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1. »Jetzt haben wir endlich wieder Religion« – Religionsunterricht in der Sicht von Kindern

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»Jetzt haben wir endlich wieder Religion« ist eine Aussage, die nach Anton A. Bucher auf 78,3 % der Grundschülerinnen und -schüler zutreffen könnte. Im Vergleich mit anderen Schulfächern rangiert der Religionsunterricht mit Musik hinter Sport und Kunst auf dritter Stelle der Beliebtheitsskala und findet bei den Schülerinnen und Schülern deutlich mehr Anklang als die Fächer Deutsch oder Mathematik: Mehr als drei Viertel der befragten Kinder assoziieren mit dem Religionsunterricht ein oder sogar zwei glückliche Gesichter auf dem ihnen vorgelegten Fragebogen (vgl. BUCHER 2000b, 89 f.). Vergleichbar positiv ist darüber hinaus die Einschätzung der Wichtigkeit des Faches für das eigene Leben: 49,3 % »sehr«, 28,4 % »etwas«, 14,3 % »nicht so«, 8,1 % »überhaupt nicht«.

Aber was lernen die Kinder in ihrer eigenen Wahrnehmung? 89 % sagen, sie hätten viel über Jesus gelernt, 85 % über Gott. In der Rangliste der häufigsten Inhalte folgen dann Bibel und Kirche. Die Inhalte »Was ich glauben soll«, »Wie ich richtig leben soll«, »Wie ich glücklich werden kann« werden aus Sicht der Schülerinnen und Schülern seltener thematisiert, ebenso wie »andere Religionen«, die sogar den letzten Platz belegen. Hohe Lerneffekte werden konkreten theologischen Inhalten attestiert, Ichbezogene Themen werden hingegen verhaltener bewertet (vgl. BUCHER 2000b, 91).

Wovon aber hängen Beliebtheit, Wichtigkeit und Effizienz des Faches Religion ab? Sind es vorwiegend äußere Faktoren wie Wohnumgebung, Alter, Geschlecht, religiöse Sozialisation oder sind es Faktoren, die überwiegend zum beeinflussbaren Binnengeschehen des Unterrichts gehören und folglich bei der Unterrichtsplanung, -gestaltung sowie -evaluation gezielt forciert werden können?

Einfluss äußerer Faktoren: Region und Sozialisation, Alter und Geschlecht

Entgegen erster Vermutungen spielt bei der Wertschätzung des Faches Religion die Region oder die Wohnumgebung keine signifikante Rolle, die Konfessionszugehörigkeit eine nur sehr schwache. Sowohl für die nördliche als auch für die südliche Region gilt gleichermaßen, was Grundschullehrerinnen und -lehrer immer wieder registrieren: Die religiös-kirchliche Erziehung im Elternhaus erfolgt eher am Rande; das Erzählen biblischer Geschichten, das Tischgebet und das Erzählen von Gott nehmen keinen besonderen Stellenwert in heutigen Familien ein. Häufiger geben Kinder an, mit den Eltern vor dem Einschlafen zu beten (24 % oft, 15 % selten) und – wahrscheinlich etwas geschönt – mit ihnen manchmal oder sogar oft in die Kirche zu gehen (je 30 %) (vgl. BUCHER 2000a, 49 f.). Obwohl religiös stark Sozialisierte den Religionsunterricht signifikant als effektiver einstufen, schätzen auch gering oder nicht religiös erzogene Kinder den Unterricht durchaus als für sie lebensrelevant ein, ca. 40 %. Letzteres ist ein bemerkenswertes Ergebnis von schulischen Bemühungen in der Primarstufe: Anscheinend gelingt es Religionslehrerinnen und -lehrern, auch bei Kindern, die wenig bis kaum religiös sozialisiert sind, ein positives Verhältnis zu ihrem Fach aufzubauen (vgl. BUCHER 2000b, 101–103). Dies sollte aber nicht dahingehend gedeutet werden, dass der Religionsunterricht den Ausfall religiöser Primärsozialisation ohne Weiteres kompensieren könnte.

