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Wer zieht, wer bleibt?

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Weil Vögel aufgrund ihrer Mobilität und ihrer Anpassungen an unterschiedliche Lebensbedingungen nahezu alle Gebiete unserer Erde erobern konnten, umspannen auch ihre Wanderungen praktisch die Gesamtoberfläche unseres Planeten wie ein Netz einen Ball. Um im Bild zu bleiben: Die Fäden dieses Netzes, die Vogelwanderungen, sind jedoch nicht gleichmäßig um den Erdball verteilt. Wie viele Arten und Individuen ziehen, hängt ganz wesentlich vom Wechsel bzw. von der Konstanz der Lebensbedingungen in ihren Brutgebieten ab. Vogelarten, die in der Arktis und dem nördlichen Teil der Alten Welt leben, sind überwiegend Zugvögel. Mit dem Anstieg der durchschnittlichen Wintertemperaturen in Gebieten mit milderem Klima, also in den niederen Breiten oder in der Nähe von Meeren, nimmt der Zugvogelanteil unter den Brutvögeln ab. In Europa beispielsweise bleiben einige Vogelarten auf den Britischen Inseln das ganze Jahr als Standvögel, obwohl ihre Artgenossen in Nord- und Osteuropa typische Zugvögel sind. In der gemäßigten Zone wandern die meisten Insektenfresser im Herbst ab. Einige Arten unter ihnen bleiben dennoch zurück. Sie verändern dann aber ihr Nahrungsverhalten und leben im Winter von Sämereien. Unter unseren Singvögeln sind die Laubsänger, Grasmücken und Fliegenschnäpper als reine Insektenfresser Zugvögel. Dagegen gehören Meisen und Sperlinge zur letzteren Gruppe. Dies bedeutet nicht, dass alle Zurückbleibenden als echte Standvögel das ganze Jahr über an Ort und Stelle bleiben. Auch sie machen oft Wanderbewegungen in nahrungsgünstige Regionen.


26 Fitis (Phylloscopus trochilus). Als absolute Langstreckenzieher fliegen alle paläarktischen Brutvögel dieser Laubsängerart in die Tropen und Subtropen der Südhalbkugel zum Überwintern.

Unter den Brutvögeln tropischer und subtropischer Gebiete verringert sich der Anteil an Zugvögeln stark. So sind in Südafrika nur gut ein Zehntel aller Brutvogelarten auch echte Zugvögel. In Zaire sind es sogar weniger als 1 %. Ähnliches gilt für die Neue Welt. Der Prozentsatz an Zugvögeln in Kanada ist höher als der in den USA, dieser wiederum höher als in Mexiko. Ähnlich wie im Kongobecken leben im Amazonasbecken praktisch überhaupt keine Zugvögel. Dafür streifen in diesen tropischen Regenwäldern viele der früchte- und samenverzehrenden Arten immer ihrer Nahrung nach umher. Jahreszeitliche Wanderungen kommen sowohl in Afrika und Asien wie auch in Südamerika vor. Auf der Südhalbkugel ziehen viele Zugvogelarten vom Brutgebiet nach Norden in mehr äquatornahe Ruhezielgebiete (Australzug).

In Deutschland wurden seit 1800 bis jetzt über 500 hier natürlich vorkommende Vogelarten nachgewiesen. Während davon etwa die Hälfte der Arten bei uns regelmäßig brütet, handelt es sich bei den anderen Arten um Gastvögel. 65 Gastvogelarten erscheinen regelmäßig auf dem Durchzug oder als Wintergäste. Weitere 160 Arten von Gastvögeln sind Ausnahmeerscheinungen. Neben den Gastvögeln als „Überflieger“ mit höchstens kurzem Zwischenstopp und denen als unsere Wintergäste sind auch unsere Brutvögel in Bewegung: Ein Großteil davon verlässt nach der Brutzeit die Brutgebiete, um den Winter in milderen Regionen zu verbringen.

Mit dem Begriff Zugvögel sind also Vögel gemeint, die sich regelmäßig und jahreszeitlich gebunden zwischen verschiedenen geografischen Bereichen bewegen. Ziehen können dabei Arten, aber auch nur einige Populationen oder sogar nur Teile der Population. Neben dem Ausdruck Zugvögel begegnen uns immer wieder auch Begriffe wie Strich-, Invasions- und Standvögel. Wobei auch noch zwischen Lang- und Kurzstreckenziehern unterschieden werden kann. Diese Kategorien sind aber nicht immer starr auf eine Art anwendbar. So ist die Gebirgsstelze je nach ihrem bewohnten Teilareal innerhalb ihres Gesamtvorkommens Stand-, Strichvogel, Teil-, Kurzstreckenzieher und in Osteuropa und Asien sogar Langstreckenzieher. Dagegen ist der Fitis ein echter Zugvogel, von dem alle Rassen in den paläarktischen Gebieten Europas brüten, um in den Tropen und Subtropen der Südhalbkugel zu überwintern. Der Fitis als absoluter Langstreckenzieher muss wohl besonders gut „gerüstet“ auf seine obligatorischen Fernreisen gehen. Was sich auch in Besonderheiten seines Mauserverhaltens ausdrückt (s. S. 59).


Wichtige Zugstraßen über Land und Meer (im September).


27 Als Schwimmwanderer legten wohl schon die Zahnvögel Hesperornis in der Kreidezeit große Strecken bis zu ihren Brutplätzen zurück.

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