Читать книгу Gott war dort, aber sie ist schon wieder fort - Kurt F. Stangl - Страница 18

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Naabwenden, Mai 1984

Nach dem Besuch der Herbstmesse in Schwandorf verbrachte Johanna viele Monate damit, die gehörten und gelesenen Argumente zu überdenken und das Für und Wider der ›friedlichen Nutzung‹ von Kernkraft abzuwägen. Nach langen Nächten des Grübelns kam sie zu der Entscheidung, etwas gegen den Bau der WAA zu unternehmen.

Wochen nach ihrem Entschluss kam Frau Schottenhamml, eine langjährige Kundin, wie jeden Dienstag mit dem Glockenschlag dreiviertel sechs in den Laden. Mehr als ihre Pünktlichkeit und ihre Kaufgewohnheiten kannte Johanna nicht von ihr, nicht einmal ihren Vornamen wusste sie. Die Kundin nahm immer das Gleiche. Dienstags zwei Käsekreiner und 125 g aufgeschnittene Gelbwurst, am Samstag 100 g Schweinebraten, zwei Pfälzer und 150 g Aufschnitt.

Aus einem ihr unbekannten Grund versuchte Johanna besonders freundlich zu der Kundin zu sein. Wahrscheinlich lag es an ihrer Phantasie: Sie sah die dezent gekleidete Frau mit ihrer streng frisierten Haarpracht alleine in einer penibel aufgeräumten Küche sitzen, in der sie jeden Dienstagabend die dürren, zusammengebratenen ›Kaaswürst«, wie Johanna die Kreiner nannte, aß.

Bei jedem Besuch der Schottenhamml verlief der Einkauf nach dem gleichen Ritual. Johanna grüßte und lächelte die einsilbige Kundin an, die den Gruß mit einem »Grüß Gott. Zwei Käsekreiner und 125 g aufgeschnittene Gelbwurst, bitte« erwiderte. Johanna packte die Wurst ein und reichte sie über die Theke, wo ihr im Gegenzug das exakt abgezählte Geld gereicht wurde. Die ansonsten unauffällige Frau steckte die Ware in ihre Einkaufstasche und verließ den Laden. Nicht jedoch an diesem Tag. Stattdessen fragte sie nach dem Bezahlen: »Frau Schön, ich hätte ein paar Flugblätter von meinem Verein. Könnten Sie die bitte hier auslegen?«

Johanna antwortete freundlich: »Ja, legen Sie sie doch gleich neben die anderen Zettel dort drüben auf den Tisch.«

»Danke.«

Zum ersten Mal sah Johanna den Anflug eines Lächelns auf dem strengen Gesicht. Nachdem sich die Tür hinter der Kundin geschlossen hatte, trieb die Neugier Johanna in den Kundenraum. Sie war äußerst gespannt zu erfahren, welchem Verein Frau Schottenhamml angehörte. ›Hoffentlich nicht den Zeugen Jehovas‹, dachte sie, während sie eines der orangefarbenen Blätter nahm und zu lesen anfing. Im Kopf der Seite stand in großen Buchstaben: ›BI Naabwenden gegen eine Wiederaufarbeitungsanlage im Landkreis Schwandorf‹. In der Mitte waren die Worte ›Wir laden Sie herzlichst zu unseren Treffen ein‹ hervorgehoben. Es folgten eine Reihe von Terminen und der Treffpunkt. Johanna beschloss, die Einladung anzunehmen.

Mit klopfendem Herzen und feuchten Handflächen betrat sie wenige Tage später das Gastzimmer im Wirtshaus zum Falken, in dem sich die Bürgerinitiative alle vierzehn Tage traf. Ihre Nervosität kam nicht nur daher, dass die Brauhäuser ihrer Familie und der des Falkenwirts Gabriel Hausknecht seit Jahrhunderten im Streit lagen, sondern es war ihr auch grundsätzlich unangenehm, einen unbekannten Raum zu betreten, in dem sich ihr fremde Menschen aufhielten. Jedes Mal in einer solchen Situation schien es ihr, als richtete sich jedes im Zimmer befindliche Augenpaar auf sie und als blieben die Blicke pelzig, juckend und klebrig an ihrem Körper haften und verfolgten sie, bis sie einen Platz an einem Tisch gefunden hatte. Aber hier wusste sie nicht einmal, welcher Platz es sein würde.

