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Kapitel 9

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Kaum hatte sich die Stahljalousie weit genug geöffnet, stürmte Lara nach draußen in die Sonne. Ihr Herz raste vom Adrenalin. Ihr Körper hatte sich bereit gemacht, getreu dem Motto: Kampf oder Flucht. Blindlings jagte sie davon und hätte beinahe einen Mönch über den Haufen gerannt. Kurz darauf wurde sie abrupt von einer hohen Mauer gestoppt.

Das Adrenalin in ihrem Blut, das die Panik anheizte, war noch lange nicht abgebaut und Lara wusste, dass sie erst danach wieder klar denken konnte. Also lief sie einmal die komplette Mauer ab, was eine ganze Zeit lang dauerte, denn das parkähnliche Gelände war riesig. Erschöpft setzte sie sich danach auf eine gemütliche, hölzerne Rundbank, die um den Stamm einer großen, alten Eiche verlief.

Der nahe gelegenen Mauer schenkte sie einen argwöhnischen Blick. Darum würde sie sich auch noch kümmern, doch zuerst müsste sie zu Atem kommen.

Ihre Panik war inzwischen verflogen und sie ließ sich mit dem Rücken an das Holz sinken, schloss erleichtert die Augen. Den strahlenden Sonnenschein und den warmen Wind, der ihr Gesicht streichelte, genoss sie in vollen Zügen. Niemals würde sie zulassen, dass man sie in Dunkelheit einsperrte!

Nach ein paar Minuten atmete sie wieder ruhig und gleichmäßig, doch etwas rieb an ihrem Bein entlang. Etwas, das sie an ihren Kater erinnerte – bis auf die Größe. Erschrocken riss sie die Augen auf, ihre Befürchtung traf leider zu. Quints Pumaweibchen schrubbte sich doch tatsächlich gerade an ihrem Bein! Trotz seiner Schönheit und Eleganz wäre dieser Puma in der Lage, sie mit einem Biss in die Kehle zu töten – genau wie ein Vampir.

Lara musste schlucken, denn schlagartig hatte sie das Bild vor Augen, wie John brutal seine Reißzähne in einen Mann schlug, ihn erbarmungslos im Todeskampf festhielt und ihn bis auf den letzten Tropfen aussaugte. Der Mann hatte eine Waffe auf John gerichtet, wollte sie beide an der Flucht hindern. Dennoch würde sie seinen Schrei und den entsetzten Ausdruck in seinen Augen nie im Leben vergessen.

Den Puma vor ihr sahen die Vampire hier anscheinend nicht als Bedrohung – kein Wunder, denn sie waren wohl die gefährlicheren Raubtiere.

„Ganz ruhig bleiben, unser Mädchen ist schreckhaft.“

Vorsichtig drehte sich Lara nach rechts. Dort saß der Mönch, dem sie vorher begegnet war. Er beugte sich herunter und begann wie selbstverständlich, die Raubkatze zu kraulen.

„Na, Wildheart, hat mal wieder niemand Zeit für dich?“

Genüsslich drehte sich der Puma auf den Rücken und ließ sich das Verwöhnprogramm sichtlich gefallen. Ohne sein Kraulen zu unterbrechen, blickte der Mönch zu ihr hoch.

„Ich heiße übrigens Benedikt.“

„Lara“, antwortete sie fast mechanisch, weil ihr tausend Gedanken durch den Kopf rasten und sie zudem aus dem Augenwinkel die hohe Mauer musterte.

Anscheinend hatte John beschlossen, sie hier festzuhalten, aber das würde sie sich nicht gefallen lassen! Diese Mauer könnte sie irgendwie überwinden. Aber was war mit John und der Gefahr, von der er sprach? Sie fühlte sich mehr als nur von ihm angezogen, doch er war ein Vampir, verdammt in die Dunkelheit und hungrig nach ihrem Blut. Würde sie zur Zielscheibe werden, sobald sie über diese Mauer stieg? Müsste sie wählen zwischen Gefangenschaft und Lebens­gefahr? Zwischen Liebe und Freiheit?

