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Kapitel 8

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Liam

Ich öffne die großen Vorhänge vor meinen Schlafzimmerfenstern und nehme in Augenschein, wie die Sonnenstrahlen aufs Bett fallen. Wenn wir dieses Shooting in fünf Minuten beginnen können, wird es funktionieren, aber wenn wir später anfangen, muss ich mittendrin aufhören, um meine Beleuchtung aufzubauen.

Es klopft zögerlich an der Tür und mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich kann noch immer nicht glauben, dass ich den Mut aufgebracht habe, Owen zu fragen, ob ich ihn fotografieren darf. Jetzt muss ich mich zusammenreißen und professionell bleiben.

»Komm rein«, rufe ich. Owens Kopf taucht in der Tür auf und ich winke ihn herein. »Kein Grund, schüchtern zu sein.«

»Du hast leicht reden; du bist nicht derjenige, der in zwei Minuten mit nacktem Arsch dasitzt«, grummelt er und ich lache.

»Du hast dich freiwillig gemeldet«, stelle ich klar.

»Ja, also…« Er sieht sich mit hölzerner, nervöser Miene um. »Wie machen wir das genau?«

»Ich gehe raus, während du dich ausziehst. Dann legst du dich ins Bett und bedeckst all die schönen Stellen. Ich mach hier keine pornografischen Aufnahmen«, erkläre ich. »Wenn du dann bereit bist, komme ich rein und mache Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln. Vielleicht musst du die Position wechseln, aber ich verspreche, dass es professionell ablaufen wird. Ich werde nichts sehen und wenn du dich irgendwie unwohl fühlst, sagst du es mir einfach«, fahre ich fort.

»Du hast das schon oft gemacht, hm?«

»Hochzeitsfotografien und so was bezahlen die Rechnungen, aber an diesen künstlerischen Aufnahmen, die in der Galerie landen, hängt mein Herz. Ich mach das sooft ich kann. Der schwierige Teil ist, das richtige Model zu finden, das auch noch mitmacht. Also, danke, dass du zugestimmt hast. Wenn die Serie fertig ist, wird sie Ende nächsten Monats in einer Galerie ausgestellt.«

»Das ist großartig.« Owen atmet tief ein und er scheint einen Entschluss zu fassen. »Okay, tun wir's.«

»Super, ich gehe raus und bin in ein paar Minuten wieder da.«

Ich gehe in den Flur und schließe die Tür hinter mir. Ich lehne mich an die Wand und versuche angestrengt, mir nicht vorzustellen, wie Owen langsam seine Klamotten auszieht und unter meine Laken schlüpft. Na ja, nicht meine Laken. Ich habe spezielle Bettwäsche für diese Shootings. Es wäre seltsam, wenn ein ganzer Haufen fremder Männer meine Laken benutzt. Ich scrolle durch mein Handy und zwinge mich, nicht zu früh wieder reinzugehen. Ich muss ihm die Chance geben, sich auszuziehen und es sich bequem zu machen.

»Was ist los?«, fragt Kyle, als er durch den Flur zu seinem Zimmer geht.

»Ich hab ein Fotoshooting mit Owen. Ich warte nur, bis er fertig ist.«

Kyle reißt die Augen auf. »Oh mein Gott, du bist so schamlos. Du lässt diesen armen Mann nackt in dein Bett steigen, damit du ihn angaffen kannst?«, wirft er mir vor und ich werde wütend.

»Ich begaffe ihn nicht«, widerspreche ich. »Ich bin Künstler und er ist genau das Model, dass ich für die Serie brauche, die ich in der Galerie zeigen will. Nur weil ich zufällig mächtig in ihn verknallt bin, heißt das nicht, dass er weniger perfekt für dieses Shooting ist. Ich werde professionell sein und genau deshalb bin ich hier draußen und sehe leider nicht, wie er sich auszieht.«

»Tja, viel Glück damit«, sagt Kyle, ehe er in sein Zimmer geht und die Tür hinter sich schließt.

Ich sehe nach, um sicherzugehen, dass genug Zeit vergangen ist, ehe ich vorsichtig an meine Tür klopfe. »Bist du so weit?«

»Ja«, kommt es von Owen zurück.

Ich atme tief durch und öffne die Tür. Mir stockt der Atem, als ich Owen in meinem Bett sehe. Die seidigen Laken liegen über seinen Hüften und seine breite Brust ist vollständig entblößt. Seine Tattoos glühen förmlich in den Sonnenstrahlen, die auf das Bett fallen. Er liegt irgendwie gerade und steif da, weiß eindeutig nicht, was er tun soll, und sofort übernimmt der künstlerische Teil meines Gehirns die Führung.

Ich schnappe mir meine Kamera und klettere auf die Trittleiter neben meinem Bett, um den Winkel zu überprüfen.

