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4.

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Nachdem Daniel zu Hause angekommen war, hatte er sich in sein Zimmer zurückgezogen. Die Kopfschmerzen waren wiedergekommen, schlimmer als zuvor. Sogar das kurze Gespräch mit seiner Mutter, dass er sich noch mit Raphael treffen wollte, hatte sich wie Glasscherben in seinem Kopf angefühlt.

Kraftlos ließ Daniel sich in seinen Sessel fallen und versuchte, sich mit dem Gedanken an Raphaels Freunde abzulenken. Er saß immer noch regungslos da, als es pünktlich um acht Uhr an der Haustür klingelte.

Daniel öffnete die Augen, verscheuchte die Bilder, die in seinem Kopf herumspukten. Er zog im Flur gerade seine Jacke an, als seine Mutter mit einem Buch in der Hand aus dem Wohnzimmer kam.

»Ist schon gut«, sagte Daniel, »das wird Raphael sein.«

Seine Mutter lächelte und strich sich ihre hellbraunen Locken zurück. »Gut, amüsiert euch. Aber kommt bitte nicht zu spät, morgen ist schließlich ein Schultag.«

Daniel winkte ihr zu, als sie wieder ins Wohnzimmer ging. Dann öffnete er die Tür und stockte. Vor ihm stand Raphael, aber er sah plötzlich völlig anders aus.

Wie immer war er ganz in schwarz gekleidet, doch dazu trug er schwere Stiefel. Um seinen Hals hing ein silbernes Kreuz an einer filigranen Kette. Dieses Kreuz schien seine ganze Ausstrahlung zu verändern, schien ihn stark und gleichzeitig verletzlich zu machen.

»Etwas paradox heute«, scherzte Daniel, um seine eigene Anspannung zu lösen.

Raphael sah ihn allerdings verständnislos an.

»Das Kreuz?«, half Daniel ihm auf die Sprünge.

Als Raphael den Anhänger kurz berührte, huschte ein liebevoller Ausdruck über sein Gesicht. »Die Kette war ein Geschenk«, antwortete er. »Sollen wir?«

Daniel nickte, und sie gingen los.

Zuerst durchquerten sie das Zentrum der Stadt. Raphael ging zielsicher durch die Straßen, während Daniel langsam die Orientierung verlor.

»Wo genau gehen wir eigentlich hin?«, fragte Daniel, als sie in eine dunkle Gasse einbogen.

»Ins alte Industriegebiet«, antwortete Raphael, als wäre diese Antwort vollkommen selbstverständlich.

Was sie tatsächlich auch war, das alte Industriegebiet war schließlich ein beliebter Treffpunkt der schwarzen Szene. Es war abgelegen, düster, und Daniel bemerkte, dass die Straßenbeleuchtung nur sporadisch funktionierte.

Sie gingen auf eine dunkle Fabrik zu, die bedrohlich in den Himmel hinaufragte. Ein eiserner Zaun umspannte das Gelände, aber das stählerne Tor stand offen. Vereinzelt waren ein paar Büsche gewachsen, und der Schein eines kleinen Lagerfeuers erhellte die Dunkelheit. Die Silhouetten von fünf Menschen, die auf Holzbänken um das Feuer saßen, waren zu erkennen.

Daniel spürte einen Anflug von Nervosität, als sich ein Schatten von der Gruppe trennte und auf ihn und Raphael zukam.

Das Mädchen hatte schwarze Haare, die ihr bis zu den Ellbogen fielen, hellgraue Augen und trug einen schwarzen Rollkragenpullover mit weiten Ärmeln. Dazu hatte sie schwarze Jeans an, die in Stiefeln mit durchgehender Plateausohle steckten.

Kaum war das Mädchen bei ihnen angekommen, zog Raphael sie in seine Arme und drückte ihr einen Kuss in die Haare.

»Daniel, das ist meine Freundin Ranva«, stellte Raphael sie vor.

»Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Daniel.

»Ja, mich auch«, lächelte Ranva. Ihre grauen Augen funkelten.

Es überraschte Daniel, als sie ihn ebenfalls in die Arme schloss.

»Kommt schon«, sagte sie dann und nahm Raphaels Hand, »alle warten schon auf euch.«

Gemeinsam gingen sie auf das Feuer zu. Drei Jungen und ein weiteres Mädchen erwarteten sie. Das Mädchen stand auf, um Daniel ebenfalls kurz in die Arme zu schließen. Ihre roten Haare waren kürzer als Ranvas und außerdem leicht gewellt. Sie trug eine schwarze Korsage unter einem gleichfarbigen Strickmantel.

»Das ist Farah«, sagte Ranva.