Deutlicher als Wohnumgebung und Konfessionszugehörigkeit beeinflusst die Geschlechtszugehörigkeit die Einschätzung: Für Mädchen ist der Religionsunterricht insgesamt wichtiger für ihr Leben und auch beliebter, während er bei Jungen in dieser Hinsicht eine geringere Resonanz erzeugt. Anscheinend fühlen sich Jungen im Religionsunterricht persönlich weniger ernst genommen und sowohl inhaltlich als auch methodisch in geringerer Weise angesprochen. So geben in der explorativen Studie von Doris Baum die befragten Jungen mehrheitlich an, dass sie nicht so gerne Bilder malen oder legen, weniger gern tanzen und Lernspiele weniger attraktiv finden als ihre Altersgenossinnen (vgl. BAUM 2008, 68–72; BUCHER 2000a, 46). Von Jungen werden praktische Tätigkeiten, bei denen sie selbst aktiv sind, etwas Neues erleben oder ausprobieren können, bevorzugt. Insofern sollten in einem geschlechtergerechten Religionsunterricht die Bedürfnisse und Interessen der Jungen bei der Planung und Gestaltung nicht aus dem Blick geraten. Deutliche Unterschiede zeigen sich neben dem Faktor Geschlecht laut Bucher im Blick auf das Alter: »Je älter die Schülerinnen und Schüler, desto geringer die Beliebtheit des Faches, desto geringer auch die ihm zugeschriebene Lebensrelevanz« (BUCHER 2000a, 40).

Beeinflussbare Binnenfaktoren des Unterrichts: Wohlbefinden, Tätigkeit, Themenangebot

Inwieweit beeinflusst das religionsdidaktische Profil des Religionsunterrichts die von Kindern vorgenommene Bewertung? Welche Binnenfaktoren des Unterrichts tragen in erkennbarem Maße dazu bei, dass Kinder in der Grundschule dieses Fach als beliebt, wichtig und effizient einschätzen? Laut Anton A. Bucher erweisen sich folgende Faktoren als signifikant:

  Wenn die Lehrenden von den Kindern überwiegend als freundlich erlebt werden, steigert dies das persönliche Wohlbefinden und das Engagement im Religionsunterricht deutlich. Und dies ist bei der Mehrheit der Kinder der Fall, denn 80 % der befragten Grundschülerinnen und -schüler erleben ihren Lehrer / ihre Lehrerin »sehr oft« als freundlich; nur 2 bzw. 5 Prozent hingegen »nie« oder »nur selten«. Insgesamt erweist sich das Wohlbefinden als wesentlicher Faktor: Wer sich im Religionsunterricht wohlfühlt, schätzt diesen in der Regel auch als bedeutsam und effizient ein (vgl. BUCHER 2000b, 95).

  Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung der Methoden für die Beliebtheit und Wichtigkeit des Religionsunterrichts. Zu den fünf beliebtesten Tätigkeiten zählen für Kinder in Reihenfolge der Aufzählung »Feste vorbereiten und feiern«, »zeichnen und malen«, »Filme schauen«, »Lieder singen« und »Bibelgeschichten«. Überraschend oft wird auch das Beten positiv assoziiert (vgl. BUCHER 2000a, 45). Weniger beliebt sind Hefteinträge und Stilleübungen. Religion als Unterrichtsfach ist im Vergleich zu anderen Fächern der Grundschule umso beliebter, je aktiver die Kinder sein können und je handlungsorientierter er sich präsentiert. Diese Beobachtung deckt sich mit Untersuchungen darüber, was Kinder glücklich macht: Glück als Ergebnis intensiver und gelingender Aktivität, die den Kindern etwas zumutet, ihrer Aktivitätslust entgegenkommt und echte Anerkennung findet (vgl. BUCHER 2001, 259 f.). Jedoch weisen die expressiven und gestalterischen Tätigkeiten, obwohl sie bei den Schülerinnen und Schülern offensichtlich beliebter sind, keinen größeren Einfluss auf die Lerneffekte des Religionsunterrichts aus als traditionelle Methoden, wie beispielsweise Hefteintrag oder Lehrererzählung (vgl. BUCHER 2000b, 98; 102 f.).

  Die Inhalte des Religionsunterrichts in der Grundschule sind in der Wahrnehmung der Kinder mehrheitlich theologisch profiliert (Gott, Jesus, Heilige, Bibel, Kirche). Lebenskundliche Themen (z. B. Glück, Armut, Dritte Welt) werden im Vergleich dazu seltener genannt. Abhängig von der wahrgenommenen Intensität der inhaltlichen Aufbereitung können aber theologische wie lebenskundliche Themen die Wichtigkeit, Beliebtheit und Effizienz des Fachs erhöhen (vgl. BUCHER 2000b, 100).

  Je häufiger die Disziplin gestört wird, desto geringer sind die Beliebtheit und die Wichtigkeit des Faches (vgl. BUCHER 2000a, 44). Allerdings attestierten die befragten Schülerinnen und Schüler dem Religionsunterricht keine merklich höhere Lärm- oder Störungsbelastung als anderen Fächern (vgl. BUCHER 2000b, 94).

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