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Kapitel 3

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Die grelle Sonne kitzelte ihre Nase, sodass sie laut und undamenhaft niesen musste. Mit einem ausladenden wohligen Gähnen streckte sie ihre Gliedmaßen von sich, bis sich ihre nackte Zehenspitze in einen warmen flauschigen Fellberg bohrte. Wie auf Kommando, schoss das weiße Riesenknäuel nach oben und schleckte seinem Frauchen ausgiebig über das verschlafene Gesicht.

„Hey, Buddy. Na, hast du gut geschlafen?“ Sie wuschelte seine großen cremefarbenen Schlappohren, was er mit einem hektischen Schwanzwedeln quittierte. „Guter Junge. Ja.“ Er schnuffelte wie verrückt in ihrer Halsbeuge und schien vor Liebe fast überzuquellen. Isabella kuschelte sich noch für einen kurzen Moment an seinen weichen Körper, bevor sie aufstand und zur Eingangstür lief. Er folgte ihr eilig. Wahrscheinlich wusste er, dass sie gleich die Fliegengittertür öffnen würde, um ihn in den kleinen Vorgarten zu entlassen, damit er sein Geschäft erledigen konnte. Sie selbst ging in das weiß geflieste Bad, um sich zu waschen und frische Kleidung anzuziehen. Gerade als sie den Mund voller Zahnpasta hatte, hörte sie von weitem, dass ihr Handy klingelte. Hastig spülte sie den minzigen Schaum aus und stürzte in das Gästezimmer zurück. Dann durchwühlte sie ihren kleinen bunten Strickrucksack, um das blinkende Gerät heraus zu fischen.

„Yeah?“

„Hey, Bella. Wo steckst du? Ich habe schon mehrmals versucht dich zu erreichen. Mom reißt dir den Kopf ab!“

Die Stimme ihrer jüngeren Schwester klang so aufgeregt, dass Isabella sofort das Telefon vom Ohr nahm, um auf das Display zu sehen. Tatsächlich zeigte es drei Anrufe in Abwesenheit.

„Mach mal halblang, Greta. Ich bin bei den Wilbours und passe auf Buddy auf. Die beiden kommen morgen erst aus dem Urlaub zurück.“ Verstohlen sah sie auf den Funkwecker und erschrak. Es war bereits zwölf Uhr mittags und das war selbst für sie eine späte Zeit zum Aufstehen.

„Dann sag das Mom bitte. Du weißt doch, dass sie sich Sorgen macht, wenn du dich so lange nicht meldest.“ Langsam beruhigte sich ihr Tonfall.Isabella hörte, dass Greta trotzdem auf ihren Nägeln kaute, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war.

„Süße, ich bin sechsundzwanzig Jahre alt und wohne seit fünf Jahren allein. Ich muss mich nicht mehr abmelden.“

„Ich weiß. Aber du weißt doch auch, wie sie ist. Sie ist nun mal eine Oberglucke. Also ruf sie kurz an, ja?“

Isabella musste lächeln, als sie an ihre Mom dachte, die sie über alle Maßen liebte. Sie und ihr Dad hatten es mit ihren drei Kindern sicher nie leicht gehabt. Sie hatten stets am finanziellen Abgrund gelebt. Durch die viele Liebe, die ihre Eltern ihrer Familie immer geschenkt hatten, war die Situation Isabella als Kind jedoch nie bedrückend erschienen. Erst jetzt, da ihr Daddy wegen eines Bandscheibenvorfalls nicht mehr auf dem Bau arbeiten konnte, machte sie sich ernsthaft Sorgen um sie.

„Geht’s Mom und Dad gut? Ich meine, kommen sie zurecht?“ Ihre Stimme klang jetzt besorgt. Auch ihre Schwester seufzte. Solche Dinge musste sie Greta fragen, denn ihre Mom hätte irgendwie vom Thema abgelenkt, um ihre Tochter nicht zu beunruhigen. Weil ihre Schwester allerdings nur einige Straßen von ihren Eltern entfernt in einem Studentenwohnheim wohnte, hatte sie meist einen ganz guten Durchblick, was die finanzielle Lage ihrer Eltern betraf. Sowieso war sie der hellste Stern der Familie und Isabella hoffte, dass wenigstens sie nach dem Universitätsabschluss im nächsten Jahr, den sie zweifelsohne mit Bravour meistern würde, ein sattes Gehalt in irgendeiner Kanzlei ergattern könnte. Dem Himmel sei Dank, dass es Stipendien gab, sonst hätte ihre schlaue Schwester vielleicht nie die Chance zum Studieren bekommen.

