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4. Kapitel Schatten der Liebe 1.

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Daniel saß auf seinem Bett und hörte sich Wyns Strategie an. Seine Taktik war gut durchdacht und klang auch vielversprechend. Das hieß aber noch lange nicht, dass sie Daniel gefiel.

Wyn wollte, dass Daniel untertauchte. Am besten ohne ein Wort oder eine Erklärung; so konnte die Hölle nicht versuchen, über seine Familie oder Freunde an ihn heranzukommen.

»Ich glaube nicht, dass ich das kann«, sagte Daniel schließlich, als Wyn geendet hatte.

»Es ist ein großes Opfer«, stimmte Ranva ihm zu, »aber Luzifer wird nicht davor zurückschrecken, deiner Familie oder deinen Freunden etwas anzutun.«

»Das will ich natürlich auch nicht, aber einfach so verschwinden?«

»Jeder, der etwas weiß, ist automatisch gefährdet«, sagte Gabriel.

»Leider«, fügte Raphael leise hinzu.

Daniel sah ihn an. Die letzten paar Minuten war Raphael extrem still geworden, und auch jetzt schien er Daniels Blick auszuweichen.

Raphael sah nur zu Boden, hielt Ranvas Hand und wirkte niedergeschlagen.

Daniel sah zu Leander und suchte nach Anzeichen, ob dieser Raphaels Trauer spüren konnte. Doch Leander stand mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt da und sah stur geradeaus.

»Es ist die sicherste Möglichkeit«, sagte Wyn und lenkte Daniels Aufmerksamkeit wieder auf sich.

»Meine Eltern werden bestimmt nach mir suchen«, wandte Daniel noch ein.

»Wir lassen uns etwas einfallen«, versprach Wyn. »Gabriel kann da bestimmt etwas tun.«

Gabriel nickte, während Daniel noch einmal über alles nachdachte. Genaugenommen hatte er wirklich keine Wahl.

»Na schön«, seufzte er, »ich mache es.«

»Dann ist es beschlossene Sache«, freute sich Farah strahlend. »Du ziehst bis auf Weiteres zu uns. Soll ich dir packen helfen?«

»Zu euch?«, wunderte sich Daniel, zog aber eine schwarze Reisetasche unter seinem Bett hervor.

»Wo hast du denn gedacht, dass wir dich hinschicken?«, lachte Farah.

Daniel zuckte nur mit den Schultern, grinste dann aber. Farahs gute Laune war wirklich ansteckend.

Dann begann er, Kleidung und einige Habseligkeiten einzusammeln, die ihm viel bedeuteten. Darunter war ein Lederarmband, das sein Freund Chris ihm einmal geschenkt hatte. Er dachte an dessen Geburtstagsfeier und wie enttäuscht er sein würde, wenn Daniel nicht auftauchte. Es versetzte ihm einen Stich.

»Mir wäre wohler, wenn wir noch einmal die Umgebung kontrollieren«, sagte Gabriel. »Mir geht dieser Dämon nicht aus dem Kopf.«

»Ich kann im Moment zwar nichts spüren, aber sicher ist sicher«, stimmte Wyn zu.

»Ich bleibe hier«, sagte Raphael, »nur zur Vorsicht.«

Daniel hörte, wie sie den Raum verließen, während er ein letztes Shirt in die Tasche warf und den Reißverschluss schloss. Während er sich zu Raphael umdrehte, sagte er zu ihm: »Ich denke, ich habe alles.«

»Ich wünschte, es gäbe eine andere Möglichkeit«, erwiderte Raphael.

Daniel sah zu Boden. »Ja, ich auch«, gab er zu.

»Es tut mir leid.«

Daniel hob den Kopf und begegnete Raphaels traurigem Blick. »Es muss dir nicht leidtun, es ist nicht deine Schuld«, sagte er.

»Es hätte nicht so weit kommen dürfen. Ich habe gewusst, dass du anders bist, als ich dich das erste Mal sah«, widersprach Raphael. »Ich habe mir eingeredet, dass ich mir alles nur einbilde, weil ich unsere Freundschaft nicht beenden wollte, und jetzt habe ich dich damit nur in Gefahr gebracht.«

Daniel starrte Raphael überrascht an. Er wusste, dass Raphael immer etwas melancholisch war, trotzdem war ihm diese Seite neu.

»Gib dir keine Schuld für etwas, das du nicht ändern kannst«, sagte Daniel schließlich.

Raphael erwidert nichts; die beiden sahen sich stumm in die Augen. Da spürte Daniel etwas in sich aufsteigen. Er konnte es mit Worten nicht beschreiben, hatte so etwas noch nie zuvor gefühlt.

Raphaels Augen zogen ihn magisch an, die Pupillen schienen sich zu weiten und verschlangen das Grün. Aus Raphaels Augen wurde eine endlose Spirale, in der Daniel sich verlor. Er schien in einen endlosen Schacht zu fallen, und das Gefühl wog schwer auf seinen Schultern. Bis der Hass kam.

Daniel spürte einen furchtbaren Hass auf die ganze Welt und auf sich selbst. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass er Raphaels Gefühle spüren konnte.