Es war ihr nicht fremd, sich durch einen Raum voller Menschen zu bewegen, in dem sie die Gäste bediente, wie sie es mehrmals im Monat im Gasthaus ihrer Tante tat. Eine Kellnerin gehörte zu einer Gaststätte und wurde somit zu einem als selbstverständlich wahrgenommenen – oder übersehenen – Neutrum. Aber Johanna war es verhasst, in einem Lokal nach etwas fragen zu müssen. Sie fühlte sich unsicher in einer Menschenansammlung, die aus mehr als zwei Personen bestand. Auch verabscheute sie es schon, zu Anderen Kontakt aufzunehmen, wenn diese sich auf ›heiligem Boden‹ befanden, wie sie den Privatbereich eines Menschen nannte. Noch weitaus schwieriger gestaltete sich das Ganze, wenn sie bewusst zu einer bereits formierten Gruppe dazustieß, wie sie es heute Abend vorhatte.

Mattes Licht von vier geschmiedeten, dreiarmigen Deckenleuchtern erhellte das fast leere Gastzimmer. Nur an einem der Fenstertische saßen vier Männer beim Kartenspiel. Johanna stellte sich an den leeren Schanktisch und wartete auf den Wirt oder eine Kellnerin. Mit jeder Minute, die verstrich, kam sie sich verlorener vor. Sie fühlte sich, als würde sie von Augenblick zu Augenblick schrumpfen.

Mit Gepolter öffnete sich die Tür zum Nebenraum. Ein großer Mann mit einem Tablett voll leerer Gläser trat herein und ging, ohne Johanna zu beachten, hinter den Ausschank. Mit seinem blonden Schnurrbart und dem Lederschurz, den er trug, erinnerte er Johanna an den Schmied Automatix aus den Asterix-Comics.

Während er die Gläser spülte, wandte er sich ihr zu. »Servus, was führt dich hierher?«

Schweiß trat auf ihre Stirn. »Servus, bei euch soll sich heute die ›BI gegen eine WAA‹ treffen«, erwiderte sie den Gruß.

»Bei uns? Da woaß i nix«, antwortete der Wirt sehr laut in breitem Oberpfälzer Dialekt.

Sichtlich nervös trat Johanna von einem Fuß auf den anderen. »Doch, es stand heute in der Zeitung.«

»Wos soll des sa?«, fragte der Wirt in derselben Lautstärke wie zuvor.

Johanna, die dachte, ›Bitte nicht so laut, die Leute am Kartentisch schauen schon‹, schloss die Augen und atmete tief ein, dann sah sie wieder den Wirt an und sagte: »Eine Bürgerinitiative gegen eine atomare Wiederaufarbeitungsanlage.«

»Hob I no nia g’hert«, sagte der Wirt noch lauter.

Während Johanna einen roten Kopf bekam und immer nervöser wurde, kam eine kleine zierliche Bedienung aus dem Nebenzimmer und eilte mit schnellen Schritten zur Theke. Von Weitem rief ihr der Wirt zu: »Mare, kumm a’mal her. Woaßt du wos, dass se dou bei uns oa treffa?«

Er wandte sich an Johanna: »Wos is des no’ a’mal?«

Johanna sagte noch einmal ihren Spruch auf.

Maria nickte. »Ja, die sind hier.« An den Wirt gerichtet, der skeptisch der Antwort lauschte, fügte sie hinzu: »Das ist die Gruppe von Sybille Zintl, die treffen sich oben im Turmzimmer.«

»Warum host’n des niad glei g’sagt, dass du zu de Greana mäch’st«, sagte der Falkenwirt und wandte sich der Zapfanlage zu, um für einen der Kartenspieler, der ihm mit seinem leeren Glas zuwinkte, ein Bier einzuschenken.

Johanna folgte Maria, die mühelos zahlreiche bestellte Getränke auf einem Tablett die enge, gewundene Holztreppe des ehemaligen Stadtmauerturms hinaufbalancierte. Am Ende des Aufgangs empfing sie ein helles, fensterreiches Zimmer. An den Seiten jedes Fensters hingen Spiegel, die wie Fensterläden wirkten. Ein großer, grün gekachelter Ofen gegenüber der Treppe dominierte den Raum. An die ovale Mauer schmiegten sich fünf u-förmige, hellblau gepolsterte Eckbanknischen, in deren Mitte sich je ein rustikaler ovaler Tisch befand, der die Atmosphäre und Form des Raumes widerspiegelte.

