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Kapitel 13

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John freute sich, als Laras Fragen nur so hervorsprudelten. Endlich wurde sie abgelenkt von Pistolen und Gasmasken und der unsichtbar lauernden Gefahr, die ihm selbst keine ruhige Minute gönnen würde, bis sie wieder sicher zurück im Hauptquartier waren.

Lara blühte geradezu auf, während sie mit Quint sprach. Sprühendes Leben und begeisterte Leidenschaft – sie war wie ausgewechselt. Ihre Arbeit und ihr Zuhause hatte das bewirkt.

Er war im Begriff, ihr beides zu nehmen.

Aber Benedikt hatte recht: Er würde Laras Flügel und damit sie selbst zerstören.

Aber da geschah noch mehr. Es kam ihm so vor, als blühe er durch ihre Nähe auf, als würde ihr sprühendes Leben auf ihn überspringen und frisches, neues Grün auf der verbrannten Erde seines Lebens sprießen lassen. Denn trotz der Normalität des Äußerlichen glich sein Inneres seit Elisabeths Tod genau dem: verbrannter Erde.

Lara war so guter Laune, dass sie bei der Ankunft auf dem Mühlengelände gar nicht meckerte, weil sie im verriegelten Wagen sitzen bleiben musste, bis er mit Quint alles akribisch überprüft hatte.

Zum Glück war die Luft rein, und während Quint sofort im Mühlenturm verschwand, zeigte Lara ihm ihr Zuhause.

Zuerst führte sie ihn über eine Terrasse aus alten Pflastersteinen in den Garten. Hier hatte sie in liebevoller und sicher schweißtreibender Arbeit duftende Kräuter, üppig blühende Stauden und sogar Obstbäume gepflanzt. Der kleine, plätschernde Bachlauf gefiel ihm sofort. Sie hatte ihn sehr harmonisch integriert und seine dezente Beleuchtung brachte den Garten auch nachts wunderbar zur Geltung.

Dann zeigte Lara ihm die umgebaute Scheune und erzählte ihm etwas zum Originalzustand der Mühle, dem Lagerhaus, dem Wohnhaus der Müller und den Renovierungen, die sie zum Teil sogar eigenhändig vorgenommen hatte.

Während sie sprach, entdeckte er einen eisernen Ring in der Scheunenwand und spielte gedankenverloren damit. Pferde, hier hatten mal Pferde gestanden.

Sie blickte auf seine Hand, und als könnte sie seine Gedanken lesen, brach sie ihren Satz ab und sagte: „Ja, hier standen früher mal echte PS. Pferde und Esel. Dieses hintere Scheunentor führt auf die große, ehemalige Weide.“

Lächelnd wandte sie sich um, schob die großen Eisenriegel auf, öffnete die beiden alten großen Holzflügel und trat dann einladend zur Seite.

Ein paar Schritte, und er stand in der fast hüfthohen Wiese. Er breitete seine Handflächen aus und ließ sie über die Gräser und Wildblumen gleiten.

„Ja, mittlerweile ist es eine Naturwiese, aber mir gefällt das so. Ich lasse sie nur einmal im Jahr vom benachbarten Bauern abmähen.“

Er hob seinen Blick und ließ ihn schweifen. Felder und Wiesen mit Gruppen alter Bäume, so weit er sehen konnte. Durch den stärker werdenden Wind glichen die Wiese und die benachbarten Getreidefelder einem wogenden Meer.

„Hier kann man sich Pferde halten“, hörte er Lara sagen.

Keine Häuserschluchten, keine Betonburgen. Ja, hier könnte er im Galopp über die Felder reiten.

„Ich träume davon, hier im Mondschein stundenlang über die Wiesen zu reiten.“

Lara klang verträumt. Warum auch nicht? Auch er hatte Träume. Doch als er in der Ferne eine Bewegung sah, war er sofort in Alarmbereitschaft.

Er fixierte den Punkt in der Ferne, bis drei Rehe ihre Köpfe hoben. Er hatte sich hinreißen lassen und vergessen, dass die Idylle trügerisch war. Das würde er Lara klarmachen müssen – und es würde ihr wehtun.

Stolz zeigte sie ihm alles und freute sich über sein Interesse. Den kleinen Keller und den Panikraum nahm er dabei ganz genau unter die Lupe.

Er beglückwünschte Lara zur Wahl der auf antik gestylten, aber hochmodernen Kücheneinrichtung, die perfekt zum renovierten Müllerhaus passte. Im Wohnzimmer ließ er sich auf der Büffelledercouch nieder, die gefiel ihm besonders gut. Doch einen Moment später ergriff sie schon wieder seine Hand und zog ihn hinter sich her, bis sie schließlich ganz oben im Mühlenturm angelangten.

