzen tut sich dabei für die großen Walarten auf ihren Wanderungen zwischen den Weltmeeren auf, die bis zu 20.000 km umfassen können. Geschlechtsreife Meeresschildkröten wie die bekannte Suppenschildkröte (Chelonia mydas) kehren über Hunderte oder sogar Tausende von Kilometern (bis zu 3000 km) zur Eiablage an Sandstrände zurück, auf denen sie einst als Minischildkröten das Licht der Welt erblickten und eiligst ins Meer gelaufen waren. Während unsere Aale zum Laichen aus den Flüssen bis in die Sargassosee im Atlantik nahe der Bahamas schwimmen, steigen Lachse vom Meer bis in die Oberläufe der Flüsse auf, in denen sie geboren wurden, um dort zu laichen und danach zu sterben. Recht bekannt sind bei uns die alljährlichen, vergleichsweise kurzen Massenwanderungen von Erdkröten, Grasfröschen und Molchen zu ihren Laichgewässern.


13 Selbst Stromschnellen können Lachse auf ihren Wanderungen flussaufwärts zu ihren Laichplätzen nicht aufhalten.


14 4000 km beträgt die einfache Flugstrecke, die von den Monarchfaltern von Nordamerika bis in ihre mexikanischen Überwinterungsgebiete zurückgelegt werden.

Millionen von Monarchfaltern (Danaus plexippus) durchqueren jedes Jahr im Herbst ganz Nordamerika von Kanada aus bis in die Bergregenwälder Mexikos, um dort in dichten Trauben an den Bäumen hängend zu überwintern. Von der Frühlingsonne erwärmt fliegen die Monarchfalter dann wieder maximal 4000 km zurück in ihre Fortpflanzungsgebiete. Unter unseren Tagschmetterlingen sind Distelfalter (Vanessa cardiu) und Admiral (Vanessa atalanta) echte „Wanderfalter“, die im Frühjahr von Nordafrika und aus dem Mittelmeerraum einfliegen, um sich im Sommer bei uns oder noch weiter nördlich in Skandinavien und Island fortzupflanzen. Andere Einwanderer sind der Totenkopf- und der Weinschwärmer sowie das tagaktive Taubenschwänzchen. Letzteres wird immer wieder für einen entflohenen Kolibri gehalten, wenn es Balkon-und Gartenblumen anfliegt und schwirrend davor in der Luft steht, um mit dem langen Rüssel Nektar aus den Blüten aufzunehmen.

Die weiteste Flugstrecke, die bisher für eine europäische Fledermausart dokumentiert wurde, legte eine Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) zurück. Diese kleine Fledermaus wurde in Lettland markiert und später 1905 km südlich in Kroatien wiedergefunden. Weitere Höchstleistungen wurden von der Zweifarbfledermaus (Vespertilio discolor) mit 1787 km, dem Großen Abendsegler (Nyctalus noctula) mit 1600 km und dem Kleinabendsegler (Nyctalus leisleri) mit 1568 km aufgestellt. Die tatsächlich zurückgelegten Flugstrecken der nachtaktiven Tiere dürften noch weit größer sein als die direkten Entfernungen zwischen den Markierungs- und Wiederfundorten, denn die Zugwege der wandernden Fledermäuse zwischen ihren Sommer- und Winterlebensräumen verlaufen sicher nicht geradlinig. Vielmehr folgen sie markanten Landschaftsstrukturen wie Flüssen, Tälern oder Waldrändern. Von bisher über 1 Million in Europa markierten Fledermäusen hat das Bonner Museum Alexander Koenig 7366 Wiederfunde ausgewertet, die in größere Entfernung vom Markierungsort gelangten und somit auf Wanderungen schließen lassen. Danach lassen sich die 36 untersuchten europäischen Fledermausarten aufgrund ihres Wanderverhaltens in drei Gruppen einteilen: stationäre Arten, die nicht weit wandern (z.B. Langohren und Hufeisennasen), regionale Wanderer mit Entfernungen von 100 bis 800 km (z.B. Mausohren) und Fernwanderer wie die Rauhaut- und die Zweifarbfledermaus sowie der Große und der Kleine Abendsegler, die zugvogelgleich alljährlich 1500 bis 2000 km zwischen Sommerquartieren und Überwinterungsplätzen zurücklegen.

