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Kapitel 3

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Johns Taktik ging auf.

Während Ramón seine Mörderbande vor dem leeren Beta-Hauptquartier sammelte, um es zu stürmen, folgte Agnus Johns Vorschlag und brachte die Wächter hinter den Gesetzlosen in Stellung. Damit die Täuschung nicht auffiel, ließ Elia funkgesteuert abwechselnd allerlei Lichter brennen und stellte sogar den Rasensprenger an.

Die Wächter waren zwar zahlenmäßig weit unterlegen, dafür hatten sie, wie von John erhofft, das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Ein weiterer Trumpf war Vinz, dieser exzellente Scharfschütze, der sich auf dem Dach des Beta-Stützpunktes positionierte und einen Treffer nach dem anderen landete.

Und obwohl Ramón seine Leute als lebende Schutzschilde benutzte, fand Vinz mit eiskalter Präzision immer wieder eine Lücke, um den Blutfürsten zu treffen. Kein Wunder, denn Vinzenz hatte noch eine Rechnung mit Ramón offen. Der hatte nämlich damals Ara mit ihrer neugeborenen Tochter Susi verkauft und auf einen anderen Kontinent verschleppen lassen.

Leider merkte John im Kampf recht schnell, dass sein Körper noch nicht zu hundert Prozent wiederhergestellt und er nicht wirklich fit war. Doch alle Wächter schienen in dieser Nacht ein wachsames Auge auf ihn zu haben und ihm den Rücken freizuhalten – dahinter steckte sicher Agnus.

John kämpfte sich in Richtung von Ramón vor, der sich feige hinter anderen verschanzte. Bald stellte der Fürst aber fest, dass die Lage kritisch wurde und ihm das auch nicht mehr half. Ab da versuchte Ramón, mit seinem Leibwächter als Deckung, zu flüchten. Doch Agnus war nicht umsonst Anführer, und außerdem wusste er genau, was John vorhatte. Er schnitt Ramón mit zwei anderen den Weg ab und trennte ihn von seinem Leibwächter Hassan. So war es John möglich, Mann gegen Mann mit Ramón zu kämpfen. Vinz hatte vorher mit genügend Gewehrkugeln dafür gesorgt, dass das Kräfteverhältnis zwischen ihnen ausgeglichen war.

Am Ende schleifte John den Blutfürsten zum Swimmingpool des Beta-Standortes. Ramón hatte Lara mit ironischen Bemerkungen auf den Lippen zweimal beinahe ertrinken lassen und John hatte gefesselt mit ansehen müssen, wie sie immer mehr Wasser schluckte und verzweifelt gegen das Ertrinken ankämpfte. Dieser Sadist Ramón sollte am eigenen Leib spüren, was er ihr angetan hatte.

John drückte den Blutfürsten unter Wasser, ließ ihn gegen das Ertrinken kämpfen wie jener Lara damals. Bevor Ramón das Bewusstsein verlor, zog er ihn wieder heraus.

Das Tribunal hatte Ramón für seine grausamen Verbrechen schon vor Jahrzehnten zum Tode verurteilt. Aber für John war es der eigene Schwur, den er heute einlöste: Für das, was der Fürst Elisabeth und Lara angetan hatte, schnitt er ihm mit dem Messer die Brust auf. Dann riss er Ramón das Herz aus dem Leib.

Bei Sonnenaufgang würde Ramóns Leiche zu Asche werden und der Wind würde sie zerstreuen, bis nichts mehr von ihm übrig blieb.

Spät in der Nacht kehrte John mit den Wächtern ins Hauptquartier zurück. Sein erster Weg führte ihn jedoch nicht ins Haus, sondern zum Teich des riesigen Grundstücks. Dort zog er sein Hemd aus, verbrannte es und wusch sich anschließend Ramóns Blut ab. Nicht die kleinste Spur dieses skrupellosen Mörders wollte er in seinem Quartier haben.

