Читать книгу Isabellas Plan vom Glück - Laura J. Colerman - Страница 10

Kapitel 8

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Es lag ein säuerlicher Geschmack in seinem Hals, als er mit Wasser den Mund ausspülte. Er starrte auf sein Spiegelbild und sah, dass seine Augen rot gerändert waren. Obwohl er morgens extra kein Obst gegessen hatte, ging es ihm nach der Besprechung mit seinem Vater und zwei der leitenden Angestellten zunehmend schlechter. Es war eine hitzige Diskussion gewesen, und sein Dad hatte ihm, trotz der Anwesenheit der Mitarbeiter, mehrmals das Wort abgeschnitten, obwohl er damit klar seine Autorität untergraben hatte. Aggressionen hatten sich in Gabriel breitgemacht, die er selbstverständlich in seinem Inneren verborgen gelassen hatte. Als das Meeting endlich vorbei gewesen war, hatte es Gabriel gerade noch rechtzeitig bis zu seiner Toilette geschafft.

Es klopfte und er überlegte tatsächlich so zu tun, als wäre er nicht da, obwohl es lächerlich gewesen wäre, denn Jeanine hatte ihn vor zwanzig Minuten in sein Büro stürzen sehen.

„Einen Moment, bitte.“ Gabriel wusch sein Gesicht mit kaltem Wasser und schrubbte seine Hände so lange, bis sie an der weichen Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger zu bluten begannen. Obwohl er die Schmerzen natürlich spürte, überwog immer das Gefühl der Beruhigung, wenn er das machte. Und auf seine Hygiene zu achten, konnte schließlich in der heutigen dreckigen Welt nicht falsch sein, obwohl ihn selbst seine Mutter, aufgrund seiner Pedanterie beim Händewaschen, zweimal schief angesehen hatte. Er tupfte sich vorsichtig trocken und ging hinüber zu seinem Schreibtisch, um sich möglichst lässig in seinen Bürosessel zu setzen.

„Jeanine? Ich wäre dann so weit“, rief er, als sich sein Unwohlsein im Magen etwas beruhigt und er seine Krawatte zurechtgerückt hatte. Einen Augenblick später betrat ein Mann sein Büro und Gabriel erhob sich aus seinem Stuhl.

„Entschuldigen sie bitte die Störung. Ich …“ Er wirkte nervös und trat von einem Fuß auf den anderen, was überhaupt nicht zu seiner stattlichen Erscheinung passte. Er war groß und trug einen teuren Anzug, wie Gabriel sofort erkannte. Umso skeptischer wurde er auch, denn wie ein klassischer Schnorrer, als welchen Gabriel den Fremden anfangs sofort eingestuft hatte, sah er nach näherer Betrachtung nicht aus.

„Wie kann ich Ihnen helfen, Mister …? Wie war doch gleich ihr Name?“ Gabriel musterte ihn argwöhnisch und sah, dass seine Stirn feucht glänzte.

„Jameson.“ Eine kurze Ruhe entstand, bevor der Fremde nervös wieder das Wort aufnahm. „Gabe, ich weiß nicht, ob es richtig ist, hier aufzutauchen und verdammt, dein Vater würde mich umbringen, wenn er es wüsste, …“

„Was?“ Gabriel verstand die Welt nicht mehr, obwohl ihn eine Ahnung durchzuckte.

„Erkennst du mich denn nicht?“ Die grünen Augen des Mannes hatten einen flehenden Blick angenommen. „Wie solltest du auch.“ Er fuhr sich fahrig durch sein strubbeliges rotes Haar. „Gabe, ich bin es! Pete!“

Gabriel strauchelte zurück und fiel in seinen Schreibtischstuhl, als hätte ihm jemand ins Gesicht geschlagen. Er fing sich jedoch schnell wieder.

„Das ist nicht möglich“, sagte er gelassen, stand auf und ging zum Fenster. „Peter Jameson ist vor sechsundzwanzig Jahren gestorben.“ Er glaubte seinen Worten selbst nicht richtig, denn es gab nur einen Menschen auf Erden, der ihm diesen dämlichen Spitznamen verpasst hatte. Seine Hände begannen zu schwitzen.

„Ich weiß, dass du das denkst, aber wie könnte ich hier stehen, wenn ich tot wäre? Überleg doch mal, Gabe.“ Seine Stimme hörte sich an, als lächelte er. Gabriel war zu erschrocken, um sich zu ihm umzudrehen. Es schien plötzlich zu wenig Luft in dem großen Raum zu sein, und er griff sich an seine hellblaue Krawatte, um sie etwas von seinem Hals zu ziehen. Plötzlich war Gabriel außer sich vor Wut. Er durfte nicht zulassen, dass Hoffnung in ihm aufkeimte.

„Nennen Sie mich nicht so! Verschwinden Sie aus meinem Büro.“

„Gabe, lass mich doch erklären!“

„Nein! Raus!“ Er brüllte wie ein ausgewachsener Löwe und schreckte selbst unter der Schärfe seiner sonst so ruhigen Stimme zusammen. Peter ging zur Tür und öffnete sie, nur um dann noch einmal zu Gabriels Schreibtisch zurückzukommen.

