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2. Kapitel Die schwarzen Engel 1.

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»Schwarze Engel«, wiederholte Daniel ungläubig. »Das ist nicht euer Ernst!«

Erst sagte niemand etwas, sondern sie sahen ihn nur an.

Daniel wartete darauf, dass sie in Gelächter ausbrachen, auf ein geprustetes »Reingelegt!«, doch nichts dergleichen geschah.

Dann ergriff Ranva das Wort: »Uns ist klar, dass das schwer zu verstehen ist, aber du musst uns glauben.«

Daniel starrte sie fassungslos an.

Raphael kam zu ihm und ging vor ihm in die Hocke. Er sah Daniel fest in die Augen. »Es klingt verrückt, das wissen wir auch. Ich kann sogar verstehen, dass du den anderen nicht glauben willst, aber sieh mir bitte in die Augen! Du kennst mich, du kannst mir glauben. Vertrau mir, bitte!«

Daniels Widerstand begann zu bröckeln. Es lag nicht nur an der Art, wie Raphael ihn ansah; ein weit entfernter Teil in ihm konnte spüren, dass sie die Wahrheit sagten.

»Das ist doch absolut verrückt«, murmelte Daniel, mehr zu sich selbst.

Raphael sah ihn besorgt an. »Ich wusste, wir hätten es dir nicht erzählen sollen.«

»Aber es hätte gefährlich werden können, wenn wir es nicht getan hätten«, warf Farah ein.

Daniel schloss die Augen und bereitete sich innerlich auf den nächsten Schlag vor. »Wieso gefährlich?«, fragte er dann.

»Wie schon gesagt, vermuten wir, dass du etwas besitzt, das die Mächte begehren«, sagte Gabriel. »Damit meinen wir sowohl Gott als auch Satan.«

Da erstarrte Daniel. Nicht, weil ihm Gabriels Worte solche Angst eingejagt hatten, sondern, weil ihm etwas aufgefallen war. Etwas, das ihm eigentlich sofort hätte auffallen müssen.

Langsam stand Daniel auf. »Und zu welcher Seite gehört ihr, wenn ich fragen darf? Oder erklärt das das Wort schwarz etwa von ganz alleine?«

Raphael stand ebenfalls auf. »Das verstehst du falsch«, versuchte er, Daniel zu beruhigen, »wir sind keine Höllenengel; schwarze Engel sind nicht wie gefallene Engel. Ja, wir schwarzen Engel sind aus dem Himmel gefallen, aber wir haben uns geweigert, uns Luzifer anzuschließen. Wir gehören niemandem, weder Gott noch Satan.« Raphael stellte sich neben ihn und drückte ihn mit sanfter Gewalt zurück auf die Bank.

Auch die anderen setzten sich wieder.

»Das ist jetzt wahrscheinlich viel zu viel auf einmal«, sagte Gabriel zwischenrein, »aber wir haben keine Wahl, wir müssen dir noch mehr erzählen.«

»Na toll!«, murmelte Daniel. Dann straffte er seine Schultern und richtete sich auf. »Also schön, bringen wir es hinter uns«, sagte er.

Farah warf ihm ein strahlendes Lächeln zu. »Du gefällst mir!«

Daniel spürte, wie er leicht errötete.

»Wie auch immer«, unterbrach sie Gabriel. »Jeder Engel hat eine andere Gabe, wenn du es so nennen willst. Wir spüren bestimmte Gefühle wie unsere eigenen. Ich zum Beispiel erkenne es, wenn jemand lügt. Dementsprechend kann ich die Lüge verstärken oder jemanden zwingen, die Wahrheit zu sagen.«

»Ich spüre Freude«, machte Farah weiter, »Ranva die Angst. Wyn erkennt Gefahr, Leander fühlt Trauer und Raphael den Schmerz.«

Daniel sah Raphael erschrocken an, der vollkommen gelassen neben ihm saß. »Das bedeutet …«, fing Daniel an.

»Ich spüre die Schmerzen aller Menschen in meiner Umgebung«, beendete Raphael den Satz, während er in die Flammen des Lagerfeuers starrte.

Ranva schmiegte sich enger an ihn. »Das klingt grausam, nicht wahr?«, sagte sie zu Daniel, während Raphael sie sanft auf den Scheitel küsste.

Daniel nickte. »Aber was hat das alles mit meinem Traum zu tun?«

»Da du in deinem Traum ein Engel bist, geht es vermutlich um die Gabe, die du später besitzen wirst«, antwortete Gabriel.

»Es gibt Gefühle, die überaus wertvoll sind«, erklärte Farah weiter. »Dazu zählen unter anderem die sieben Todsünden, zum Beispiel Eifersucht, Hochmut oder Hass.«

Da riss Raphael die Augen auf. »Der Hass der Engel«, flüsterte er.

