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Kapitel 2

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Wyatt

Mit einem Getränkehalter aus Pappe in einer Hand, öffne ich mit meinem Sicherheitsausweis die Tür, um ins Rainbow House zu gelangen. Eine friedliche Stille begrüßt mich und ich lächle. Ich liebe diese Zeit am Morgen, kurz bevor die Bewohner aufwachen.

Ich schalte das Flurlicht an und gehe zu den Büros, wo ich mit Sicherheit schon jemanden vorfinden werde. Auch zur unchristlichen Zeit von sechs Uhr morgens.

»Du siehst nach gestern Abend gar nicht schlecht aus«, sage ich, als ich Becks Büro betrete und seinen großen Soja-Latte auf den Tisch stelle.

Beck sieht von seinem Computer auf, seine Lippen sind zartrot geschminkt und seine Wimpern unendlich lang.

»Das liegt am Concealer, Süßer. Der kann selbst den entsetzlichsten Kater verbergen«, erklärt Beck grinsend und nimmt seinen Kaffee. »Danke. Ich hatte heute Morgen keine Zeit, mir was zu holen und weiß den Kaffee sehr zu schätzen.«

»Jederzeit. Du hattest noch nicht die Möglichkeit, mit Liam zu sprechen, oder? Er hat es letzte Nacht ziemlich krachen lassen.« Ich gebe mein Bestes, lässig zu klingen, nehme mein eigenes Getränk aus dem Halter, trinke einen großen Schluck und verbrenne mir den Mund. Allerdings lenkt es mich effektiv davon ab, wie mein Körper in den letzten Monaten auf Liam reagiert hat.

»Hab ich Liam nach seinem 21. Geburtstag vor sechs Uhr morgens angerufen?« Beck hebt eine seiner perfekt gezupften Augenbrauen. »Nein, das kann ich nicht behaupten.«

»Gutes Argument.« Ich lache leise. Wow, das mit dem lässig hab ich wirklich drauf.

»Warum interessiert dich das überhaupt?«

Verdammt.

»Wir sind Freunde, das weißt du doch.«

»Mhm.« Beck grinst und ich frage mich, ob er mich durchschaut. Falls ja, kann er mir vielleicht erklären, was gerade in meinem verwirrten Kopf vorgeht.

Ich habe vor drei Jahren angefangen, ehrenamtlich im Rainbow House zu arbeiten. Liam habe ich während meiner ersten Woche kennengelernt. Damals war er 18 und wir haben uns schnell bei schlechten Fernsehsendungen und zu viel Kaffee angefreundet. Er hatte gerade seine Oberkörperoperation hinter sich und war kein großer Fan des Therapeuten, zu dem er ging, also habe ich ihm meinen Freund Alex empfohlen, der selbst trans ist und sich darauf spezialisiert hat, anderen Transmenschen zu helfen.

Ich habe erlebt, wie sich Liam von einem unbeholfenen Teenager zu einem selbstbewussten Mann entwickelt hat und ich bewundere ihn wahnsinnig. Aber seit etwa einem Monat fühlt sich etwas zwischen uns anders an. Es ist eine neue Energie, die ich nicht mal annähernd beschreiben oder verstehen kann.

»Ich bringe Mary besser ihren Kaffee, bevor er kalt wird.«

Beck legt den Kopf schräg und hebt seinen Becher, um sich noch einmal zu bedanken, ehe ich in das Büro neben seinem gehe. Mary ist so munter wie immer und begrüßt mich mit einer mütterlichen Umarmung, bevor sie ihren Kaffee nimmt und an mir vorbeihuscht, um in der Küche das Frühstück für die vielen Teenager vorzubereiten, die bald aufstehen werden.

Als ich auf dem College meinen Abschluss in Psychologie achte, habe ich davon geträumt, an einem Ort wie dem Rainbow House zu arbeiten. Es ist genau der Ort, von dem ich mir gewünscht hätte, ich hätte ihn zu meiner Teenagerzeit gekannt, als ich in einer homophoben Kleinstadt mitten im Nirgendwo in Utah aufgewachsen bin.

Wie ich in Seattle gelandet bin… Ich nenne es Zufall. Mein bester Freund Jace besteht gern darauf, dass es Schicksal war. Ich bin nicht sicher, wie weit das Schicksal damit zu tun hatte, dass mir nach dem Abschluss eine anständige Position in einem Therapiezentrum angeboten wurde. Das war vor sieben Jahren und seitdem habe ich hier ein Zuhause gefunden – Freunde, mittlerweile habe ich eine eigene Praxis und den Großteil meiner Freizeit verbringe ich mit der ehrenamtlichen Arbeit im Rainbow House. Es ist ein verdammt gutes Leben, wenn auch etwas einsam, wenn ich nachts in mein leeres Bett krieche.