Blieb ihr überhaupt eine Wahl, nun, da sie eine vollständige Symbiose mit John eingegangen war? Denn nur der Tod hätte die Macht, diese Verbindung wieder zu trennen. Und von dem, was sie gehört hatte, band es Vampire auf sehr intensive Art an ihre Gefährtin.

Unwillkürlich griff sie sich in den Nacken. Dort hatte sie das, was die Vampire die Blüte der Ewigkeit nannten. Im Prozess der Symbiose hatte sich aus zwei unscheinbaren Blättchen in ihrem Fall eine Lavendelblüte entwickelt. Sie war völlig schmerzfrei entstanden, fühlte sich aber an wie ein äußerst filigranes Branding und sah auch genauso aus. Die Augen eines Vampirs hätten den Unterschied jedoch sofort erkannt, denn für sie leuchtete die Blüte fluoreszierend.

Aber diese Symbiose gab John noch lange nicht das Recht, sie hier einzusperren. Das würde sie niemals mit sich machen lassen! Niemals!

Bald drehten sich ihre Gedanken nur noch im Kreis und sie hatte das Gefühl, den Boden unter ihren Füßen zu verlieren.

„Deine Gedanken drehen sich im Kreis.“

Sie war mit ihren Nerven am Ende und antwortete ziemlich ruppig. „Können sie etwa Gedanken lesen?“

Mit einem gütigen Lächeln antwortete der Mönch: „Ach, im Lauf der Jahrhunderte lernt man das eine oder andere.“

Jahrhunderte? War das dieser geheimnisumwitterte Mönch, von dem niemand wusste, wie viel Vampir und wie viel Mensch er war?

„Du brauchst eine Pause, Lara. Lass dich ablenken.“

Sanft, aber bestimmt griff er nach ihrer Hand und legte sie auf das Fell des Pumas. Gleichzeitig schienen alle Sorgen und Ängste, die gerade in ihrem Kopf eskalierten, einfach weggewischt zu werden.

In ihrem Kopf herrschte mit einem Mal wohltuende Ruhe und sie machte einen tiefen Atemzug.

Der Mönch nickte zufrieden.

„Ihr Fell fühlt sich wunderbar weich an“, bemerkte sie erstaunt und streichelte den Puma nun aus eigenem Antrieb.

„Finde ich auch. Außerdem liebt Wildheart diese Streicheleinheiten und die Nähe zu uns, aber genauso liebt sie ihre Freiheit.“

Lara seufzte.

„Darf diese Wildkatze hier immer so frei herumlaufen?“

„Eigentlich hat Quint ihr ein erstklassiges Außengehege eingerichtet.“

„Aber ein Käfig bleibt ein Käfig, egal wie schön er ist.“

„Das ist wahr, aber Wildheart frei laufen zu lassen, ist ein Risiko. Quint bekommt öfters Ärger deswegen, doch er bringt es nicht übers Herz, seine wilde Katze die meiste Zeit einzusperren. Er spürt, wie unglücklich sie dann ist. Lieber fängt er sich ab und zu einen Kinnhaken wie neulich von John.“

„Ach ja. Bei meinem ersten Aufenthalt hier hatte ich sie auf Johns Terrasse wohl erschreckt und sie hat mich wild angefaucht. Also bin ich an Quints Kinnhaken schuld.“

„So ein Unsinn. Das war Johns Entscheidung. Und weißt du, alle Männer spielen gern mit Wildheart, rangeln und rollen sich am Boden mit ihr. Das macht ihnen Spaß, obwohl sie dabei immer mal wieder blutige Kratzer oder einen harmlosen Biss abbekommen.“

„Sie ist eben eine Wildkatze!“, protestierte Lara. „Wer mit ihr spielen will, sollte wissen, worauf er sich einlässt.“

Benedikt sah sie an und lächelte. „Genau so sehe ich das auch.“ Nach einem Moment der Stille meinte er: „Manche wissen gar nicht, wie wunderbar und wohltuend es ist, in der Sonne zu sitzen. Genieß es, Lara. Ich muss leider wieder rein.“ Benedikt griff neben sich und reichte ihr einen Laptop, den sie erst jetzt bemerkte. „Hier, falls du arbeiten möchtest. Ich werde für dich beten.“

Bei seinen Worten fiel ihr etwas ein. Lächelnd sah sie zu ihm hoch. „Ora et labora – ist das nicht der Leitspruch der Benediktiner?“

Der Mönch stand auf und nickte zufrieden.

