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Kapitel 6

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Gabriel starrte fassungslos in den Rückspiegel. Da hüpfte diese Frau doch tatsächlich wie Rumpelstilzchen um das Feuer und schrie Hasstiraden hinter seinem Wagen her, während ihr Köter den Asphalt vollsabberte. Schnell griff er nach seinem Desinfektionsspray im Handschuhfach und nutze die lange rote Ampelphase, um seine wunden Hände zu desinfizieren. Als das vertraute Brennen auf seiner empfindlichen Haut zu spüren war, beruhigte er sich etwas.

Heute ist wirklich ein Scheißtag!

Natürlich sprach er diesen Teil nicht laut aus. Er war sich eigentlich sicher, dass ihn noch nie jemand hatte fluchen hören, auch wenn es in seinem Leben sicher mehr als genug Gelegenheiten dazu gegeben hätte.

Das kann diese dreiste Frau sicher nicht von sich behaupten.

Sie hatte geschimpft und gezetert, obwohl er sie doch eigentlich relativ nett behandelt hatte. Zumindest für eine Bettlerin. Er hasste Leute die die andere um Geld baten. Es war mehr für ihn mehr als ein Beweis dafür, dass man selber in seinem Leben überhaupt nichts erreicht hatte. Er würde nie um Geld betteln müssen. Okay, daran waren seine Eltern nicht ganz unschuldig gewesen und dafür respektierte er sie auch. Außerdem arbeitete er trotz seines angeborenen Vermögens mehr, als manch Einer, der den Verdienst nötig hatte.

Es war spät geworden, als er von seinem letzten Termin nach Hause kam. Eigentlich hätte er um acht eine Anprobe mit seinem Schneider gehabt, den er aber vertrösten musste, da Mister Collister von ProdCom, einer irischen Entwicklerfirma, einfach nicht auf den Punkt kommen wollte, und sie deshalb über eine Stunde länger in dem zweitklassigen Restaurant sitzen mussten, als es ursprünglich geplant war. Dieses Treffen kostete Gabriel schon den gesamten Tag über etliche Nerven. Zuerst hatte Mister Collister den Termin um zwei Tage vorziehen müssen, was Gabriel grundsätzlich nicht mochte. Er bereitete sich gern gründlich auf Meetings vor, was ihm durch solche Verschiebungen erschwert wurde. Und als wäre es nicht schon genug, äußerte er auch noch den Wunsch, das Treffen mit einem Restaurantbesuch zu verbinden, wodurch Gabriel unplanmäßig das Dallaway Gebäude verlassen musste. Obwohl er inzwischen Routine im geschäftlichen Alltag entwickelt hatte, bedeuten solch kleine Ungereimtheiten Stress für ihn. Er steckte seine Karte in den Fahrstuhl und fuhr in die siebzehnte Etage. Das leicht surrende Motorengeräusch empfand er als angenehm, denn er wusste, dass es ihn in eine vollkommen ruhige, saubere Wohnung bringen würde. Müde rieb er sich die Augen, bis das vertraute Pling ertönte. Die tiefe Müdigkeit, die er eigentlich seit Jahren ertrug, war trügerisch. Er wusste, dass er, wenn er im Bett lag doch nicht schlafen konnte. Er hatte sich im Laufe der Zeit unzähligen Tests unterzogen, war sogar eine Woche im Schlaflabor gewesen (seiner Mutter hatte er gesagt, er müsse geschäftlich ins Ausland). Alle Diagnosen waren dennoch ergebnislos geblieben. Anfangs hatte er es mit Schlaftabletten versucht, die ihm zwar für eine Weile geholfen, ihn dann aber zu einem lebenden Zombie gemacht hatten. Seit zwei Jahren nahm er nun gar nichts mehr und er hatte sich auf eine absurde Weise daran gewöhnt, ständig müde und ausgepowert zu sein. Er zog den Knoten seiner dunkelgrauen Seidenkrawatte locker und knöpfte den obersten Knopf seines weißen, gestärkten Kragens auf. Als er seine viel zu große Küche betrat, fand er einen kleinen Zettel auf der Schieferplatte der Kücheninsel.

„Gedünstetes Gemüse, Seebarsch, Risotto“

Er zerknüllte ihn und warf ihn in den Mülleimer im Schrank, der frisch nach Zitronenreiniger duftete. Anfangs hatte seine Haushälterin noch Sätze wie „Ich wünsche guten Appetit“, oder „Einen angenehmen Feierabend“, mit auf den Zettel geschrieben. Er bedankte sich zwar, wies sie jedoch relativ schnell höflich darauf hin, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Am nächsten Tag stand nur noch das Gericht auf dem Zettel. Manchmal erkannte er seinen Vater in seinen Handlungen wieder.

Nachdem er sich in der Dusche ausgiebig den Dreck der Außenwelt vom Körper geschrubbt hatte, zog er eine schwarze Boxershorts an und setzte sich noch für einen Moment an seinen Laptop, um seine privaten E-Mails durchzugehen. Da er keine Freunde oder entfernte Familie hatte, hieß das in seinem Fall, dass er einunddreißig Mails in seinem Account hatte, die entweder von Schnorrern, Speichelleckern oder beziehungswütigen Frauen stammten. Letztere hatten im vergangenen Jahr dramatisch zugenommen, als ihn ein US-Magazin in den Top Ten der begehrtesten Junggesellen nannte. Er hatte sofort durch seine Anwälte veranlasst, diesen Eintrag löschen zu lassen. Ein Tag hatte jedoch anscheinend ausgereicht, um eine riesige Welle zu schlagen. Wie er vermutet hatte, waren es drei Spendenanfragen, ein überaktionistischer Geschäftspartner, der überflüssige Urlaubsgrüße aus Barbados schickte, und siebenundzwanzig Mails von Frauen im heiratsfähigen Alter.

Ohne eine der Mails zu öffnen, verschob er sie in den Papierkorb. Er klappte den Laptop zu und ging in sein Schlafzimmer, in dem er sich auf alle Viere hockte und begann, seine obligatorischen abendlichen Liegestütze zu machen. Als sein Trizeps brannte und seine Brustmuskulatur schmerzte, legte er sich unter seine sauber glatt gezogene Bettdecke.Natürlich wusste er, dass sein wohlverdienter Schlaf nicht kommen und ihn von seinen schweren Lidern erlösen würde. Wie jede Nacht wälzte er sich auch heute bis halb drei hin und her. Nach einer kurzen oberflächlichen Schlafphase, stand er schließlich um halb sechs auf und trat dem Wahnsinn, den man Leben nannte, von Neuem entgegen.


Isabellas Plan vom Glück

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