Vor einem der Fenster stand ein alter, lederbezogener Stuhl und ein Tischchen, gerade groß genug für einen Laptop. Er schmunzelte.

Lara stellte sich vor das Fenster und winkte ihn zu sich. „Sieh dir diese Aussicht an! Felder und Natur, so weit das Auge reicht, und in der Ferne die Lichter der Stadt.“

Sie hatte vor, hier noch viele Träume zu verwirklichen, und er merkte natürlich, dass sie versuchte, ihm alles schmackhaft zu machen.

Er trat hinter sie und legte seine Arme leicht um ihre Taille. „Du hast dir hier mit sehr viel Mühe ein wunderschönes Zuhause geschaffen, Lara, aber …“

Jetzt sollte er ihr endlich die Gefahr vor Augen führen, doch er brachte es nicht übers Herz und sagte schließlich: „Dieser Ausblick ist großartig. Ich mag es, die Augen weit in die Ferne schweifen zu lassen und dabei nur die Natur zu sehen. Das vermisse ich in den Städten von heute.“ Sie legte ihre Hände auf seine Arme und lehnte sich mit dem Rücken an ihn. „Verstehst du mich jetzt?“

Er schloss die Augen und blieb ihr die Antwort schuldig. Denn die schöne Aussicht machte ihr Zuhause kein bisschen sicherer und das Gefühl, für ihre Feinde auf dem Präsentierteller zu stehen, nahm von Minute zu Minute zu.

***

Durch die Symbiose spürte Lara seine zunehmende Nervosität. John drängte unterschwellig zum Aufbruch und ging mit ihr zurück zum Wohnhaus der Müller. Während sie die Post durchsah, starrte er immer wieder konzentriert aus den Fenstern.

Sein Blick schweifte kurz über ihre Unterlagen, als sie von ihrem Schreibtisch alles zusammenpackte, was sie für die nächsten Tage und für England brauchte.

„Zur Sicherheit solltest du nicht die Adressen deiner Freunde und Verwandten hierlassen, weder auf dem Computer noch in einem Adressbuch.“

Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare und seufzte, denn mit einem Schlag wurde sie wieder an ihre Situation erinnert. Und jeder, der ihr nahestand, könnte durch sie auch in Gefahr geraten.

Gerade noch rechtzeitig merkte sie, dass John nach dem Foto ihres Stalkers greifen wollte. Sie war schneller und steckte es hastig zu ihren Unterlagen.

John hob eine Augenbraue. „Wer ist das?“

„Nur jemand, der mich schon länger nervt. Aber komm ja nicht auf die Idee, ihn auf die Liste deiner Todeskandidaten zu setzen.“

„Sollte ich das?“

Oh nein, jetzt hatte er Blut geleckt! Um ihn zu beruhigen, zog sie aus ihrem Poststapel gelassen ein mit Hand beschriebenes Kuvert heraus.

„Hier, das ist schon wieder eine Nachricht von ihm. Ich kenne mittlerweile sogar seine Handschrift.“

Nonchalant öffnete sie den Brief und überflog nebenbei die letzten Sätze: „Du bist vom Schicksal für mich bestimmt und wirst immer die Einzige für mich bleiben. Ich werde dir überall hin folgen, geliebte Marie. Wir werden uns in England wiedersehen, dort wird sich unser Schicksal erfüllen.“

Oh nein, das durfte John auf keinen Fall erfahren! Er würde Amok laufen und sie nie auf die Burg nach England lassen. Ohne zu zögern, schob sie alles in den Aktenvernichter.

„Was stand denn drin?“

War ja klar, dass er nicht lockerließ!

Und er sah die feinen Papierstreifchen an, als ob er überlegte, sie wieder fein säuberlich zusammenzusetzen. Deshalb erklärte sie hastig: „Das ist einfach nur ein psychisch Gestörter, der sein Glück in einer Fantasie sucht. Außerdem hat Quint ihm schon einen ordentlichen Schrecken eingejagt.“

Ups – das hätte ihr wohl nicht rausrutschen sollen. Johns Stirn legte sich augenblicklich in Falten.

„Quint hat ihn erwischt und am Leben gelassen?“

John klang ziemlich ungläubig. Ohne es zu wollen, musste sie lächeln und schüttelte den Kopf.

„Nur widerwillig. Er machte mir Vorschläge, wie er ihn unauffällig beseitigen könnte.“ Zum Beispiel ein kleiner Genickbruch mit Autounfall …

„So kenne ich ihn schon eher.“

Um weiteren Fragen zu entgehen, marschierte sie ins angrenzende Schlafzimmer und begann zu packen. John folgte ihr und wollte gerade wieder den Mund aufmachte, deshalb fragte sie schnell: „Hast du die zwei Kirschbäume im Garten gesehen?“

Er nickte. Natürlich entging ihm nichts!