„Na ja, es geht so. Patrick hat Geld geschickt. Damit kommen sie für den Moment über die Runden.“

Ihr älterer Bruder war vor zwei Jahren nach Frankreich gezogen und arbeitete dort als Konditor. Wann immer er ein wenig Geld übrig hatte, schickte er es seinen Eltern.

„Was treibst du so, wenn du nicht gerade auf die Flohbüchse aufpasst?“

Isabella hatte sich inzwischen auf ihr unordentliches Gästebett gesetzt und kraulte den Kopf des gutmütigen Bären, der seine feuchte Schnauze in ihren Schoß gelegt hatte und genüsslich vor sich hin döste.

„Dies und das. Du weißt doch, dass ich es nirgends lange aushalte. Das Leben ist einfach zu schön, um es zu vergeuden.“ Sie streckte das Gesicht in die heißen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster drangen, und lächelte selig. Natürlich wusste sie, dass sie nicht gerade Dinge tat, die im Allgemeinen als erfolgreich galten. Trotzdem war sie für den Moment zufrieden mit ihrem Lebenswandel. Hier und da ein Job, frei und ungebunden die schönen Momente des Lebens genießen und so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln. Das war es was sie tat und was sie liebte. Wenn nur nicht die Sorge um ihre Eltern wäre, die sie manchmal bereuen ließ, dass sie nicht studiert und ihnen ein besseres Leben ermöglicht hatte.

„Tu, was du nicht lassen kannst, Süße. Ach so, bevor ich es vergesse … Mister Wallace hat Mom wegen deiner Miete angesprochen. Sieh zu, dass du das geregelt bekommst.“ Manchmal hatte Isabella das Gefühl, zwei Mütter zu haben.

„Oh, Mist. Ich kümmere mich morgen darum, wenn Miss Wilbour mir mein Geld gibt. Danke, Greta.“

„Ich muss Schluss machen, meine Vorlesung fängt gleich an. Ich hab dich lieb.“

„Ich hab dich auch lieb.“

Sobald sie aufgelegt hatte, zog sich Isabella an, schlüpfte in ihre roten Chucks und zwirbelte ihre langen braunen Haare zu einem lockeren Dutt. Sie schloss die Tür hinter sich ab und pfiff nach Buddy, der sich folgsam an ihre Seite begab.

„Feiner Junge“, lobte sie ihn mit einem Kopfkraulen und legte ihm das braune Lederhalsband an, das sofort in seinem langen zotteligen Fell verschwand.

Als sie am Tierheim ankam, wurde sie schon von einem wilden Gekläff begrüßt. Sie schritt langsam die Zwinger ab und nahm sich die Zeit, jeden ihrer Freunde mit einer kleinen Liebkosung zu verwöhnen. Seit sie denken konnte kam sie hierher, um ein wenig von ihrer Liebe zu verschenken. Da sie sich selbst nie einen Hund hatte leisten können, war das der optimale Weg gewesen, etwas Gutes zu tun und gleichzeitig ihren eigenen Drang nach einem Haustier zu befriedigen. Das Tierheim, das sich ausschließlich um Hunde kümmerte und deshalb vielmehr ein Hundeheim war, war für sie wie ein zweites Zuhause geworden. Sie wurde innerlich zappelig, wenn sie nicht wenigstens dreimal die Woche hier aufkreuzte und mithalf, obwohl sie dafür keinen Cent bekam. Die Einrichtung steckte in großen Schwierigkeiten, seit ein wichtiger Sponsor ausgestiegen war.

Als Isabella auf einen der drei Nebentrakte zu schritt, sah sie Buddy, der ausgelassen mit dem quirligen Hofhund Max über die kleine eingezäunte Wiese tobte. Sie schloss sich direkt an das etwas heruntergekommene Haupthaus an und musste im Sommer besonders oft für die legendären BBQ-Abende herhalten. Dementsprechend war sie aktuell stark heruntergetreten, woran sich jedoch weder Mensch noch Hund zu stören schienen.

„Hallo? Suzie?“ Bella ging in den gefliesten Gang, in dem ihre beste Freundin und Leiterin des Tierheims damit beschäftigt war, die Käfige zu reinigen.

„Hey, Süße. Hältst du mal kurz?“ Suzanne drückte ihr zwei kleine schwarze Welpen in die Hand, die noch nicht einmal die Augen geöffnet hatten. Die aufmerksame Mutter, ein liebenswürdiger Corgi-Mix, stand schwanzwedelnd zu Bellas Füßen und verfolgte genau, was mit ihren Kindern passierte.