„Bete und arbeite – ein gutes Motto, oder?“

Er hob seine Kapuze über den Kopf und schob seine Hände in die Ärmel. Bevor Benedikt sich auf den Weg machte, blickte er sie noch mal freundlich an.

„Du gefällst mir, Lara. Darf ich dir einen Rat geben?“

Sie zögerte, nickte dann aber doch.

„Freiheit ohne Liebe endet meistens in Einsamkeit.“

***

John landete schon wieder mit dem Gesicht auf der Matte. Er hatte längst aufgehört zu zählen, wie oft das geschehen war. Sein Körper fühlte sich mittlerweile an, als wäre er gründlich verprügelt worden.

Noch nie in seinem langen Leben hatte er gegen jemanden gekämpft, der so gut und vor allem so ungewöhnlich kämpfte wie dieser Jakob. Er wandte Techniken, Bewegungsabläufe und Sprünge an, die John und den anderen Wächtern unbekannt waren und ihn deshalb völlig überrumpelten. Nach jedem Angriff demonstrierte ihnen der Mönch, wie man das Blatt wenden konnte, um zu siegen.

Jakob hatte bisher nur mit ihm trainiert. Die anderen Wächter hatten nur am Rand gestanden und aufmerksam zugesehen.

Nach der ersten Viertelstunde war Ravens aggressives Knurren verstummt. Auch er musste erkannt haben, dass es sich um ein ausgezeichnetes und professionelles Training handelte; ohne Blutvergießen oder sinnlose Gewalt zur Machtdemonstration – wie es Yago der Schlächter getan hätte.

Dennoch trainierte Jakob, in der Gewohnheit, dass jede Verletzung heilte, wesentlich härter. Deshalb hatte Agnus in weiser Voraussicht, aber unter heftigem Protest von Rose sie und Walter nur als Zaungäste zugelassen.

Der letzte Wurf hatte John die Luft aus den Lungen getrieben. Immer noch auf dem Bauch liegend, versuchte er gerade wieder, zu Atem zu kommen, als Benedikts Schuhe in seinem Gesichtsfeld auftauchten. Mit einem Stöhnen drehte er sich auf den Rücken.

„Ich glaube, John hat genug, Jakob. Nimm dir den Nächsten vor.“ Der Mönch reichte ihm die Hand.

„Ich bin ganz deiner Meinung, Benedikt“, sagte er und ließ sich dankbar hochziehen.

„Zieh dich an, wir gehen ein Stück.“

„Ich habe gerade Lara kennengelernt.“

„Wie geht es ihr?“

„Deine Gefährtin war verzweifelt und außer sich, sie fühlte sich wie ein gefangenes Wildtier.“

„Konntest du ihr helfen?“

„Für den Augenblick.“

John fuhr sich mit der Hand durch die Locken.

„Leider ist sie noch nicht meine Gefährtin, Benedikt.“

„Ach ja? Ihre Blüte der Ewigkeit ist voll ausgebildet. Das Geschenk eures Blutes hat die Symbiose abgeschlossen.“

Ihm hätte klar sein müssen, dass dem Mönch, der schon vor Lorelei gelebt hatte, nichts entging. Und er hatte recht: Laras Blüte leuchtete in lebendigen Rot- und Grüntönen. Rot, das Zeichen, dass ein Vampirgefährte ihr sein Blut und damit ewige Jugend geschenkt hatte. Grün, als Zeichen des Lebens, weil sie ihr Leben und Blut mit einem Vampir teilte und nun kein anderer jemals ihr Blut antasten dürfte.

„Das Geschenk des Blutes“, wiederholte John frustriert und stieß die Luft aus. Er dachte daran, wie sie heute zuerst sein Blut abgelehnt und sich kurz darauf an die Kehle gegriffen hatte und vor ihm zurückgewichen war, weil sie glaubte, er würde sie beißen.

„Ich habe ihr mein Blut gegeben, um ihr Leben zu retten und sie mir ihres, um uns beide zu retten. Das war eine reine Vernunftentscheidung.“

Benedikt hob eine Augenbraue.