»Hey, Daniel, wie geht’s?«, fragte Farah und lächelte.

Daniel zuckte nur vage mit den Schultern.

Ein Junge, der schlichte schwarze Kleidung trug, musterte ihn eindringlich. Seine Augen wirkten im flackernden Licht gelblich. »Ich bin Gabriel«, stellte er sich schließlich vor.

Der Junge, der neben Gabriel saß und dessen schwarz-blaue Haare im Feuerschein seidig leuchteten, beachtete Daniel nicht sonderlich. Seine schwarzen Augen bohrten sich förmlich in Raphaels, der fragend eine Augenbraue hochzog. Daniel beobachtete es verwirrt.

»Das ist Wyn«, sagte Farah laut und lenkte Wyns Aufmerksamkeit damit auf Daniel.

Wyn lächelte ihm nur flüchtig zu und wandte sich dann wieder an Raphael. »Können wir kurz reden?«, fragte er dann.

Als Raphael nickte, verschwanden die beiden aus dem Lichtkreis des Lagerfeuers.

Der dritte im Bunde sah Daniel gleichgültig an. Seine blauen Augen wirkten kalt wie Eis; auch er trug schwarze Kleidung, hatte aber dazu ein Halsband mit spitzen Nieten umgelegt. »Das ist Leander«, flüsterte Ranva Daniel zu.

»Hey«, murmelte Daniel verunsichert.

Leander nickte ihm nur zu, dann breitete sich Schweigen aus, und jeder sah in eine andere Richtung und hing eigenen Gedanken nach. Nur das leise Knacken der Holzscheite im Feuer, durchbrach hin und wieder die Stille.

Irgendwann ließ Gabriel mit einem leisen Zischen die Luft aus seinen Lungen entweichen. »Was Raphael und Wyn wohl so lange bereden?«

Ranva grinste und setzte sich neben ihn. »Versuchst du gerade, die Stimmung aufzulockern?«

Gabriel grinste ebenfalls. »Wenn es sonst keiner tut.«

Farah lachte gutgelaunt auf und schubste Daniel in Richtung der Bänke. Beide setzten sich, und in diesem Moment kamen Raphael und Wyn zurück.

»Was haben wir verpasst?«, fragte Wyn und setzte sich neben Leander.

»Gabriel hat uns mit Humor gefoltert«, erwiderte dieser trocken.

»Also habt ihr Daniel noch nichts erzählt?«, wollte Raphael wissen, der sich hinter Ranva stellte und seine Hände auf ihre Schultern legte.

»Was sollen sie mir denn erzählen?«, fragte Daniel misstrauisch.

»Es geht um deinen Traum«, fing Raphael an. »Wir können dir helfen oder wenigstens glauben wir das. Wir haben viel darüber nachgedacht, sind uns aber noch nicht sicher, ob wir richtig liegen.«

Gabriel stand auf und stellte sich neben Raphael. »Unsere Theorie«, erklärte er, »ist, dass du etwas Besonderes bist. Du hast etwas, das alle Mächte der Welt begehren.«

»Muss ich wissen, wovon ihr redet?«, fragte Daniel, der sich wie in einem falschen Film vorkam.

»Das wird schwerer als gedacht«, seufzte Raphael. »Es gibt da etwas, dass du über uns wissen solltest.«

Ehe er weitersprechen konnte, hob Wyn eine Hand. »Ich höre jemanden.«

Tatsächlich kam ein Pärchen aus dem Schatten. Als sie das Feuer sahen, wurden sie langsamer. Wyn löste die Anspannung, als er dem Paar grüßend zunickte.

Die beiden grüßten ebenfalls, gingen dann aber zu einem anderen Teil des Geländes. Bald wurden sie von der Dunkelheit verschluckt.

»Nur Menschen«, murmelte Farah erleichtert.

Daniel sah sie verwirrt an. »Wie meinst du das?«

»Das ist es, was wir dir sagen wollen«, begann diesmal Ranva. »Wir können dir mit deinem Traum helfen, weil wir anders sind.«

»Ich verstehe immer noch nicht.« Daniel wurde zunehmend nervöser. Es klang, als wäre er an eine verrückte Sekte geraten.

»Was du wissen musst«, sprach Raphael weiter, »ist, dass wir keine Menschen sind.« Er zögerte kurz. »Wir sind Engel.«

»Das … Das ist ein Witz, oder?«, fragte Daniel ungläubig.

Ranva schüttelte den Kopf. »Nein, Daniel. Es ist wahr.«

»Aber es ist nur die halbe Wahrheit«, sagte nun Gabriel. »Wir sind nicht einfach nur Engel. Wir sind schwarze Engel.«

Schwarze Präsenz

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