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Kapitel 9

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Sie saß tatsächlich neben dem Arschloch von gestern und tätschelte seine Hand. Zumindest bis zu dem Moment, in dem er sie abgeschüttelt hatte, wie ein giftiges Insekt. Irgendwie tat er ihr trotzdem leid. Als er vorhin zufällig aus dem Gebäude gestürzt war, hatte sie eigentlich vorgehabt zur Revanche vom Vortag auszuholen. Als sie den verlorenen Ausdruck in seinen Augen gesehen hatte, wusste sie hingegen, dass es nicht der richtige Moment dafür gewesen wäre. Eigentlich war es der einzige Ausdruck, den sie bis jetzt überhaupt an seinem Gesicht hatte ausmachen können. Er wirkte ansonsten seltsam starr. Dabei schien er noch nicht alt zu sein; vielleicht Ende zwanzig oder Anfang dreißig – maximal. Wie er jetzt seinen Kopf zurückgelegt hatte, nutzte sie den Moment, ihn eingehender zu betrachten. Er war sehr groß und edel gekleidet, das erkannte selbst sie. Für ihren Geschmack war er etwas zu mager, obwohl sich zweifelsohne ein mustergültiger Körper unter seinem taillierten weißen Hemd verbarg. Sein Gesicht war symmetrisch, seine Haare etwas zu sehr gestylt, jedoch dicht und voll. Ein herber Zug lag um seinen Mund, wodurch er alt aussah. Seine Augen wirkten merkwürdig, wie von hinten beleuchtet und trotzdem sie Intelligenz ausstrahlten, schienen sie kalt und leer zu sein. Die hellblaue Krawatte, die er anscheinend in seinem Anfall gelockert hatte, und der dunkelblaue Maßanzug, gaben Hinweis darauf, dass er ein hohes Tier zu sein schien und über ausreichend Geld verfügte. Moment, irgendetwas stimmte nicht mit seinen Händen. Die Nägel an seinen langen Fingern waren frisch manikürt (Pfui Teufel noch mal!), aber die gesamte Haut des großen kräftigen Handtellers war wund und wies frische blutige Risse auf. Vielleicht war er Neurodermitiker oder allergisch auf irgendetwas. Objektiv gesehen war er ein sehr hübscher Mann, wenn ihn nur diese kalte Aura nicht umgeben hätte, die jedem lebendigen Wesen in seinem Umkreis ein Frösteln bescheren dürfte. Außerdem war er überhaupt nicht Bellas Typ. Sie mochte mehr männliche, raue Kerle.

Und, Gott, dieses Parfüm.

Ein Kerl seines Formates musste einen herben, würzigen Duft tragen und nicht so etwas sportlich Süßliches. Obwohl der Geruch an sich eigentlich gut war, er passte nur überhaupt nicht zu dem Mann, der ihn trug.

„Und? Machst du den Mund auf oder willst du da ewig so hängen?“ Sie wollte noch mal seine Hand berühren, um zu sehen, ob er überhaupt noch lebte. Wie reflektorisch schnellte sie zu Seite, als sie in ihre Nähe kam.

„Nicht“, sagte er leise und matt. „Ich komme mit Berührung nicht sonderlich gut zurecht.“

Bella sah an seinem Runzeln der Augenbrauen, dass er nur so viel von sich preisgab, weil er emotional am Rande des Abgrundes stand. Sie würde ihren Hintern darauf verwetten, dass er sonst mit niemandem über intime Dinge sprach.

„Wie? Gar nicht? Nicht mal so?“ Zur Probe versuchte sie erneut sein Handgelenk anzufassen, doch er zog es weg.

„Nicht!“ Seine Augen durchbohrten sie einen Augenblick. Dann schien er wieder zu müde und ließ sich nach hinten sinken, um sie zu schließen.

„Was ist mit deinen Händen?“ Für Bella schien der Moment günstig, ihm persönliche Fragen zu stellen, obwohl sie noch nicht genau wusste, wofür sie die Antworten brauchen könnte. Er seufzte und faltete sie in seinem Schoss, weil es ihm anscheinend unangenehm war über sie zu reden.