»Leg den linken Arm hinter den Kopf und den rechten ganz entspannt an deine Seite«, weise ich ihn an. »Und leg den Kopf ein Stück zurück und schließ die Augen.« Er gehorcht und ich mache ein Foto. »Winkel das linke Knie an und krall die rechte Hand in die Laken. Und dann versuch, dein Gesicht irgendwie zu entspannen. Ich will einen ekstatischen Ausdruck.«

Owen mustert mich eine Sekunde skeptisch, ehe er den Anweisungen folgt. Klick, klick, klick.

»Das sieht toll aus, aber dein Gesichtsausdruck ist noch nicht richtig. Stell dir vor, du würdest einen Blowjob bekommen. Das ist der Ausdruck, den ich will.«

Owen reißt die Augen auf. »Gott, es ist eine Ewigkeit her, dass ich einen Blowjob bekommen hab. Ich bin nicht sicher, ob ich mich daran erinnere, wie es sich anfühlt.«

Mein Magen überschlägt sich und ich beiße mir auf die Zunge, um ihm nicht anzubieten, ihm da auszuhelfen.

»Na ja, ich bin sicher, du erinnerst dich, wie sich ein Orgasmus anfühlt, also denk daran«, schlage ich vor und Owen rutscht etwas unbehaglich hin und her.

»Ich dachte, du hast gesagt, es wäre kein Porno«, grummelt er.

»Oh gütiger Gott, ich bin ein bisschen besorgt, wenn du das hier für Porno hältst«, necke ich ihn. »Ich kann dir ein paar gute Links schicken, wenn du Hilfe bei richtigen Pornos brauchst. Worauf stehst du? Einzelszenen? Dreier? Frotting? Ich hab viele Optionen für dich.«

»Es ist wirklich schwer, dich als Royals kleinen Bruder zu sehen, wenn du so redest.«

Vielen Dank, lieber Gott!

»Ist das ein Problem für dich?«, frage ich, schieße noch ein paar Fotos und klettere dann die Leiter hinunter, um einen anderen Blickwinkel zu bekommen.

»Ich denke nicht, ich muss mich nur umstellen. Ich erinner mich noch an den Tag, als ich zum ersten Mal ins Heathens gekommen bin und du mit Royal da warst. Du hast so schüchtern und süß ausgesehen, aber ich denke, wir beide wissen, dass das nicht stimmt«, stichelt er und ich drücke auf den Auslöser, um den verspielten Gesichtsausdruck nicht zu verpassen. Dieses Foto kommt in meine private Sammlung.

»Erzähl Royal nichts hiervon; er ist extrem überfürsorglich«, sage ich unnötigerweise. Es ist allgemein bekannt, dass mein Bruder, so albern und unreif er auch sein kann, zu einer Bärenmutter mutiert, wenn es um mich geht.

»Kumpel, ich hatte nicht vor, Royal zu sagen, dass ich nackt in deinem Bett war. Mir gefallen meine Eier da, wo sie sind, vielen herzlichen Dank.«

Ich lache schnaubend und schieße noch ein Foto, als Owen lächelt. Anschließend richte ich die Laken etwas anders aus und knie mich neben das Bett, um eine gute Perspektive seines Körpers zu bekommen und vergewissere mich, dass das Licht genau richtig auf seine Tattoos fällt.

»Deine Tattoos sind perfekt. Vielen Dank, dass du mitmachst«, sage ich, als ich herumrutsche und weitere Fotos schieße. Wenn ich in Photoshop ein wenig mit der Sättigung spiele, werden sie atemberaubend sein.

»Kein Problem. Ist ja nicht so, als hätte ich an meinem freien Tag was Besseres vor«, sagt er und zuckt zusammen. »Scheiße, das klingt jämmerlich.«

»Du gehst nicht mehr so häufig aus wie sonst«, bemerke ich. Owen runzelt die Stirn und ich mache schnell ein Foto, bevor sein Gesichtsausdruck wieder neutral wird.

»Es wurde irgendwie langweilig, eine Beziehung nach der anderen zu haben. Ich hab immer erwartet, dass die perfekte Person einfach so in mein Leben spazieren wird und so langsam glaube ich, dass das idealisierter Schwachsinn ist. Vielleicht gibt es keine perfekte Person, sondern einfach mehr verkorkste Menschen wie mich.«

»Verkorkst ist in Ordnung, solange es eine Art von verkorkst ist, die zu deiner passt«, überlege ich. »Nicht, dass ich ein Datingexperte bin oder so.«

»Was ist mit Kyle?«, fragt Owen.

»Oh, wir waren nie zusammen. Wir haben als Teenager nur ein bisschen rumgemacht«, erkläre ich schnell. »Wyatt hat versucht, mich dazu zu bringen auszugehen, aber es ist… anstrengend«, gebe ich zu.

»Das ist verständlich. Vielleicht musst du zuerst mit jemandem ausgehen, den du kennst? Wie Radfahren mit Stützrädern?«

Ich lache leise. »Ich schätze, dass Kyle das irgendwie war, aber ich will jetzt etwas Echtes. Vermutlich muss ich irgendwann einfach mutig genug sein mich hineinzustürzen.« Ich mustere Owen, der sich jetzt in meinem Bett wohlzufühlen scheint und frage mich, ob ich je den richtigen Zeitpunkt erwischen werde, ihm zu sagen, was ich empfinde.