Ich gehe in mein eigenes Büro, fahre den Computer hoch und nehme noch einen großen Schluck von meinem Kaffee.

Ein paar Stunden bin ich damit beschäftigt, Akten zu schreiben und nach meinen Patienten zu sehen, bis mein Magen am späten Vormittag zu grummeln beginnt.

Ich stehe auf und strecke stöhnend die Arme. Scheiße, ich werde alt. Okay, 31 ist nicht so alt, aber ich fühle mich uralt. Noch ein Grund mehr, warum sich die Schmetterlinge in Bezug auf Liam beruhigen sollten. Er ist zehn Jahre jünger als ich und noch immer in der Phase seines Lebens, in der er mit verschiedenen Menschen ausgehen sollte. Ich hingegen bleibe nachts wach und träume von jemandem, mit dem ich sesshaft werden kann. Das ist eine schlechte Kombination und dabei bleibt es.

Das heißt natürlich nicht, dass ich ihm nicht schreiben und mich nach ihm erkundigen kann. Er ist immer noch einer meiner engsten Freunde.

Wyatt: Wie fühlst du dich?

Liam: Tot. Ich werde nie wieder so viel trinken. Man sollte meinen, ich wüsste es mittlerweile besser.

Wyatt: Mittlerweile? Warum? Du bist gerade erst 21 geworden. Willst du andeuten, dass du *keuch* schon Alkohol getrunken hast, bevor du es legal durftest?

Liam antwortet mit einem Emoji mit schrägen Augen, die, glaube ich, ein Augenverdrehen darstellen sollen und gefolgt von einem mit einem Heiligenschein. Ich lache leise und die Schmetterlinge machen wieder diese verrückte Sache.

Wyatt: Ich muss was essen; hast du Zeit, dich mit mir im Deli zu treffen?

Liam: Ja, ich hab um zwölf einen Termin mit Owen für ein neues Tattoo. Abgesehen davon hab ich Zeit. Ich dachte mir, dass es besser ist, keine Kunden für einen Fototermin für den Tag nach meinem 21. Geburtstag anzunehmen.

Wyatt: Gut mitgedacht. Treffen wir uns in fünfzehn Minuten?

Liam: Cool.

Ich fahre den Computer herunter, lege meine Akten in den abschließbaren Schrank und mache mich lächelnd auf den Weg.

Liam wartet schon auf mich, als ich das Deli erreiche. Ich bemerke ihn, bevor er mich entdeckt und ich starre ihn ein paar Sekunden an, während er sich mit den Händen durch seine hellbraunen Haare fährt und dem Kerl hinter der Theke flirtende Blicke zuwirft. Der Mann erwidert sein Lächeln und mustert Liams schlanken Körper bewundernd.

Ein Teil von mir möchte zu ihnen marschieren, sich vor Liam stellen und diesen Deli-Typen – sein Name ist Tom, so gern ich auch kleinlich sein und so tun möchte, als wüsste ich das nicht, kann ich es einfach nicht – davon abhalten Liam anzusehen. Aber der andere Teil von mir strahlt, weil Liam flirtet und lächelt. Ich habe ihn gedrängt, sich zu öffnen und es mit Dating zu versuchen und ich habe kein Recht, jetzt sauer zu sein, weil es so aussieht, als würde er meinem Vorschlag folgen.

Liams Blick wandert in meine Richtung und er winkt mich zu sich. Die Begeisterung in seinem Lächeln wärmt mich bis tief in mein Inneres.

»Du siehst etwas mitgenommen aus, nachdem du gestern getrunken hast, alter Mann«, neckt mich Liam, als ich mich neben ihn stelle.

»Erinner mich nicht an mein fortgeschrittenes Alter«, sage ich trocken.

»Du hast recht; ich muss den Älteren gegenüber respektvoller sein«, antwortet er weise und ich kann nicht widerstehen, ihm in die Seite zu kneifen, sodass er sich vor Lachen krümmt. »Hey, Kitzeln ist gegen die Regeln eines fairen Kampfes.«

»Genauso, wie sich über das Alter des Gegners lustig zu machen.«

»Waffenstillstand.« Liam hebt die Hände, die Augen weit aufgerissen und mit unschuldigem Blick – ja, sicher, als würde ich ihm das abkaufen.

