Читать книгу Kinder mit Behinderungen in inklusiven Kindertagesstätten - Klaus Sarimski - Страница 36
Studie: Soziale Interaktion von Kindern mit Entwicklungsdefiziten in homogenen und integrativen Gruppen (Guralnick et al., 1995)
ОглавлениеZwölf Spielgruppen aus je sechs Kindern im Alter zwischen 4;2 und 5;5 Jahren wurden gebildet, die sich vorab nicht kannten (N = 72). Durch gezielte Zuordnung der Kinder entstanden drei verschiedene Gruppen. Die erste bestand nur aus Kindern mit Entwicklungsdefiziten (IQ 50-80), die zweite umfasste zwei Kinder mit Handicaps und vier Kinder mit unbeeinträchtigter Entwicklung (IQ 90-130), die dritte bestand nur aus Kindern ohne Behinderungen. Die Zusammensetzung wurde dabei systematisch nach Alter, Entwicklungsstand, Sprachkompetenzen u. a. parallelisiert. Die Spielgruppen trafen sich über zwei Wochen täglich für jeweils 2 ½ Stunden und boten die Möglichkeit zu Freispiel und gemeinsamen Aktivitäten, z. B. Kreisspielen, musikalischen Aktivitäten, Erzählen und gemeinsamen Mahlzeiten. Sie wurden von einer Fachkraft und einer Assistentin geleitet, die für die Kinder als Unterstützung im Spiel zur Verfügung standen, aber keine systematische Anleitung zu sozialen Kompetenzen gaben.
Das Spiel- und Sozialverhalten der Kinder im Freispiel wurde mit einem sehr differenzierten Kategoriensystem erfasst und zusätzlich die Stellung der einzelnen Kinder in der Gruppe mit soziometrischen Verfahren erhoben. Kinder mit unbeeinträchtigter Entwicklung beteiligten sich mehr am gemeinsamen Spiel, suchten häufiger die Kooperation anderer Kinder, machten mehr Vorschläge zur Spielgestaltung und gingen öfter auf die Vorschläge anderer Kinder ein.
Erhöhtes Risiko sozialer Ausgrenzung. Die Häufigkeit sozialer Interaktionen zwischen behinderten und nicht behinderten Kindern sagt nun noch nichts über, die Qualität der sozialen Beziehungen behinderter Kinder in der Gruppe aus und wie deren sozialer Status ist. In soziometrischen Befragungen der Kinder selbst, mit welchem Kind sie gern spielen, und in Eltern und Erzieherinnenberichten zu den Freundschaften von Kindern im Kindergarten zeigt sich Unterschiedliches. Einige behinderte Kinder bleiben aufgrund ihrer sozialen Defizite in der Gruppe isoliert, andere werden sozial ausgegrenzt, eine dritte Gruppe von ihren Spielpartnern und -partnerinnen jedoch gut akzeptiert.
In einer Studie von Odom et al. (2002) traf das jeweils für etwa ein Drittel der 80 behinderten Kinder zu. Die sozial akzeptierten Kinder waren sozial kompetenter, hatten feste Freundschaften, beteiligten sich am sozialen Spiel, teilten anderen Kindern ihre Ideen mit, beachteten Gruppenregeln, verstanden soziale Situationen und hatten grundsätzlich Interesse an sozialen Interaktionen mit anderen Kindern. Kinder, die sozial abgelehnt wurden (d. h. in soziometrischen Ratings zu den drei am wenigsten beliebten Kindern der Gruppe gehörten) hatten wenige soziale Fertigkeiten, viele Konflikte mit anderen Kindern, zeigten aggressives oder sehr zurückgezogenes Verhalten.
Viele Kinder dieser Teilgruppe wiesen die Merkmale einer Autismus-Spektrum-Störung auf. Diese Kinder wurden teilweise von den anderen Kindern in das Gruppengeschehen einbezogen und erhielten ein ebenso hohes – aber offenbar nicht ausreichendes – Maß an Unterstützung von den Erzieherinnen wie die gut beteiligten und sozial akzeptierten Kinder, erlebten aber häufiger, dass sie aktiv ausgeschlossen wurden. Nur eines von 32 nicht behinderten Kindern, die ebenfalls in diese Untersuchung einbezogen wurden, aber 22 von 80 behinderten Kindern erlebten eine solche soziale Ablehnung. Das Risiko sozialer Ablehnung ist bei behinderten Kindern also offenbar wesentlich erhöht. Es gibt allerdings keinen Beleg dafür, dass soziale Ablehnung in integrativen Gruppen häufiger aufträte als in Gruppen, die sich ausschließlich aus behinderten Kindern zusammensetzen (Guralnick & Neville, 1997).
Das Risiko für soziale Ablehnung variiert mit dem Schweregrad der Behinderung. Ferreira, Aguiar, Correia, Fialho und Pimentel (2017) untersuchten die soziale Akzeptanz, das soziale Netzwerk und die Freundschaftsbeziehungen von 86 Kindern mit Behinderungen in inklusiven KiTas in Portugal. Nach den soziometrischen Befragungen wurden vier Kinder von den anderen Kindern der Gruppe als Kontaktpartner/-in ignoriert und 34 Kinder aktiv sozial ausgegrenzt. Die Kinder, die sozial ausgegrenzt wurden, unterschieden sich von den anderen in zweierlei Hinsicht: Es handelte sich häufiger um Kinder mit schweren Behinderungen und sie zeigten nach Einschätzung der Erzieherinnen ein deutlich höheres Maß an Verhaltensstörungen.