Doch Ramóns Stimme starb nicht mit ihm. Sie hallte immer noch in seinem Inneren: „Deine Lara kam ganz allein hierher … Schon wieder präsentierst du mir eine Gefährtin auf dem Silbertablett … Du bist so verantwortungslos, John … Was denkst du, wie lange dauert es, bis sie ertrunken ist?“

Lautlos, wie es seiner Raubtiernatur entsprach, trat John schließlich in sein Schlafzimmer. Er hatte ja schon viel in seinem langen Leben gesehen, aber das?

Nach all dem Kampf und Blut in dieser Nacht brachte ihn dieser Anblick zum Schmunzeln.

Ara war ein echtes Unikat.

Nicht nur, dass sie mit einer schusssicheren Weste und einer quer über die Brust gehängten Maschinenpistole im Clubsessel neben der schlafenden Lara saß und die Beine über die Lehne baumeln ließ. Nein, sie lackierte sich dabei auch noch die Fingernägel – violett und verteilte glitzernde Steinchen darauf. Um das Gesamtbild abzurunden, lagen auf dem Nachtkästchen, neben Nagellack­entferner und Wattebäuschen, wie selbstverständlich drei Ersatzmagazine für die MP5.

„Hallo, Arabella.“

Das Exmodel schreckte zusammen, griff blitzschnell nach der Maschinenpistole und zielte auf ihn. Er schaffte es gerade noch, ihre offene Nagellackflasche aufzufangen, bevor sie auf dem flauschigen Teppich landete.

„Bist du irre! Dich so anzuschleichen?! Ich hätte dich fast erschossen!“

„Tut mir leid. Aber gut reagiert!“

Stolz lächelte sie zurück.

„Danke. Vinz ist ein geduldiger Lehrer.“

„Kannst du mir verraten, warum du in meinem Quartier eine MP5 umhast?“

Arabella legte den Kopf schief und sah ihn schulmeisterlich an.

„In deinem Notfallplan …“

„Ach ja, stimmt. Alle sollten eine Waffe bei sich tragen, auch die Frauen. Aber musste es gleich …“

Sie unterbrach ihn mitten im Satz.

„Vinz sagt zwar, ich bin inzwischen eine prima Schützin, aber welche Chance hätte ich wohl mit einer normalen Pistole, wenn statt dir zwei von Ramóns blutgierigen Vampiren hier hereingeplatzt wären, hä?“

Welche Chance hätte wohl Lara?

„Mit der MP könnte ich sie erst mal aufhalten und dann in Ruhe zwei gut platzierte Kopfschüsse abgeben. Und die hier“, sie deutete auf ihre kugelsichere Weste. „Na ja, du kennst doch Vinz.“

„Du hast völlig recht, Ara. Das war eine gute Wahl.“

John blickte auf ihre Fingernägel.

„Tut mir leid, ich hab wohl deine frisch lackierten Nägel ruiniert.“

Flüchtig schaute das Exmodel auf ihre Hände.

„Ach, das ist doch völlig unwichtig, John. Ich musste mich nur irgendwie ablenken, weil ich mir die ganze Zeit Sorgen um euch gemacht habe.“

Eine Träne kullerte über ihre Wange.

„Sag mir bitte, was mit Vinz passiert ist. Er hat mir nur eine SMS geschickt, dass alles okay ist, aber ich habe gespürt, dass er verletzt wurde.“

So war das zwischen Gefährten in einer Symbiose. Man spürte nicht nur die Gefühle des Anderen, sondern auch seine Schmerzen wie ein gedämpftes Echo.

„Er will nur nicht, dass du Angst um ihn hast.“

Und Vinz hatte ziemlich blutig ausgesehen.

„Hab ich aber trotzdem! Also sag’s mir, bitte!“

Er wischte ihr mit dem Daumen die Träne aus dem Gesicht und zog spielerisch an einem ihrer Zöpfe.

