Читать книгу Heathens Ink: Meine Herzensbrecher - K.M. Neuhold - Страница 12
ОглавлениеLiam
Ich streiche mit den Fingern durch das weiche Fell meines Schäferhunds Fritz, der neben mir auf der Couch liegt. Ich lege den Kopf schräg und lächle darüber, wie das Foto auf meinem Bildschirm geworden ist. Vor ein paar Monaten hatte ich die Idee zu dieser leicht gewagten Serie und habe seitdem hart daran gearbeitet sie zusammenzustellen. Leider ist es schwieriger, als man glauben könnte, einen Haufen tätowierter Männer zu finden, die sich größtenteils nackt fotografieren lassen.
Die Hälfte der tätowierten Männer, die ich kenne, sind meine Brüder, also scheiden die zweifellos aus. Durch Freunde habe ich ein paar Models gefunden und wieder andere durch eine Anzeige auf dem schwarzen Brett am College. Aber das Model, das ich wirklich will, ist Owen. Und nicht nur, weil ich ihn nackt in meinem Bett haben will. Okay, das ist vielleicht zu vierzig Prozent der Grund. Hauptsächlich liegt es aber daran, dass seine Tattoos Perfektion sind. Genau ihn hatte ich im Sinn, als ich das erste Mal an diese Serie gedacht habe. Ich muss einfach nur den Mut aufbringen, ihn zu fragen.
»Oh mein Gott, du wirst nicht glauben, wie mein Tag war«, sagt Kyle, als er unsere Wohnung betritt und sich die Schuhe auszieht. Fritz klopft zur Begrüßung träge mit dem Schwanz auf die Couch.
»Hey, Kumpel.« Kyle streichelt Fritz über den Kopf und drückt ihm einen Kuss auf die Schnauze.
»Erzähl.« Ich klopfe auf die freie Stelle neben mir.
»Oooh, sexy Foto. Wer ist der heiße Typ?«, fragt er und mustert das Foto auf meinem Bildschirm.
»Er heißt Tony. Du kennst Becks Freund Clay?«, frage ich und Kyle nickt. »Das ist der Bruder von Clays Mann Max. Er hat diese schöne, olivfarbene Haut der Italiener, die seine Tattoos auf den Fotos unglaublich aussehen lässt.«
»Hast du zufällig seine Nummer behalten, nachdem du ihn bezahlt und weggeschickt hast?«, fragt er, den Blick noch immer auf den Bildschirm gerichtet.
»Ich hab seine Nummer, aber er ist durch und durch hetero. Vertrau mir, bei dem bist du an der falschen Adresse.«
»Schade.« Kyle seufzt und reißt seinen Blick schließlich von dem Foto los.
»Du wolltest von deinem Tag erzählen?«
»Oh ja. Ich denke darüber nach zu kündigen. Ich halte es mit meinem homophoben Boss nicht mehr aus. Es ist ihm egal, dass mein Marketingplan seinen Umsatz verdoppelt hat; er ist zu beschäftigt damit, sich auf die Tatsache einzuschießen, dass ich gern Make-up trage.«
»Dann kündige. Scheiß auf ihn, wenn er so ist. Genau wegen diesem Mist bin ich selbstständig. Nicht, dass ich noch oft für das falsche Geschlecht gehalten werde, aber ich gehe lieber auf Nummer sicher.«
»Verständlich.« Kyle tätschelt mein Bein und seufzt dann. »Ich mache mich am Wochenende wohl besser auf Jobsuche.«
»Warum arbeitest du in der Zwischenzeit nicht ein bisschen als freiberuflicher Marketingberater? Du könntest einigen kleineren Betrieben deine Dienste anbieten, um ihre Geschäfte anzukurbeln. Dein Marketing hat mir viele Aufträge verschafft; ich empfehle dich liebend gern weiter.«
Kyles Augen leuchten auf. »Das ist vielleicht keine schlechte Idee. Ich denk darüber nach.«
»Falls du so was wie Bilder für eine Website brauchst, sag Bescheid.«
»Mach ich.« Er drückt mir schnell einen Kuss auf die Wange und dank seines Lipgloss' ist meine Haut nun ein wenig klebrig. Dann steht er auf und geht in sein Schlafzimmer.
Ich schüttle den Kopf und klappe den Laptop zu. Man sollte meinen, dass die Leute mittlerweile ihre bigotte Engstirnigkeit hinter sich gelassen hätten. Vielleicht eines Tages.