»War's das?«, fragt er, als ihm auffällt, dass ich den Auslöser nicht mehr drücke.

»Oh nein. Du musst dich umdrehen. Und versuch, mir nicht deinen nackten Hintern zu zeigen.« Ich zwinkere ihm zu, um die Stimmung aufzulockern. Er bedeckt seinen Unterkörper mit den Laken, als er sich auf den Bauch dreht, und zeigt mir leider keine nackte Haut. Mein Mund wird ganz trocken, als ich sehe, wie sich das Laken an seinen runden Hintern schmiegt. Ich kann mir gut vorstellen, wie es sein würde, hinter ihm aufzuwachen und mich an seinem Hintern zu reiben, vielleicht einen Finger zwischen seine Pobacken zu schieben und mit seinem Eingang zu spielen…

Ich schüttle die Gedanken ab, werde aber das heiße Kribbeln nicht los, das sich bei der Vorstellung auf meiner Haut und zwischen meinen Beinen ausbreitet.

Das Laken rutscht an seinem rechten Oberschenkel nach oben und mir stockt der Atem, als ich das komplizierte Muster dort entdecke.

Ohne nachzudenken schiebe ich das Laken weiter nach oben und mustere die schwarzen Linien, die von seinem Knie bis… Ich kann nicht einmal sehen, wie weit sie nach oben reichen, aber sie scheinen ganz sicher bis zu seinem Hintern zu gehen.

Meine Fingerspitzen streichen über seine Haut und ein Ruck geht durch mich hindurch, als Owen ein leises Geräusch von sich gibt.

»Entschuldige.« Ich reiße meine Hand zurück, kann den Blick aber nicht von dem Tattoo lösen. Ich lege beide Hände wieder an die Kamera und mache ein paar Fotos von seinem Bein und wie das Laken um ihn Falten wirft.

»Schon in Ordnung«, versichert mir Owen mit belegter Stimme. »Es ist ein Maori-Design, aber es wurde nicht mit der Maori-Methode gestochen. Royal hat es letztes Jahr für mich gemacht. Ich glaube, alles in allem hat es vierzig Stunden gedauert.«

»Wow«, murmle ich und widerstehe dem Drang, ihn noch mal zu berühren. »Es ist wunderschön.«

»Danke«, antwortet er, ehe er sich räuspert und unbehaglich hin und her rutscht. »Also, warum machst du das in deinem Zimmer? Es scheint etwas… intim zu sein?«

»Ja, manchmal ist es irgendwie seltsam. Das ist nicht meine normale Bettwäsche, falls das hilft.«

Owen lacht und ich mache ein Foto von seinem breiten Lächeln und den kleinen Fältchen um seine Augen.

»Das hilft wirklich. Aber warum hier?«

»Ich hab in meinem Atelier keinen Platz für dieses Set-up. Irgendwann will ich in größere Räumlichkeiten umziehen und ein Set für Boudoir-Fotografien aufbauen. Ich hatte diese Idee…« Ich unterbreche mich und spüre, wie mir Hitze in die Wangen steigt, als mir klar wird, dass ich Owen beinahe etwas erzählt hätte, von dem niemand weiß – nicht einmal Kyle und Alex wissen von diesem lang gehegten Traum.

»Was für eine Idee?«, fragt Owen leichthin. Er schließt im Sonnenlicht die Augen und macht es mir so leicht, mir vorzustellen, es wäre echt – Owen in meinem Bett, nackt, wie wir über unsere Hoffnungen und Träume sprechen, nachdem wir uns gegenseitig ins Schwitzen gebracht haben. Mein Herzschlag dröhnt in meinen Ohren und ich mache schnell hintereinander ein paar Fotos. »Also?«

»Hm?« Ich vergesse eine Sekunde die Frage und versuche angestrengt, die angenehme Fantasie abzuschütteln, die sich in meine Gedanken geschlichen hat. »Oh, es ist irgendwie albern, aber ich stehe wirklich auf Boudoir-Fotografie, weil ich es liebe, wie sie den Leuten so viel Selbstbewusstsein in Bezug auf ihre Körper und Sexualität geben kann. Ich dachte, dass ich eventuell Transkunden damit ansprechen könnte. Ich glaube, es wäre schön, Menschen wie mir zu helfen, sich selbstbewusst und sexy zu fühlen.«

»Das ist eine tolle Idee.«

»Wirklich?«

»Auf jeden Fall.«

Als das Shooting vorbei ist, suche ich verzweifelt nach einem Weg, das nicht zu verlieren, was auch immer in den letzten Stunden zwischen uns erblüht ist. Es liegt mir auf der Zunge, Owen einfach zu fragen, ob er mit mir ausgehen will, aber ich kann meine Lippen nicht dazu bringen, die Worte zu formen. Stattdessen sehe ich mit einer schmerzhaften Sehnsucht in der Brust, die zu einem ständigen Begleiter geworden ist, zu, wie er aus meiner Wohnung verschwindet.

Heathens Ink: Meine Herzensbrecher

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