„Mannomann, sind die süß. Das hast du ganz toll gemacht, Fluffy.“

„Wieder zwei Mäuler mehr zu stopfen“, unterbrach Suzie Bellas euphorische Babystimme, die sie immer bekam, wenn sie mit Hunden sprach.

„So schlimm?“ Erst jetzt hielt Suzanne in ihrer Bewegung inne und sah ihre Freundin sorgenvoll an, während sie sich mit dem Kinn auf den Besenstil stützte. „Schlimmer. Wenn noch mehr kommen, können wir schließen.“

„Wir müssen doch irgendetwas tun können. Wo sollen denn alle hin, wenn du zumachen musst?“ Bellas Stimme klang verzweifelt, als sie an all die herrenlosen Tierchen dachte, die hier wenigstens ansatzweise ein Zuhause fanden. Suzie zog sich den Handschuh aus und wischte sich das krause blonde Haar aus der verschwitzten Stirn. Normalerweise zierten nur Lachfalten ihr fröhliches Gesicht. Ein geübter Blick, wie Bella ihn besaß, sah jedoch, dass sich in letzter Zeit etliche Sorgenfalten um ihren Mund schlichen.

„Wir brauchen Geld, Bella. Viel Geld. Sonst wird es uns nächstes Jahr nicht mehr geben. Du weißt, dass wir ohne die Spenden von Mister Applestone total am Arsch sind.“ An die grobe Ausdrucksweise ihrer Freundin, hatte sich Isabella längst gewöhnt, zumal sie selbst diesbezüglich keinen Deut besser war. Dass ihr ältester und bester Sponsor vor drei Monaten an einem plötzlichen Herzversagen gestorben war, konnte sie nur schwer akzeptieren. Sie wusste in welche finanzielle Bredouille das Ausbleiben der regelmäßigen Gelder das Tierheim bringen würde.

„Ich lass mir was einfallen, Suz. Mach dir keine Sorgen. Gemeinsam schaffen wir das.“ Sie packte die Welpen und deren Mutter wieder in die saubere Box und umarmte dann ihre Freundin herzlich.

„Dein Wort in Gottes Ohr. Hast du Buddy mit?“ Suzie wendete sich der nächsten Box zu und begann zu fegen, während sich die kleine braune Hundedame in ihr Körbchen bequemte, um dem Besen auszuweichen.

„Ja, er spielt draußen mit Max. Er hat sich toll bei den Wilbours eingelebt.“

„Ich bin froh, dass er es so gut getroffen hat. Er ist wirklich ein feiner Kerl.“

„Ich finde es auch toll. Vor allem, dass ich hin und wieder auf ihn aufpassen kann.“ Bellas Stimme klang nur halbherzig, denn sie war mit den Gedanken schon ganz woanders. „Du hör mal – ich gehe noch mal mit der Spendenbox los. Vielleicht passiert ja doch noch ein Wunder und ich finde einen neuen Sponsor.“ Sie musste nun lauter sprechen, da Suzie aus ihrem Blickfeld verschwunden war, um Wasser in einen Napf zu füllen.

„Du musst das nicht machen, Bella.“ Suzanne kam wieder und stellte die Metallschale in die Box, in der er einen kleinen nassen Fleck auf dem Betonboden hinterließ.

„Ich möchte aber. Du weißt, wie viel mir an euch liegt. Ich lass dich damit nicht allein stehen.“

„Ich weiß, meine Liebe. Du bist die gutherzigste kleine Nervensäge, die ich kenne.“ Suzanne knuffte liebevoll Bellas Arm bevor sie sich dem nächsten Zwinger widmete.

„Ich gehe heute mal in die Innenstadt. Vielleicht kann ich irgendeinen Geldsack auftreiben. Wo ist das Schild?“ Suzie steckte den Kopf in eine Holzhütte und schrubbte mit einer Bürste den Boden aus. Ihre mütterliche Stimme klang deshalb meilenweit entfernt und hatte einen dumpfen Hall, als sie antwortete.

„Schau mal drüben neben dem Telefon. Ich glaube da hatte ich es letztens abgestellt.“

„Ist gut. Ich bin dann erstmal weg. Wenn ich wiederkomme, helfe ich dir noch beim Füttern.“

„Ok, Süße. Pass auf, dass dich niemand beim Betteln erwischt. Du weißt doch, wie die Bonzen das finden. Ach und Bella?“, Suzie streckte für einen Moment den Kopf aus der Hütte und sah Bella aus großen blauen Augen an, „Danke!“


Isabellas Plan vom Glück

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