Ich habe mehr Zeit mit der Bildbearbeitung verbracht als geplant. Jetzt muss ich einen Zahn zulegen, um mich fertig zu machen, bevor meine Brüder kommen. Der Rest meines Katers ist über den Tag hinweg verschwunden, wofür ich dankbar bin, denn ich bin sicher, dass sie mich damit aufziehen werden, wie betrunken ich gestern Abend war und dafür möchte ich lieber nicht verkatert sein.
Im Badezimmer stelle ich die Dusche an und ziehe mich aus, ehe ich die Klamotten in den Wäschekorb werfe. Ich lege meinen Packer auf den Schrank und genieße es einen Augenblick, Kyle als Mitbewohner zu haben. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie nervös ich wäre, wenn ich der Person, mit der ich zusammenlebe, nicht so vertrauen würde wie ich Kyle vertraue.
Während ich darauf warte, dass das Wasser warm wird, streiche ich mit den Händen durch die Haare auf meiner Brust und lächle. Es hat eine Weile gedauert, bis sie wirklich gewachsen sind, und eine gefühlte Ewigkeit waren es nur ein paar vereinzelte Härchen, aber jetzt sind sie ansehnlich dicht. Die Narben von meiner Oberkörperoperation vor drei Jahren sind fast vollständig verblasst und zwischen den Haaren kaum mehr zu erkennen. Mein Körper ist nicht ganz so, wie ich ihn mir gewünscht habe, aber mein Therapeut hat mir geholfen, mich auf die Teile zu konzentrieren, die ich mag, anstatt mir darüber den Kopf zu zerbrechen, was noch nicht ganz so gut ist. Niemand ist zu 100 Prozent mit seinem Körper zufrieden, richtig?
Ich löse das Pflaster von meinem neuen Tattoo und spüle die Blutstropfen vorsichtig mit kaltem Wasser aus dem Waschbecken ab. Ich zische mit zusammengebissenen Zähnen, als es ein wenig brennt. Aber das war es auf jeden Fall wert.
Als der Spiegel vom Dampf beschlägt, stelle ich mich unter die Dusche und seufze, als das heiße Wasser über meinen Körper läuft. Ich drehe mich ein wenig, damit mein neues Tattoo so wenig Wasser wie möglich abbekommt, aber jeder Tropfen brennt auf der empfindlichen Stelle. Zumindest ist es besser als bei dem Tattoo, das meinen gesamten Rücken bedeckt. Ich konnte eine Woche lang nicht duschen.
Ich schnappe mir das Duschgel und lache leise über den Werbespruch auf der Flasche, der verspricht, dass mich dieses Produkt wie ein Mann riechen lässt. Ich bin ziemlich sicher, dass ich das meinen Testosteronspritzen zu verdanken habe, aber egal.
Sobald ich sauber bin, hopse ich aus der Dusche und schlinge mir ein Handtuch um die Taille. Mit meinem Packer in der Hand linse ich aus der Tür, um mich zu vergewissern, dass Kyle nicht direkt davorsteht oder so. Kyle ist in Ordnung, aber es wäre trotzdem irgendwie seltsam, mit meinem Schwanz in der Hand an ihm vorbeizugehen.
Kyle hat mir heute Vormittag sein Auto geborgt, damit ich mich mit Wyatt treffen und ins Heathens fahren konnte und Royal hat gesagt, dass er mein Auto vorbeibringt, wenn sie mich zum Essen abholen. Ich entdecke eine Nachricht von Nash, dass sie auf dem Weg sind, also trockne ich mich schnell ab und ziehe aufs Geratewohl an, was ich in die Finger bekomme. Kyle würde wahrscheinlich in Ohnmacht fallen, wenn er sehen würde, wie ich einfach Klamotten anziehe, ohne auch nur hinzusehen, was ich aus dem Schrank nehme. Wir können nicht alle so fantastisch und stylisch sein wie er.
Sobald ich meine rote Unterhose anhabe, setze ich den Packer ein und streiche dann gedankenverloren über die Beule. Ich erschaudere entzückt bei dem Gefühl, von dem ich nie genug bekomme.
Als ich höre, wie die Haustür geöffnet wird, ziehe ich schnell meine Hose an.
»Ich bin ein bisschen spät dran, Leute, macht es euch bequem«, rufe ich.
»Pass auf, was du dir wünschst«, ruft Zade zurück. Ich lache leise und schüttle den Kopf.