„Eine reine Vernunftentscheidung?“

„Ja. Aus der Not heraus“, ergänzte er schnell.

„Du willst mir also weismachen, dass das nicht aus Liebe geschehen ist?“

Er fuhr sich mit der Hand durch seine Locken.

„Ich war dabei, um sie zu werben, wollte ihr Herz gewinnen. Aber ich glaube, inzwischen hasst sie mich sogar.“

„Du hast also um sie geworben, mehr nicht?“

Der Mönch lächelte ihn milde an und John fühlte sich auf einmal ertappt wie ein knutschender Teenager. Benedikt konnte Gedanken lesen. Das Intime zu leugnen, war sinnlos.

„Wir – ähm – haben wohl den letzten Schritt vor dem ersten gemacht.“

„Ja, das sehe ich auch so. Dadurch habt ihr euch verbunden.“

„Nein, ich habe dabei nicht ihr Blut getrunken“, protestierte er, um den Rest seiner Ehre zu retten, „um die Symbiose nicht zu vollenden.“

Benedikt schüttelte den Kopf. „John, du solltest wissen, dass die Blüte sich nur entwickelt, wenn auf beiden Seiten Liebe im Spiel ist. Ambrosius erklärt das mit dem richtigen Hormoncocktail im Blut und Hautkontakt, durch den chemische Botenstoffe übertragen werden, wodurch eine Kettenreaktion im Körper der Frau ausgelöst wird und so weiter, und so weiter. Jedenfalls hat das Blut die Sache nur endgültig gemacht. Aber da das nun geschehen ist, erzähl mir doch, warum sie jetzt so unglücklich ist.“

„Wozu? Du hast sicher ihre Gedanken gelesen“, antwortete er niedergeschlagen. Alles noch mal aufzurollen, würde auch nichts daran ändern.

„Ich will die Dinge aber aus deiner Sicht hören.“

Also schilderte er ihren Streit, dessen Auslöser und Laras Begleitumstände. Währenddessen legte der Mönch eine Hand in Johns Nacken und sie marschierten kreuz und quer durch die fensterlosen Flure. Irgendwann erreichten sie sein Quartier, aber da er in seine Ausführungen vertieft war, registrierte er viel zu spät, dass Benedikt mit ihm auf die offene Terrassentür zusteuerte.

Tödlich stand die untergehende Sonne noch orangerot am Horizont.

Instinktiv versuchte er, vor der Gefahr zurückzuweichen, aber der Mönch hielt ihn fest.

„Keine Angst. Du stehst unter meinem Schutz, solange meine Hand in deinem Nacken liegt. Dieser Sonnenuntergang ist mein Geschenk an dich. Sieh dir die wunderschönen Farben an und genieß die Wärme seiner Strahlen.“

Noch nie hatte er einen Sonnenuntergang ohne extrem dunkle Schutzverglasung, geschweige denn im Freien erlebt. Selbst die verspiegelte Badezimmerfront lag so, dass kein frontales Sonnenlicht bis in den Raum eindrang.

Er stand einfach nur da, schweigend, während ihm Tränen über die Wangen liefen, weil das Schauspiel der Natur ihn so ergriff. Langsam versank die Sonne rot glühend am Horizont und tauchte den Himmel dabei in ein wechselndes Spiel aus atemberaubenden Farben.

Erst jetzt brach Benedikt das Schweigen.

„John, du bist doch Taktiker, oder?“

Das wusste der Mönch sehr genau, deswegen nickte John nur.

„Und du bist ein leidenschaftlicher Schachspieler. Du betrachtest das Schachbrett vor dir, kalkulierst die Möglichkeiten aller Figuren und überdenkst dann – wie viele Züge mit all ihren Folgen im Voraus?“

Er hatte nie mitgezählt und grübelte noch, als Benedikt abwinkte.

„Na ja, jedenfalls eine Menge. Und du bist auch der Fachmann, den alle fragen, wenn es komplizierte Probleme mit mehreren Aspekten zu lösen gilt.“

„Du erzählst mir nichts Neues, Benedikt.“

„Nein, aber ich hoffe, dir eine neue Sichtweise zu geben.“

„Aber wie soll mir das helfen, Laras Herz zu gewinnen?“ Er gab sich keine Mühe, seinen Frust zu verbergen.