„Im Sommer spanne ich mir da öfters eine große Hängematte.“

„Lara, wir müssen …“

„Und im Herbst wollte ich einen offenen Kamin ins Wohnzimmer einbauen lassen.“

John kam auf sie zu und legte seine Hände auf ihre Schultern. „Ich verstehe, worauf du hinauswillst, Lara und glaub mir, deine Mühle gefällt mir wirklich gut, aber …“

„Ich könnte doch solche Spezialgläser einbauen lassen oder im Keller ein zweites Schlafzimmer einrichten.“

Er hob ihr Kinn, bis sie ihn ansehen musste. Die Wärme in seinen bernsteinfarbenen Augen nahm sie gefangen.

„Bietest du mir hier ein Zuhause an?“

Das wurde ihr erst jetzt bewusst. Sie schluckte. Mit einem Mal beschlich sie Angst und Unsicherheit. Doch zumindest würde sie in ihrem Zuhause nicht die ganze Zeit das Gefühl haben, in einem Mausoleum zu leben und als Elisabeth stände zwischen ihnen. Vielleicht hätten sie hier ja trotz allen Problemen eine echte Chance.

Durfte man nicht träumen und hoffen?

Verlegen schaute sie zur Seite und versuchte zu scherzen, aber es klang dennoch traurig. „Falls es mit uns nicht klappt, kann ich dich ja wieder rauswerfen.“

Es war sinnlos, sie konnte John nichts vormachen.

„Schon gut Lara, wir müssen nichts übereilen.“

Zögernd suchte sie seinen Blick. Anstatt gekränkt zu wirken, lächelte John auf eine Art, die ihr Herz warm werden ließ, und strich mit seinem Daumen über ihre Wange.

„Wenn du willst, fahre ich ab und zu mit dir hier raus, aber momentan ist es nicht sicher genug, um hier zu wohnen. Und wir sollten jetzt auch aufbrechen, Lara, je schneller, desto besser.“

Tränen wollten ihr aufsteigen, doch sie kämpfte dagegen an. John schloss kurz die Augen und küsste ihre Stirn.

„Es tut mir leid, Lara.“

Und das glaubte sie ihm sogar.

Unruhig wandte er sich von ihr ab und schaute aus dem Fenster. Lara sah zu ihren gepackten Koffern und Taschen.

„Ich will nicht hier weg, John und du …“ Kannst mich nicht zwingen, hätte sie gesagt, aber ein Blick in sein Gesicht verriet ihr das Gegenteil. Er würde sie notfalls mit Gewalt zurückbringen. Sie schluckte erneut.

„Wir konnten die Brieftasche mit deinen Papieren weder in der Villa, in der sie uns gefangen hielten, noch bei den Toten des gestrigen Kampfes finden.“

Wie ein Donnerschlag schlugen ihre Erinnerungen ein.

Sie beide waren gefoltert worden! Es hatte bereits zwei Kämpfe mit weiß Gott wie vielen Toten gegeben.

Ihre Hände fingen an zu zittern, und weil ihre Knie weich wurden, ließ sie sich auf das Bett sinken.

John fuhr sich durch die Haare. „Ich weiß, das wolltest du nicht hören, aber auch wenn Elia alle Daten über dich in Ramóns Computersystem vernichtet hat …“

„Hör auf!“, unterbrach sie ihn scharf, fügte leiser hinzu: „Bitte.“

Sie biss sich fest auf die Lippe, um nicht laut loszuheulen.

„Verzeih mir, Lara.“ Er blickte sich im Zimmer um.

„Fehlt dir noch was? Vinz hat uns für heute Abend doch zum Essen eingeladen.“

„Daran habe ich gar nicht mehr gedacht.“

Sie sollte jetzt aufstehen – und blieb doch sitzen.

Aufzustehen und ihr geliebtes Heim wie ein Kriegsflüchtling mit ungewissem Schicksal zu verlassen – dazu hatte sie nicht die innere Kraft.

Als spüre John ihren inneren Konflikt, streckte er seine Hand zu ihr aus. „Komm, Lara, wir schaffen das.“

Sie blickte auf seine Hand und dann in sein Gesicht, begriff, dass diese Geste und seine Worte das Versprechen meinten, ihr Stärke und Halt zu geben, in seiner ihr noch unbekannten Welt.

Sie ließ sich von ihm hochziehen. Er hielt ihre Hand noch einen Augenblick länger und drückte sie leicht.

„Mir fehlt nur noch mein historisches Kleid und Trockenfutter für Tarzans Napf im Mühlenturm, sonst habe ich alles“, brachte sie mit Mühe aus ihrem trockenen Hals.