Erst kürzlich fanden Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell heraus, unter welchen Bedingungen Große Abendsegler im Frühjahr in ihre Sommer- und Wochenstubenquartiere aufbrechen. Sie gehören zu den wenigen Fledermausarten, die über lange Strecken reisen. Es sind vor allem die Weibchen, die nach ihrem Winterschlaf über Hunderte von Kilometern fliegen, um in insektenreicheren Regionen gut genährt ihre Jungen zu gebären und erfolgreich aufzuziehen. Im Herbst kehren sie dann wieder zurück, um sich auf der Reise oder an ihren Überwinterungsplätzen zu paaren und auf den Winterschlaf vorzubereiten. Im Frühjahr ist der richtige Zeitpunkt zum Aufbruch für die Fledermausweibchen wichtig, da sie sich genug Fettreserven für die lange Reise zulegen müssen, aber wegen der fortschreitenden Trächtigkeit auch nicht zu lange warten dürfen. Die Radolfzeller Forscher um Dina Dechmann fingen die Abendsegler nahe ihren Überwinterungsplätzen in Süddeutschland, maßen und wogen die Tiere, die dann mit Sendern ausgestattet wieder freigelassen wurden. Um feststellen zu können, welche Tiere sich in der Nacht zuvor in welche Richtung aufgemacht haben, suchten die Forscher in den Folgetagen jeweils morgens das Gebiet mit dem Flugzeug nach den Signalen der besenderten Tiere ab. Auch alle Wetterdaten wurden laufend festgehalten. Die Entscheidung zum Start ist danach vom Zusammenspiel von Windstärke, Windgeschwindigkeit und Luftdruck abhängig. Große Abendsegler nutzen für ihren Start Nächte mit den optimalen Wetterbedingungen. Die Nachtflieger brachen vermehrt in Nächten mit klarem Wetter und günstigen Winden auf, messbar an hohem Luftdruck und Rückenwind. Aber auch Nächte mit niedrigem Luftdruck nutzten viele Tiere immer dann zum Abflug, wenn gleichzeitig schwacher Gegenwind wehte. Die Forscher fanden dabei auch heraus, dass die Abendsegler den Zeitpunkt für den Abflug im Verlauf des Frühjahrs nach unterschiedlichen Kriterien auswählen. Während zu Beginn der Zugperiode der Rückenwind ein wichtiger Faktor ist, brechen sie später vor allem in klaren Nächten mit hohem Luftdruck auf, selbst wenn sie Gegenwind haben. Bei niedrigem Luftdruck fliegen sie nur, wenn Rückenwind oder schwacher Gegenwind herrscht. Aus den gewonnenen Daten entwickelten die Forscher ein Modell, mit dessen Hilfe sie vorhersagen können, in welchen Nächten der Große Abendsegler mit hoher Wahrscheinlichkeit aufbricht. Solcherart Grundlagenforschung dient längst nicht nur der Wissenserweiterung. Sie könnte auch zum besseren Schutz der Fledermäuse beitragen. Denn vor allem viele Abendsegler sterben während ihres Zugs durch Kollisionen mit Windenergieanlagen. Wenn ihre Hauptzugnächte mit hoher Sicherheit vorherbestimmbar wären, könnte ein Abschalten aller Anlagen in dieser Zeit viele Verluste verhindern helfen (s. S. 156). Wie unsere fliegenden „Kobolde der Nacht“ strategisch auf den Klimawandel als weitere, mögliche Gefährdungsursache reagieren, liegt allerdings noch ganz und gar im Dunkeln.


15 Gut 1900 km flog eine Rauhautfledermaus von ihrem Sommeraufenthaltsgebiet in Lettland bis nach Kroatien zum Überwintern. Dies ist die längste bisher für eine europäische Fledermausart dokumentierte Flugstrecke.


16 Forscher fanden dank besenderter Großer Abendsegler heraus, dass die Langstreckenzieher unter den europäischen Fledermäusen für ihren Start zu ihren Migrationsflügen Nächte mit für sie optimalen Wetterbedingungen nutzen (hier: Großer Abendsegler nach Ausflug aus dem Baumquartier).

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