„Gute Frage.“

Benedikt sah ihn liebenswürdig, aber gleichzeitig wie ein Lehrer an, der seinen Schüler auf eine Lösung bringen will, die direkt vor seiner Nase liegt.

„Ich habe mir von Agnus erzählen lassen, wie Lara dich gerettet und dabei ihr Leben riskiert hat. Ich denke nicht, dass du erst ihr Herz gewinnen musst, denn das war keine Vernunftentscheidung, sondern Liebe, John.“

„Das war dumm! Und Lara hatte keinen Schimmer, worauf sie sich da einlässt!“

„Ach ja? Wusstest du nicht, das Agnus versucht hat, deine Lara aufzuhalten? Sie eindringlich gewarnt hat? Und er war nicht der Einzige. Liebe ist nicht der Punkt, John. Eure Liebe mag jung sein wie ein zartes Pflänzchen, das Pflege braucht und noch wachsen muss, aber eure erste Feuerprobe habt ihr bereits bestanden.“

„Aber siehst du denn nicht die Probleme, die wir miteinander haben?“

Benedikt lächelte erneut und klopfte ihm auf die Schulter.

„Genau. Ihr habt Probleme. Jetzt bist du auf dem richtigen Weg.“

„Benedikt, Lara hat Klaustrophobie! Ganz besonders in dunklen, geschlossenen Räumen! Außerdem …“ Er wollte ihm die Liste noch mal von vorne aufzählen, doch der Mönch hob die Hand. Ein unmissverständliches Zeichen, deshalb hielt er inne.

„John, das sind einfach nur – Probleme. Verstehst du denn nicht?“

Mit seinem gütigen Lächeln versuchte Benedikt ihm wohl auf die Sprünge zu helfen.

„Ja, und?“

„Probleme sind Hürden, die man gemeinsam überwinden kann. Mit Kreativität, mit Kompromissen, mit Liebe und manchmal mit Opfern. So, wie du als Taktiker in der Lage bist, schwierige Situationen für die Wächter zu meistern, kannst du auch für euch beide immer einen Weg finden – wenn du nur willst.“

Die Sonne war untergegangen. Der dunkler werdende Himmel zeigte nun eine grandiose rötlich violette Färbung. Benedikt nahm die Hand von seinem Nacken.

„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, zitierte John nachdenklich.

„Jetzt verstehst du es, John. Und mein Rat an dich, Johannes Ritter der weißen Lilie ist …“

„Ora et labora – wie immer?“, unterbrach er ihn lächelnd.

Der Mönch schmunzelte und hob den Zeigefinger. „Was ich sagen wollte, ist: Liebe, arbeite und bete.“

Fragend hob John eine Augenbraue und hakte erstaunt nach.

„Meinst du lieben im Sinne von amare oder ähm“, er räusperte sich verlegen, „concube?“

„Ich glaube, was jeweils vonnöten ist, findest du von allein heraus.“

Hatte der Mönch ihm gerade zugezwinkert?

„Und darüber hinaus solltest du Lara im Augenblick wie einen Schmetterling behandeln.“

„Wie einen Schmetterling?“

John runzelte die Stirn. Sie benahm sich eher wie eine Katze, die ihre Krallen zeigte.

„Wenn du einen Schmetterling in deinen hohlen Händen hältst, um ihn zu beschützen, sagen wir vor dem Regen, was wird geschehen?“

Er schloss die Augen und versuchte, sich das vorzustellen.

„Um freizukommen, würde der Schmetterling wahrscheinlich nicht aufhören zu flattern und sich dabei die Flügel zerstören, was ihn auf lange Sicht ebenfalls töten würde.“

John fragte sich jedoch im Stillen, wie er Lara in Zukunft schützen sollte, ohne das zu tun. Elisabeth hatte er bereits verloren, Lara beinahe. Er wollte Benedikt gerade danach fragen und öffnete die Augen, doch der Mönch war verschwunden.

Gefangene aus Liebe

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