Maria stellte ihr Tablett auf dem einzigen besetzten Tisch ab und sagte scherzend: »Hab’ unten jemanden gefunden. Hab’ sie euch gleich mitgebracht, damit ihr nicht immer so allein seid.«

Eine Frau mittleren Alters mit blondem, geflochtenem Zopf kramte in einer großen braunen Tasche, sah kurz auf und begrüßte Johanna: »Hallo, das ist schön, dass du zu uns gefunden hast.«

Johanna brachte nur ein knappes »Grüß Gott« aus ihrer trockenen Kehle und setzte sich auf einen der drei Stühle, die an der offenen Nischenseite standen.

Maria stellte ein Glas Orangensaft vor eine kleine, dickliche Frau, die gelangweilt gegenüber von Johanna saß und in dem dunkelblauen Schlabberpulli, der eigentlich ihre üppige Oberweite kaschieren sollte, wie ein Fass mit Kopf aussah. »Danke, Maria«, sagte sie, ohne erkennbar die Lippen zu bewegen.

Mit Schwung nahm Maria den Aschenbecher und die Speisekarte vom Tisch und ersetzte sie durch eine Tasse Tee und ein Glas Wasser.

»Wusst’ ich’s doch!«, sprach die Blondine triumphierend halb zu sich selbst und zog einen rot-gelben Kugelschreiber aus ihrer Tasche, bevor sie sie neben sich auf die Sitzbank hinuntergleiten ließ. Den Schreiber legte sie mit ausgefahrener Mine auf den vor ihr liegenden geöffneten Spiralblock. Nun setzte sie ein Lächeln auf, mit dem sie sich an Johanna wandte und sagte: »Wir warten noch auf unsere Chefin und ein paar andere. Übrigens, ich bin Marion.«

Johanna nickte ihr zu und grüßte. »Servus, ich bin Johanna.« Zögernd fügte sie hinzu: »Wer ist eure Chefin?«

»Sybille Zintl, die Lehrerin. Kennst du sie?«

»Ja, ich hatte sie im Internat.«

In einem der Spiegel sah Johanna eine kleine Gestalt, die sich mit Schwung am Treppengeländer hochzog und laut schnaufend mit einem freundlichen Blick in die Runde an den besetzten Tisch herantrat.

»Hallo, Lotte«, erklang gleichzeitig in unterschiedlichen Lautstärken die herzliche Begrüßung der beiden anwesenden Frauen, jede erhob sich von ihrem Platz und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

»Ich grüße euch«, kam fröhlich die Erwiderung aus dem faltigsten Gesicht, das Johanna je gesehen hatte. Manche Vertiefungen schienen einschneidender als das Flusssystem im Grand Canyon, aber die wachen, jugendlichen Augen ließen die Angekommene eher wie eine weise Frau, nicht wie eine Greisin wirken.

Nun wandte die kleine Frau sich Johanna zu. »Ah, ein neues Gesicht in unserer Runde.«

Johanna lächelte verlegen und nickte zustimmend. Noch bevor sie ihren Namen nennen konnte, sagte Lotte, die sie von der Seite sah, zu Johannas Verblüffung: »Du bist Johanna Schön, eine Urenkelin von Magda, der Hexe. Wie geht es der alten Wunderheilerin?«

Johanna wusste, dass alle im Ort ihre Urgroßmutter ›Magda die Hexe‹ nannten, aber noch nie hatte sie jemanden von ihr als ›Wunderheilerin‹ sprechen gehört. Irritiert antwortete sie nur: »Ja, bin ich. Urgroßmutter Magdalena sehe ich selten.«

»Verstehe«, war Lottes Antwort, und sie ließ einige Sekunden verstreichen, bevor sie fragte: »Wie kommt es, dass ein so junges Mädchen sich für ein brisantes politisches Thema wie Kernenergie interessiert?«

»Ich glaube nicht, dass das Thema nur Politiker, Wissenschaftler oder alte Menschen …« Johanna hielt einen Moment inne und sah Lotte an, die ihr zunickte und sie mit einem aufmunternden Lächeln aufforderte, fortzufahren. »… angeht. Ich finde, dass jeder gefragt werden müsste, ob wir Atomkraft als Energiequelle nutzen sollten – ganz gleich, ob jemand die schwierigen technischen Abläufe versteht oder nicht.«

»Verstehst du etwas von der Materie?«

Zögernd gab Johanna zu: »Nein.«

Lottes Augen funkelten. In lockerem Plauderton bohrte sie nach. »Warum möchtest du dich bei uns engagieren, wenn du, wie du sagst, keine Ahnung hast?«