„Hier ist meine Karte.“ Er blickte Gabriel in die zornesgeweiteten Augen. „Melde dich bei mir, wenn du dich etwas beruhigt hast.“ Er ging zur Tür hinaus, sprach seinen einstigen Freund jedoch erneut an, bevor er sie hinter sich zuzog. „Sag bitte deinem Vater nicht, dass ich hier war.“ Dann schloss sich die Tür mit einem gedämpften Klacken und unheimliche Stille senkte sich über den Raum.

Gabriels Brust hob und senkte sich, wie nach einem Marathon. Er stand in der Mitte des Raumes und war nicht imstande zu fassen, was gerade passiert war. Wenn das wirklich wahr ist …

Plötzlich begann sich alles um ihn herum zu drehen.

„Luft.“ Er japste und torkelte zum Fenster, um es zu öffnen. Da es sich um ein Energieeffiziensgebäude handelte, welches eine doppelte Verglasung hatte und nur durch Belüftungsschächte mit Frischluft versorgt wurde, geriet

Gabriel angesichts der mangelnden Sauerstoffzufuhr in Panik. Er stürzte zur Tür und tastete sich an Jeanines Tresen entlang. Er hatte plötzlich das Gefühl, seine zittrigen Beine könnten ihn nicht mehr tragen.

„Geht es Ihnen nicht gut, Mr. McAllister? Sie sehen so blass aus.“

„Gut, gut, Jeanine.“ Zu mehr war er nicht in der Lage. Seine Mundhöhle war plötzlich so trocken, dass seine geschwollene Zunge an seinem Kiefer zu kleben schien. Er konnte nicht schlucken, weil seine Mandeln auf einmal die Kehle versperrten. Ein Würgen kroch seinen Hals hinauf und er lief zum Fahrstuhl. Er musste dringend nach draußen, um sich irgendwo Erleichterung verschaffen zu können, wo es keiner sah.


„Ach guck an! Das Arschloch.“

Er nahm die weibliche Stimme nur am Rande war, weil seine Übelkeit ihn zu übermannen drohte, sodass er sich auf nichts anderes konzentrieren konnte, als auf den Baum einige Meter vor ihm. Er stemmte seine Hände an den rauen Stamm und erbrach sich, bis nur noch gelbe Galle aus seinem Mund tropfte. Erschöpft und schwindlig lehnte er seine Stirn gegen die unebene Borke, die schmerzhafte Abdrücke auf seiner Haut hinterließ. Trotzdem konnte er sie nicht loslassen, weil er sonst das Bewusstsein verloren hätte.

„Komm, ich helfe dir. Hier nimm.“ Eine Hand packte ihn am Ellenbogen und dirigierte ihn zu einer Bank zwischen einigen Büschen im Schatten. Mit verschwommenem Blick sah er die Frau neben sich, die ihm von irgendwoher bekannt vorkam. Sie drückte ihm eine kleine Flasche Wasser und ein sauberes Taschentuch in die Hand.

„Trink, dann geht es dir besser.“

Er nahm einen großen Schluck und tatsächlich klärte sich sein Blick etwas. Oh, nein, nicht Rumpelstilzchen.

„Mannomann, du siehst echt scheiße aus. Sollte es das Schicksal diesmal gut mit mir gemeint und dir einen verdorbenen Fisch zum Mittag geschickt haben?“ Sie lachte kurz, sein matter Blick ließ sie dennoch für einen Moment innehalten.

„Es geht dir wirklich nicht gut, oder?“, sagte sie nun etwas sanfter und betrachtete ihn besorgt.

Er schüttelte den Kopf, trank die kleine Flasche leer und legte seinen Hinterkopf auf die Strebe der Bank. Er war einfach zu erschöpft, um sich zu streiten.

„Hast du heute schon etwas gegessen? Hier, ich hab noch einen Powerriegel.“ Mit nassen Finger nahm er den braunen Fruchtriegel, den Rumpelstilzchen für ihn ausgewickelt hatte. Er würde sich später gründlich waschen müssen, aber im Moment tat die fruchtig-süße Masse in seinem Mund einfach nur gut.

„Danke“, brachte er heraus, als er sich wieder etwas stabiler fühlte.

„Stets zu Diensten. Willst du erzählen, was los ist?“ Sie sah ihn freundlich an. Dennoch war es nicht seine Art, eine Fremde mit seinen Problemen zu behelligen.

„Ich danke Ihnen, dass Sie mir geholfen haben, aber es geht mir gut. Alles wieder in Ordnung.“ Er wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn und wollte aufstehen. Seine weichen Knie zwangen ihn hingegen, sitzen zu bleiben.

„Whou.“ Sie wich seinen strauchelnden Bewegungen aus und zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „Ich dachte, über den Sie-Scheiß wären wir hinweg, als ich dir beim Kotzen die Haare gehalten habe. Also los, raus mit der Sprache.“ Sie machte eine ausholende Bewegung mit den Händen, als sollte er sie schlagen.

„Also ich glaube …“, setzte er an, um zu widersprechen, aber sie funkte dazwischen.

„Und ich glaube …“, sie berührte sanft seine Hand, wodurch er vor Unwohlsein erstarrte, „dass du gerade eine ausgewachsene Panikattacke hattest. Also los, sag was deinen Tag gerade aus dem Ruder gebracht hat.“


Isabellas Plan vom Glück

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