Sie öffnete den Schrank und holte ihr märchenhaft schönes mittelalterliches Kleid heraus. Edler, weinroter Samt, mit kostbaren, schwarzen Bordüren und schwarzen Verschnürungen, dazu ein weißes Unterkleid aus feinstem Leinen. Der Gedanke, dass John sie vielleicht daran hindern würde, nach England zu fahren und es zu tragen, trieb ihr die Tränen in die Augen. Ihre Hand krampfte sich fester um den Bügel, während sie ihre Tränen wegblinzelte.

Als sie sich umdrehte, strebte John schon mit all ihren Taschen und dem Koffer zur Tür. Sein Blick blieb an dem durchsichtigen Kleidersack hängen. Er hielt inne und trat näher. Seine Augen glitten anerkennend über das Gewand.

„Das ist wunderschön – und originalgetreu.“

John hatte zu dieser Zeit gelebt – und wenn er so etwas sagte … Mit einem stolzen Lächeln schaute sie auf ihren Besitz.

„Eine Bühnenschneiderin hat es nach einer Originalvorlage von mir maßangefertigt.“

Das teuerste Kleid, das sie je besessen hatte!

„Aber sieh dir mal die Verschnürung im Rücken an. Ich frage mich, wie ich das allein anziehen soll.“

Auf Johns verführerischem Mund zeichnete sich wieder dieses spitzbübische Lächeln ab, das sie so liebte.

„Lass mich raten – du kennst dich damit aus, oder?“

„Dafür gab es früher zwar Zofen, aber für einen Mann kann es durchaus einen gewissen Reiz ausüben, wenn …“

„Aha, verstehe“, meinte sie schmunzelnd.

Eine Fledermaus flog am Fenster vorbei und John zuckte zusammen, sein Lächeln verschwand. „Wir müssen los, Lara.“

Dabei wirkte er, als koste es ihn seine ganze Beherrschung, sie nicht sofort über die Schulter zu werfen und loszurennen.

„Ich zieh mir nur schnell meine eigenen Sachen an.“

Bis auf die Stiefel trug sie immer noch Alvas Kleider.

„Hilfst du mir bitte, die schusssichere Weste auszuziehen?“

„So, ich bin fertig“, verkündete sie kurz drauf.

John musterte sie von oben bis unten. „Das sind die Sachen, in denen ich dich kennengelernt habe.“

Sie schaute an sich herunter. „Stimmt – aber das ist Monate her. Und du kannst dich noch daran erinnern?“

„Ja, und da ist noch etwas wie in dieser Nacht.“

Er trat hinter sie, beugte den Kopf zwischen ihren Hals und ihre Schulter und sog genussvoll den Duft in seine Nase. Ihr Nacken kribbelte – angenehm – und sie schloss die Augen.

„Südfranzösischer Lavendel und Vanille mit einer Spur Amber und Moschus.“

„Les Plus Belles Lavandes, mein Lieblingsparfüm“, flüsterte sie und wünschte sich insgeheim, sie hätten die ganze Nacht für sich allein.

John schenkte ihr einen zarten, verheißungsvollen Kuss in die Halsbeuge, als könnte er ihre Gedanken lesen.

„Wir müssen aufbrechen, Lara.“

Sie drehte sich um und hätte ihn womöglich festgehalten, um mehr von seinen Lippen zu spüren, doch er riss sich förmlich los, nahm all ihr Gepäck auf einmal und marschierte nach unten.

Ihr blieb nur noch, die große Packung Trockenfutter für Tarzan aus der Küche zu holen und die Lichter zu löschen.

Sie schloss die Haustür ab und entdeckte Quint, der sich ganz oben aus der Mühle lehnte, um die letzte Befestigung der Mühlensegel festzuzurren. John lud das Gepäck in den Kofferraum und sie wollte gerade über den Hof zum Mühlenturm gehen, um das Futter zu deponieren, als Quint leise pfiff.

Genau wie John blickte sie zu ihm hoch.

Der Wind blies durch seine feuerroten Locken und vage nahm sie in der Dunkelheit wahr, dass er in Richtung Feldweg zeigte und dann vier Finger hochhielt. Zu ihrem Entsetzen sprang er aus dem obersten Mühlenfenster. Doch als er, geschmeidig wie eine Katze, geradezu elegant vor ihr auf dem Boden landete, lächelte sie bewundernd.

Von einer Sekunde auf die andere stand auch John direkt vor ihr. „Du bekommst Besuch, Lara.“

„Ich hab keinen eingeladen.“

Quint entsicherte seine Pistole und meinte lapidar:

„Die kommen immer uneingeladen.“

Gefangene aus Liebe

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