„Hey, Vinz kämpft schon ein paar Jahrhunderte für die Wächter. Er ist hart im Nehmen und es verheilt doch alles wieder.“

In spielerischer Drohung richtete Ara den Lauf der MP5 auf ihn. „Spuck’s aus!“

„Ein Durchschuss im linken Bizeps, ein Streifschuss am rechten Unterarm und eine Kugel, die noch in seiner linken Schulter steckt. Die muss Alva gleich mit dem Skalpell herausschneiden.“

Wie von einer Sprungfeder katapultiert sprang Ara auf.

„Dann geh ich gleich zu ihm. Ich will bei ihm sein, wenn Alva die Kugel rausholt.“

„Na, jetzt gehst du wohl Händchenhalten, was?“, fragte er schmunzelnd.

„Klar! Ich lasse Vinz doch nicht allein, wenn an ihm rumgeschnippelt werden muss.“

Ruckartig drückte Ara ihn an sich.

„Ich bin so froh, dass ihr alle wieder heil zurück seid.“

Abrupt rückte sie wieder ein Stück von ihm ab.

„Du bist doch heil, oder?“

„Nichts Ernstes, die anderen haben heute für mich Babysitter gespielt.“

Sein Blick verharrte auf Lara, die tief in Decken eingemummelt friedlich schlief. Drei gebrochene Rippen, zwei Streifschüsse und ein paar tiefe Messerwunden – was spielte das schon für eine Rolle, wenn sie dafür in Sicherheit war?

„Wie geht es ihr, Arabella?“

„Lara hat die ganze Zeit ruhig und fest geschlafen. Sie musste nur zur Toilette, da hab ich ihr gleich einen von Alvas Aufbaudrinks eingeflößt. Zum Essen war sie gar nicht wach genug. Was ja kein Wunder ist, lieber John, weil du sie wie ein Bär in den Winterschlaf geschickt hast.“

„Ich wollte, dass sie sich im Schlaf von allem erholen kann, ohne durch Albträume wach zu werden.“

Albträume vom Ertrinken oder von Oskar, Ramóns Folterknecht, der sie beinahe in die Finger bekommen hätte. Aber vor allem hatte er Angst gehabt, dass Lara weggehen würde, bevor er zurück war – so wie schon einmal.

Mit halbem Ohr hörte er Ara sagen: „Ich habe dir den Kühlschrank und die Schränke mit Vorräten aufgefüllt, damit dir deine Lara nicht verhungert. Also dann Tschüssi!“

„Warte!“

Er konnte sie gerade noch am Oberarm festhalten. Mit dem Kinn wies er auf ihre MP5.

„Sicher lieber deine Maschinenpistole, bevor du über die Flure spurtest, ja? In nächster Zeit werden keine Feinde unser Hauptquartier stürmen.“

Das hoffte er zumindest, denn leider hatten sie nicht alle erwischt. Boris, Ramóns Stellvertreter, würde vielleicht schon bald dessen Platz einnehmen.

„Ups! Hab ich ganz vergessen. Dabei hat Vinz mir das tausendmal vorgebetet. Den Sicherungsflügel auf ‚S‘ wie sicher.“

Zum Beweis sicherte sie die MP vor seinen Augen.

„Braves Mädchen. Und vielen Dank – für alles.“

„Hab ich doch gern gemacht.“

Ein flüchtiges Winken, dann verschwand sie wie ein Wirbelwind. Er ging ihr nach und schloss die Wohnungstür, die sie sperrangelweit offen gelassen hatte. Dann zwang er sich zu einer heißen Dusche.

Gründlich sauber werden, alles abwaschen, alle Spuren beseitigen – das funktionierte nur an der Oberfläche.

Zurück im Schlafzimmer, ließ er sich auf die Bettkante sinken und atmete tief aus. Laras Kopf war im Kissen versunken, ihr Gesicht umspielt von ihren langen Locken. Ebenso wunderschön wie eigensinnig – nicht nur die Haare.