»Ich benehme mich, solange du es tust.«

»Ich hab dein Truthahn-Sandwich, Liam«, sagt Tom und schiebt einen Teller über die Theke.

»Danke.« Liam schenkt ihm ein weiteres Lächeln, von dem ich mir wünsche, es würde mir gelten, ehe er zur Seite tritt, damit ich bestellen kann.

»Was für ein neues Tattoo bekommst du heute?«, frage ich, sobald ich mein Essen habe und wir in der Nähe des großen Fensters sitzen.

»Die Transflagge auf meiner Hüfte«, antwortet Liam mit vollem Mund und eine leichte Röte schleicht sich auf seine Lippen. Hm, ich frage mich, warum er verlegen ist.

»Das ist cool. Ich glaube, ich bin zu spießig, um mich tätowieren zu lassen.«

»Spießig?« Liam schnaubt. »Du bist echt ein Trottel, Wyatt, und dafür liebe ich dich.«

»Wäre dir Gartenzwergenthusiast lieber?«

Liam krümmt sich vor Lachen, Limo schießt ihm aus der Nase und läuft ihm übers Gesicht.

»Oh mein Gott, du kannst doch sowas nicht sagen, wenn ich trinke. Die Kohlensäure ätzt mir noch den Nasengang weg«, schimpft er.

Als sein Lachen abebbt und er weiterisst, fällt mir auf, dass Tom Liam wieder interessiert mustert.

»Er steht auf dich«, sage ich und deute mit dem Kinn in Toms Richtung, damit Liam weiß, wen ich meine.

»Wer?«, fragt er und schiebt sich ein paar Pommes in den Mund. Erneut nicke ich in Toms Richtung und Liam sieht hinüber. »Tom?«

»Ja, Tom.« Ich schwöre, dieser Junge hat keine Ahnung, wie viel Aufmerksamkeit er manchmal auf sich zieht. Es ist nicht nur sein süßes Junge von nebenan-Aussehen. Liam erhellt Räume; er zieht die Menschen an.

»Ach was, Tom und ich flirten ein bisschen, aber er steht nicht auf mich.«

»Er hat dich die ganze Zeit angesehen.«

»Ja, aber…« Liam verstummt und schüttelt den Kopf.

»Du willst es ihm nicht sagen?«, rate ich und Liam verdreht die Augen.

»Hey, du hast mich zu Alex als Therapeut abgeschoben, also tritt ihm jetzt nicht auf die Zehen.«

»Ich hab dich nicht abgeschoben. Außerdem solltest du froh sein, dass ich dich zu Alex geschickt hab. Wenn du mein Patient wärst, könnten wir nicht so befreundet sein. Aber zurück zur Sache, es ist in Ordnung, wenn du noch nicht bereit bist, mit jemandem auszugehen, aber wenn du neben Alex jemanden zum Reden brauchst, bin ich als Freund immer für dich da.«

»Ich weiß. Und es ist nicht so, dass ich nicht bereit bin. Ich glaube eher, dass ich einfach auf die richtige… Person warte.«

So, wie Liam es sagt, frage ich mich, ob er jemand Bestimmtes im Sinn hat. Er verbringt den Großteil seiner Zeit mit den Freunden seines Bruders, von denen die meisten in Beziehungen stecken, oder mit Kyle. Ich weiß, dass Kyle und er als Teenager etwas miteinander hatten, aber das ist lange her und seitdem sind sie nur Freunde. Wer könnte es also sein?

»Oh Scheiße, es ist fast zwölf. Ich muss zum Heathens«, sagt Liam und stopft sich den Rest des Sandwichs in den Mund.

Heathens Ink ist das Tattoostudio, in dem sein Bruder arbeitet. Es gehört Adam und Gage, Becks Ehemann. Es ist ein bisschen seltsam, dass ich die einzige Person ohne Tattoos bin, die ich kenne. Vielleicht sollte ich mir ein kleines stechen lassen, an einer versteckten Stelle, wo es nur ein Liebhaber finden könnte. Der Gedanke ist ziemlich aufregend. Ich sollte definitiv noch einmal darüber nachdenken.

»Danke, dass du dich mit mir getroffen hast, damit ich nicht allein essen muss.«

»Ich helfe dir immer gern, weniger erbärmlich zu wirken«, zieht Liam mich auf und ich schüttle den Kopf. »Wir sehen uns später.«

Als Liam zur Tür huscht, werfe ich unwillkürlich verstohlen einen Blick auf seinen süßen, kleinen runden Hintern. Ich komme so was von in die Hölle.

Heathens Ink: Meine Herzensbrecher

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