Verwirrt schluckte Johanna, während sie fühlte, wie ihre Wangen rot wurden. Sie schloss die Augen, holte tief Luft und antwortete: »Dass ich keine Ahnung habe, habe ich nicht gesagt, ich bin nur keine Atomphysikerin. Ich finde einfach, es ist nicht wichtig, was oder wie viel jemand von der Technik versteht. Wichtig ist nur, denke ich, dass wir Menschen verstehen, dass die von Menschen erdachte Technik nie unfehlbar ist. Ich glaube nicht, dass irgendjemand sicherstellen kann, dass bei einem Gerät nicht etwas kaputt geht. Es können noch so viele Sicherheitsstandards aufgestellt werden, und trotzdem ist es möglich, dass die Standards doch nicht genügen. Geräte und Werkstoffe werden von Menschen erdacht und gebaut, also gibt es immer ein Risiko. Pater Simon würde sagen, ›Dort, wo der Mensch wirkt, ist nichts vollkommen‹.«

Bei diesen Worten lachten die Anwesenden. Johanna ließ sich nicht unterbrechen und sprach weiter. »Und ich glaube auch nicht, dass bei einer so sensiblen Sache wie einem Kernkraftwerk oder einer Wiederaufarbeitungsanlage, wie Plutoniumanlagen bei uns genannt werden, nicht doch irgendwie Radioaktivität freigesetzt wird, und das heißt, dass jeder Mensch, der in der Nähe wohnt, einer unkalkulierbaren Gefahr ausgesetzt …«

»Richtig!«, kam Zustimmung von einer Stimme, die Johanna kannte. Sybille Zintl war während des kurzen Monologs hinter ihr in den Raum gekommen. Die Leiterin der BI Naabwenden nahm auf einem der freien Stühle Platz.

»Entschuldigt die Verspätung. Ich hatte gerade noch ein Gespräch mit dem BI-Büro in Schwandorf. Herzlich willkommen zu unserer Sitzung. Da wir heute ein neues Gesicht bei uns haben, schlage ich vor, dass wir uns reihum kurz vorstellen. Wer fängt an?«

Ein Blick in die Runde zeigte betretene Gesichter, niemand brachte eine Silbe über die Lippen. Die BI-Vorsitzende nahm erneut das Wort auf: »Na gut, dann fange ich eben an. Ich bin Sybille Zintl, freue mich schon 46 Jahre des Lebens, von Beruf bin ich Lehrerin. Am 9. Oktober 1981 war ich bei der Gründungsversammlung der BI Schwandorf dabei und seit diesem Tag bin ich Mitglied der BI. Vor einem Jahr haben wir zu siebt die BI Naabwenden gegründet und seitdem bin ich die Vorsitzende.«

Mit einem kurzen Kopfnicken gab sie das Wort an Lotte weiter. »Mein Name ist Lotte. Ich lebe seit meiner Geburt vor 76 Jahren in Naabwenden. Habe vier Kinder und sieben Enkel. Viele Jahre war ich in der evangelischen Kirchengemeinde tätig, und nun kämpfe ich gegen die WAA. Bin seit der Gründung der Naabwendener BI dabei.«

Die Frau mit dem blonden Zopf stellte sich als Marion Bruckner vor. Nach ihr sprach die kleine dickliche Frau im Schlabberpulli. »Inga Müller, 56, Näherin, verheiratet, zwei Kinder – beide aus dem Haus; und ich bin seit der Gründung der Gruppe dabei. Ich glaub’, das reicht fürs erste«, schloss Inga und lachte wiehernd auf.

Nach ihr war Johanna an der Reihe, sich den anderen bekannt zu machen. »Ich heiße Johanna Schön, 19 Jahre alt, und bin mal Verkäuferin, mal Fotografin, mal Kellnerin«, sagte sie und nahm ihr Glas, um ihre trockene Kehle zu befeuchten.

»Gut, das hätten wir. Lasst uns nun anfangen«, beendete Sybille Zintl die Vorstellungsrunde und fuhr fort: »Ihr habt mitbekommen, dass Ende August letzten Jahres eine Bohrstelle von WAA-Gegnern, die sich als Indianer verkleidet hatten, umzingelt wurde. Im März wurden vier der beteiligten ›Indianer‹ wegen Hausfriedensbruch und Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt.«

Lotte meldete sich zu Wort: »Wenn ich mich richtig daran erinnere, ging doch ein Beschäftigter der Bohrfirma gewaltsam auf die ›Indianer‹ los. Wurde gegen den auch gerichtlich vorgegangen?«