Ich schwöre, dass ich mit diesen Jungs den Jackpot geknackt habe. Nachdem mein Dad herausgefunden hat, dass ich trans bin, fand ich mich mit 16 Jahren auf der Straße wieder und hatte niemanden, an den ich mich wenden konnte. Dann habe ich mich an den Bruder aus der ersten Ehe meines Vaters erinnert, den ich nie kennengelernt hatte. Ohne eine andere Möglichkeit und mit nur zwanzig Dollar in der Tasche, bin ich zu dem einzigen Ort gegangen, an dem ich dachte, ihn finden zu können – Rainbow House. Ich habe auf Royals Facebook-Seite ganz viele Bilder und Informationen darüber entdeckt, als ich aus Neugier nach ihm gesucht habe und zum Glück war dieser Ort leicht zu finden gewesen. Als ich durch die Türen der Anlaufstelle für LGBT-Jugendliche kam, wurde ich von Nash begrüßt. Sobald ich Royal erwähnte, hat Nash mich mit nach Hause genommen, damit ich meinen Bruder kennenlernen konnte. Ich war verblüfft, dass es so leicht war, denn ein großer Teil von mir dachte, dass ich wenig Aussicht auf Erfolg hatte, ihn zu finden. Royal hat nicht eine Sekunde gezögert, mich aufzunehmen und das Verfahren auf sich genommen, die Vormundschaft für mich zu bekommen. Ich dachte immer, dass sich das Schicksal so dafür entschuldigen wollte, dass ich bis dahin kein Glück hatte. Ich weiß nicht, wo ich ohne meine Brüder wäre, aber sicher an keinem guten Ort.
Ich fahre mit der Hand über die Stoppeln auf meinem Kinn und dann durch meine feuchten Haare. Es wird gleich trocknen, also treibe ich damit jetzt keinen Aufwand.
»Hey, Leute«, begrüße ich sie, als ich ins Wohnzimmer komme, wo sie auf der Couch sitzen, Netflix gucken und sich mit Kyle unterhalten. Fritz sitzt vor Royal, holt sich Liebe und Streicheleinheiten ab und wedelt wie verrückt mit dem Schwanz. Ich hab mich ein wenig schlecht gefühlt, als ich Fritz bei meinem Auszug mitgenommen habe, da Royal genauso sehr einen Hund gewollt hat wie ich. Aber Nash hat mich davon überzeugt, dass Fritz eine stärkere Verbindung zu mir hat und es nicht fair wäre ihn zurückzulassen. Außerdem hat er versprochen, Royal einen neuen Hund zu besorgen.
»Hey, kleiner Bruder, wie fühlst du dich nach gestern Abend?«, fragt Royal und Belustigung blitzt in seinen Augen auf.
»Das sollte ich dich fragen. Du bist derjenige, den Zade über der Schulter tragen musste«, kontere ich.
»Das war nur ein Trick, damit Zade mich trägt.«
»Klaaar.« Ich pruste und Royal zeigt mir den Mittelfinger.
»Kinder, benehmt euch«, schimpft Nash, kämpft aber gegen ein Lächeln an.
»Entschuldige, Dad«, erwidere ich, mache große Augen und setze meinen besten, unschuldigen Gesichtsausdruck auf.
Zade legt seinen Arm um Nashs Schulter und flüstert ihm etwas ins Ohr, das ihn erröten lässt. Mein Herz zieht sich vor Sehnsucht zusammen, als ich die drei zusammen sehe. Ich weiß, dass es verrückt ist, zwei Männer haben zu wollen, wenn ich noch nicht mal den Mut habe einen anzusprechen, aber es gibt nur wenige Dinge, nach denen ich mich in meinem Leben mehr gesehnt habe.
»Willst du mit zum Essen kommen, Kyle?«, bietet Royal an.
»Nein, danke. Ich bin schlecht drauf. Ich werde mir eine Pizza bestellen und für den Rest des Abends vor dem Fernseher abhängen.«
»Sicher?«
»Ja, aber danke für die Einladung.«
»Jederzeit. Du gehörst auch zur Familie.«
Das kleine Lächeln, das Kyles Lippen umspielt, wärmt mich. Genau wie alle Kids aus dem Rainbow House, wurde Kyle rausgeschmissen, als seine Eltern gesehen haben, wer er wirklich war. Ich habe Kyle schon seit einer Weile zur Familie gezählt und zu hören, dass mein Bruder dasselbe sagt, könnte mich nicht glücklicher machen.
»Lasst uns gehen, ich verhungere«, verkündet Zade, steht von der Couch auf und zieht Nash und Royal dann ebenfalls hoch.
Als wir rausgehen, legt mir Royal einen Arm um die Schultern. Ich bin wirklich der glücklichste Kerl der Welt, diese Familie gefunden zu haben.