Sanft strich er zwei Locken aus ihrem Gesicht und streichelte mit dem Handrücken über ihre Wange, löste sie damit zugleich aus der Tiefschlafphase.

Ihre Nähe, sie zu berühren – wieder einmal wirkte das wie ein Zauber auf ihn. Friedliche Wärme breitete sich in seinem Inneren aus und schwemmte allen verbliebenen Zorn fort. Er spürte, wie die stählerne Anspannung, die er bisher gar nicht registriert hatte, sich auflöste. Seine Seele kam das erste Mal seit Tagen wieder zur Ruhe. Gleichzeitig fühlte er sich auf einen Schlag total ausgepowert. Nach drei Tagen fast ohne Schlaf wollte er jetzt nur noch die Augen zumachen und Lara sicher in seinen Armen wissen.

Der leise Summton seines Handys hielt ihn davon ab, wie ein Stein ins Bett zu fallen. Auf diese Antwort hatte er ungeduldig gewartet.

„Negativ“, lautete Elias SMS.

Sofort wählte er Elias Nummer und ging ins Wohnzimmer, um Lara nicht zu wecken.

„Ich hab dir doch Ramóns Laptop geliefert. Du hast gesagt, du kriegst das hin!“

„John, der Standort von Ramóns Hauptversteck war wider Erwarten nicht drauf. Zumindest habe ich durch den Laptop Zugriff auf seinen Hauptrechner bekommen und mit meinem selbst kreierten Napalm-Virus alle Daten gelöscht.“

„Was ist mit der schwarzen Liste? Und Laras Portemonnaie mit ihren Papieren?“

Ramón hatte nicht nur ein Kopfgeld auf die Wächter ausgesetzt, sondern sogar auf ihre Frauen Jagd gemacht.

„Walter hat Ramóns Kleidung und seinen Wagen durchsucht. Dabei fand er die Liste mit uns und unseren Frauen, auf die Ramón ein Kopfgeld ausgesetzt hat. Walter verbrannte das Ding noch an Ort und Stelle. Aber Laras Brieftasche mit all ihren Papieren, die Ramón ihr abgenommen hatte, konnte er nirgendwo finden.“

John fuhr sich frustriert durch seine Locken.

„Also haben wir keine Möglichkeit, den Rest der Bande zu erledigen. Und durch Laras Ausweis und Führerschein kennen die geflüchteten Verbrecher ihr Gesicht, ihren Namen und wissen, wo sie wohnt.“

„Tut mir leid, John.“

Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, lag Lara zusammen­gerollt auf der Seite und wirkte mit einem Mal noch viel verletzlicher.

Beinahe wäre sie ertrunken, beinahe in die Hände eines Folterers geraten.

Gott sei Dank war Lara hier bei ihm sicher.

Dennoch kam er nicht gegen das Bedürfnis an, sie darüber hinaus in die Sicherheit seiner Arme zu schließen.

Normalerweise schlief er nackt. Heute zog er sich eine schwarze Pyjamahose an und legte sich hinter Lara ins Löffelchen. Behutsam schob er einen Arm unter ihren Kopf und umschlang mit dem anderen ihren Bauch.

Hier und jetzt war sie sicher, und ihre warme, weiche Haut zu spüren, empfand er als pures Glück.

„John?“, murmelte Lara im Halbschlaf.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken. Schlaf einfach weiter.“

Lara schmiegte sich enger an ihn, legte ihre Hand auf seinen Arm und murmelte: „Morgen bringst du mich wieder nach Hause, ja?“

Nein.

John küsste zärtlich ihren Hals und flüsterte einlullend: „Schlaf dich erst mal aus, Lara.“

„Mhm.“

Mit ihrem beruhigenden Herzschlag in den Ohren fiel auch er kurz darauf völlig erschöpft in den Schlaf.

Gefangene aus Liebe

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