Sybille Zintl schmunzelte und fragte zurück: »Glaubst du wirklich, dass einem von der anderen Seite etwas geschieht, wenn er nicht gerade jemanden umbringt?«

Der nächste Tagesordnungspunkt waren die Kommunalwahlen in Bayern. Es wurde lange und eifrig darüber diskutiert, welchen positiven Effekt die zweite Wiederwahl des amtierenden Landrats Schuierer hatte. Trotz seiner Zugehörigkeit zur SPD, die in Bayern als politische Kraft kaum eine Rolle spielte, war Hans Schuierer mit 70 % der Stimmen gewählt worden, im Gegenzug hatte die CSU die absolute Mehrheit im Schwandorfer Kreisrat verloren.

Im Anschluss an dieses Thema nahm sich die Gruppe viel Zeit für die Frage, durch welche Aktionen man der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Gefahren der Kernkraft näherbringen könnte. Genauso angeregt wurde lange darüber debattiert, wie neue Mitglieder gewonnen werden könnten, ohne die Bürger zu verschrecken.

Nach zweieinhalb Stunden Reden und Zuhören sagte Sybille Zintl gähnend: »Nun zum letzten Punkt. Bei der letzten BI-Sitzung in Schwandorf wurden Spaziergänge durch den Taxöldener Forst vorgeschlagen, an denen sich alle BIs der Oberpfalz beteiligen sollten. Indem die Gruppen den Wald durchstreifen, soll nicht nur Öffentlichkeit geschaffen werden, sondern es soll auch jedes BI-Mitglied die Möglichkeit bekommen, das Gelände des vorgesehenen Standortes näher kennenzulernen. Was hilft es uns, wenn wirklich Wackersdorf als Standort für die WAA ausgewählt wird und wir uns dann nicht einmal in unserer Gegend auskennen. Es kann entscheidend sein, wenn die Rodungsmaschinen und Baufahrzeuge anrücken. Einen Vorteil müssen wir doch haben. Im Herbst ist geplant, dass in dem vorgesehenen Gelände die Spaziergänge zum Schwammerlsuchen ausgedehnt werden, damit wir jeden Winkel im Wald kennenlernen. Diese Spaziergänge finden ab sofort jeden Sonntag statt, Treffpunkt ist um 14 Uhr am Roten Kreuz in Wackersdorf. Ich schlage vor, dass wir uns auch an dieser Aktion beteiligen.«

Zustimmung zu diesem Vorschlag kam durch Kopfnicken oder durch müde, undeutliche ›Ja‹-Laute. Auch Johanna stimmte mit einem zögernden Ja zu.

»Gut, das wäre geklärt«, stellte Sybille Zintl fest. »Um die Diskussion abzukürzen, schlage ich als Treffpunkt für die Abfahrt nach Wackersdorf den Parkplatz vor der Barbarakirche um 13 Uhr vor. Hat jemand Einwände?«

Ohne auf eine Reaktion zu warten, sprach sie weiter: »Dann wäre das auch geklärt. Hat noch jemand einen Punkt, den wir heute noch bereden sollten – ansonsten beende ich die heutige Sitzung.«

Aus den müden Gesichtern kam kein Wort des Einwands.

Die kleine dickliche Frau, die sich bei der anfänglichen Runde als Inga Müller vorgestellt hatte, fragte Johanna: »Na, wie ist dein Eindruck?«

»Im Moment bin ich ziemlich erschlagen von den vielen Fakten und Informationen. Hätte nicht gedacht, dass ihr so wenige seid.«

»Ja, leider. Abgesehen davon, dass heute einige fehlten, besonders die Männer, sind wir tatsächlich wenige. Aber wir werden immer mehr.«

Johanna sah sie skeptisch an.

Mit einem Lächeln über ihren Blick sagte Inga: »Sieh nur, heute hast du zu uns gefunden, und wer weiß, wer beim nächsten Treffen kommt.«

Lotte, die das Gespräch mitangehört hatte, hakte nach: »Kommst du beim nächsten Mal wieder oder haben wir dich abgeschreckt?«

Johanna lächelte müde und antwortete: »Doch, ich komme wieder. Falls ich am Sonntag nicht in der Gastwirtschaft aushelfen muss, komme ich auch gerne zum Spaziergang mit.«

Von diesem Tag an fand Johanna regelmäßig den Weg zu den BI-Sitzungen und beteiligte sich auch rege an den Waldspaziergängen im Taxöldener Forst.

Gott war dort, aber sie ist schon wieder fort

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