Nach einer Weile sagte er schließlich: „Waschzwang.“

„Was?“

„Ich wasche mich sehr oft.“

„Ernsthaft jetzt? Ich meine, ich wasche mich auch oft, aber sieh her, meine Hände sind tadellos.“ Bestätigend wedelte sie mit ihren Händen vor seinem Gesicht herum. Er schüttelte minimal den Kopf.

„Hören Sie, ich weiß nicht warum ich einer wildfremden Bettlerin das alles erzähle, ich bitte Sie trotzdem etwas mehr Respekt zu haben.“ Er versuchte den Kopf zu heben, es schien ihm jedoch nicht zu gelingen, weshalb er mit geschlossenen Augen sprach.

„Moooment!“ Nun fühlte sich auch Bella beleidigt. „Ich bin weder wildfremd, noch bettle ich. Ich benötige Geld und das nicht für mich, sondern für ein Tierheim. Und dass du mir deine beschissenen Probleme anvertraust, liegt vermutlich daran, dass du mit deiner entzückend großkotzigen Art alle Menschen um dich herum vergrault hast, die sich je auch nur im Ansatz für dich interessiert haben.“ Sie bohrte ihren Zeigefinger in seine Schulter, woraufhin er gleich zurückzuckte. „Oh, Entschuldigung.“ Sie ließ ihn sofort sinken.

„Hat Ihnen mal jemand gesagt, dass Sie für eine Dame entschieden zu viel fluchen?“ Er grinste nun leicht und öffnete die schweren Lider.

Bella verdrehte genervt die Augen. „Ja, mein Dad. Aber das geht dich einen Scheißdreck an.“

„Scheint ein kluger Mann zu sein, Ihr Vater.“ Er schloss die Augen nun wieder, das Grinsen jedoch blieb. Es wirkte so fremd in seinem Gesicht, dass sie das Gefühl bekam, einen sehr verbitterten Menschen vor sich sitzen zu haben.

„Ja das ist er. Wie ist deiner so?“ Fast unmerklich zuckte er bei der privaten Frage zusammen und Bella ahnte schnell, dass sein alter Herr einen nicht ganz unerheblichen Teil zu seiner Panikattacke beizutragen hatte.

„Auch klug. Ich möchte nicht über ihn sprechen.“ Da er wieder blasser wurde, entschied Bella an dieser Stelle nicht weiter nachzuhaken. Zu ihrer Verwunderung ergriff er von sich aus das Wort. Seine Stimme hatte einen schönen vollen Klang, wie ihr auffiel.

„Fast alle, übrigens.“

„Was?“ Sie verstand nicht, was er meinte.

„Ich habe nicht alle vergrault. Einer ist gestorben.“

„Oh, Scheiße.“

„Und es kommt noch besser. Heute ist er wieder aufgetaucht.“ Er drehte seinen zurückgelehnten Kopf zur Seite um sie anzusehen. Sie zog erneut ungläubig die Augenbrauen in die Höhe und schlug ihr Bein unter.

„Also, ich hab nicht studiert oder so. Ich bin mir trotzdem ziemlich sicher, dass das nicht geht.“

„Das habe ich auch gesagt. Aber er stand eben wirklich und wahrhaftig in meinem Büro. Das bedeutet, dass er, entweder A. Niemals wirklich gestorben ist und ich mir mein gesamtes Leben auf einem Lügenkonstrukt aufgebaut habe, oder B. Er mir als Geist erschienen ist und ich nun vollends den Verstand verloren habe. Nun, da ich eine Visitenkarte von ihm habe, tendiere ich klar zu Variante A.“

Sie wollte ihre Antwort eigentlich besser formulieren, da platzte es einfach so aus ihr raus. „Scheiße man, ich dachte, ich habe Probleme, aber im Moment hab ich eindeutig das Gefühl, dass du derjenige bist, der am Arsch ist.“


Isabellas Plan vom Glück

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