Auch Gabriel sah aus, als wäre er eben mit einem Hammer geschlagen worden. »Das kann nicht sein«, hauchte er, »warum haben wir daran nicht früher gedacht?«

»Würdet ihr uns bitte einweihen?«, fragte Farah.

»Der Hass der Engel ist der Name einer Prophezeiung«, antwortete Raphael, und an Daniel gewandt fügte er hinzu: »Im Himmel und in der Hölle existieren die Hallen der Prophezeiungen. Es gibt einige Engel, die seherische Fähigkeiten besitzen und ihre Visionen niederschreiben. Da sie aber in den jeweiligen Hallen aufbewahrt werden, weiß der Himmel nicht, was die Hölle prophezeit und umgekehrt.«

»Vor langer Zeit verfasste Jophiel besagte Prophezeiung«, fuhr Gabriel fort. »Sie besagte, dass ein Sterblicher mit unfassbaren Kräften in den alten Krieg zwischen Gut und Böse gezogen wird. Dieser Sterbliche wird als Engel des Hasses nach seinem Tod wiederauferstehen, und natürlich will ihn jeder auf seiner Seite wissen, um im Krieg einen entscheidenden Vorteil zu haben.«

»Und ihr glaubt wirklich, dass ich das sein könnte?«, fragte Daniel.

»Sicher können wir uns nicht sein«, sagte Raphael, »allerdings passt es gut zu dem, was Wyn mir erzählt hat.«

Alle sahen Wyn fragend an.

»Ich spüre eine nicht lokalisierbare Gefahr«, beantwortete er die Blicke, »kann spüren, dass sie ihre Kreise immer enger um Daniel zieht, doch um was genau es sich handelt, kann ich leider nicht erkennen.«

»Also läuft alles darauf hinaus, dass ich ermordet werden, von wem auch immer.« Daniel fühlte eine seltsame Resignation, als er das sagte.

»Nein!«, sagte Leander da so scharf, dass Daniel zusammenzuckte. »Das lassen wir nicht zu!«

»Da hat er recht«, nickte Farah. »Wir brauchen bloß einen Plan.«

»Was mich interessiert«, begann Wyn nachdenklich, »ist, woher die Hölle plötzlich von der Prophezeiung wissen sollte.«

»Vielleicht ist Jophiel gefallen«, meinte Leander, doch Gabriel schüttelte den Kopf. »Jophiel ist noch nicht gefallen, Raphael und ich haben zumindest nichts dergleichen gehört.«

»Ich denke, dass Sopra uns weiterhelfen kann«, warf Ranva ein. »Schließlich ist sie die Hüterin der Prophezeiungen. Wenn wir also …«

Weiter kam sie nicht, denn Wyn sprang plötzlich auf und rief: »Bringt Daniel hier weg!«

Im selben Moment zuckten Raphaels Hände zu seinem Brustkorb, als hätte er große Schmerzen, und sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Gefallene Engel!«, stöhnte er.

Um Daniel herum schien Chaos auszubrechen. Die anderen sprangen alarmiert auf, während Gabriel Daniel an sich zog. »Ich bringe dich zurück nach Hause, die anderen kommen nach.«

Hinter Gabriel machten sich Raphael, Leander, Ranva, Farah und Wyn kampfbereit; jeder zog eine andere Waffe hervor.

Während er Gabriel folgte, begegnete Daniel Raphaels Blick.

»Pass auf dich auf«, formte Raphael mit den Lippen, bevor er mit den anderen in der Dunkelheit verschwand.

Daniel sah ihm besorgt nach. »Pass du auch auf dich auf«, flüsterte er.

Gabriel zog ihn am Arm. »Komm, wir haben einen Bannkreis um das Gelände gelegt, aber der gewährt uns nur einen kleinen Vorsprung.«

Sie verließen das Fabrikgelände und bogen nach links in eine Gasse. Gabriel ging schnell und bestimmt; Daniel musste fast rennen, um mit ihm Schritt zu halten.

Als er seine Sorgen nicht mehr ertrug, fragte Daniel schließlich außer Atem: »Was war gerade mit Raphael?«

»Später«, war alles, was er als Antwort erhielt. Gabriel führte ihn durch ein ganzes Labyrinth von Gassen; Daniel war sich sicher, diesen Weg nicht mit Raphael gekommen zu sein.

Endlich tauchten in einiger Entfernung die Lichter der Hauptstraße auf, doch Gabriel blieb stehen. »Lass uns den Rest des Weges fliegen«, sagte er. »Das geht schneller und ist schwerer zu verfolgen. Halt dich an mir fest!«

»Warte, was?«, fing Daniel an.

Als ein Lichtblitz erschien, wurde er in die Luft gerissen.

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