»Warum hasst du dich so?«, fragte Daniel.

Als Raphael blinzelte, war der Bann gebrochen.

»Wovon redest du?«, fragte Raphael.

»Lass mich dir helfen«, sagte Daniel, ohne auf Raphaels Frage einzugehen.

»Du kannst mir nicht helfen«, behauptete Raphael.

»Wieso nicht?«

»Weil ich am besten weiß, dass man Schmerz nicht teilen kann«, antwortete Raphael.

Daniel schüttelte ungläubig den Kopf. Da sah er, wie sich eine Gestalt dem Fenster näherte. Es war Ranva, die vor dem Fenster stehen blieb und Daniel ansah.

»Hast du alles?«, fragte sie.

Daniel nickte, und Ranva winkte ihn zu sich. »Na dann, nichts wie los!«

Auch die anderen warteten schon auf ihn. Gabriel streckte die Hand nach Daniels Tasche aus und sagte: »Die kannst du ruhig mir geben.«

Daniel reichte ihm sein Gepäck und kletterte aus dem Fenster. Raphael folgte ihm, blieb dann aber auf dem Fenstersims sitzen. Ranva lehnte sich an seine Beine.

»So, wollen wir dann los?«, fragte Farah voller Tatendrang.

»Bin ich ganz dafür«, sagte Gabriel. »Können wir laufen oder sollen wir fliegen?«

»Oh nein«, murmelte Daniel, und die anderen lachten.

Wyn zwinkerte ihm zu. »Laufen ist vollkommen in Ordnung.«

»Ich habe vorhin hinter dem Haus eine Spur gefunden«, unterbrach sie da Leander. »Ich würde gerne mit Raphael hierbleiben und sie mir genauer ansehen.«

Raphael zuckte nur mit den Schultern.

Ranva drehte sich zu ihm um und knabberte zärtlich an seinem Ohr. »Dann muss ich dich ja loslassen«, flüsterte sie ihm zu.

Raphael küsste sie sanft auf die Stirn. »Hör einfach nicht auf, an mich zu denken«, sagte er.

Ranva lächelte. »Ich denke doch immer an dich.«

»Eure Zweisamkeit in allen Ehren, aber wollten wir nicht los?«, erinnerte Farah sie.

Ranva seufzte und löste sich von Raphael. »Na schön, ich bin so weit«, sagte sie.

Gabriel dirigierte sie in Richtung Straße, sodass sie Raphael und Leander hinter sich ließen. Daniel verlor seinen besten Freund nur ungern aus den Augen, besonders nach dem Erlebnis von gerade eben. Er versuchte, sich mit dem Gedanken zu trösten, dass Leander bei ihm war. Leander würde es bestimmt bemerken, wenn es Raphael schlecht ging. Doch was, wenn Raphael auch von ihm keine Hilfe annahm?

»Ist alles in Ordnung mit dir?«, durchbrach Ranva seine Gedanken.

»Ich weiß nicht genau«, antwortete Daniel wahrheitsgemäß, »mir ist vorhin etwas echt Schräges passiert.«

»Schräger als wir?«, grinste Farah. »Das bezweifle ich. Los, lass hören!«

Daniel dachte kurz darüber nach, wie er es am besten ausdrücken sollte. Es fiel ihm schwer, da er sich nicht einmal selbst sicher darüber war, was er erlebt hatte.

»Als ich vorhin mit Raphael alleine war, konnte ich plötzlich Hass fühlen«, fing Daniel an, »und ich meine nicht, dass ich plötzlich wütend geworden bin. Ich konnte Raphaels Hass spüren.«

Vier Augenpaare richteten sich ungläubig auf ihn. »Wie meinst du das, du konntest Raphaels Hass spüren?«, fragte Ranva vollkommen perplex.

»Ich weiß auch nicht. Ich habe Raphael in die Augen gesehen, dann hat plötzlich alles angefangen, sich zu drehen«, antwortete Daniel.

»Du bist es«, flüsterte Gabriel. »Du bist der Engel des Hasses.«

»Und du wirst stark sein«, fügte Ranva hinzu. »Es wird gefährlich werden für dich.«

Automatisch sahen alle zu Wyn. Der hatte sich bisher in Schweigen gehüllt und war nur neben den anderen hergelaufen.

Gabriel stieß ihn kurz mit der Schulter an. »Hey, Wyn, bist du noch bei uns?«, fragte er.

Wyn hob den Kopf. »Was?«

»Hast du gerade überhaupt zugehört?«, wollte Farah wissen.

»Nein«, erwiderte Wyn völlig überrumpelt.

»Immerhin ist er ehrlich«, lachte Gabriel kopfschüttelnd.

Wyn sah ihn bloß verständnislos an.

»Sag schon, was geht in deinem Kopf vor?«, fragte Gabriel.

»Nichts«, antwortete Wyn, doch er wirkte nicht sehr überzeugend.

»Mal abgesehen davon, dass ich es erkenne, wenn jemand lügt«, sagte Gabriel, »sieht man dir an der Nasenspitze an, dass du nicht die Wahrheit sagst.«

Wyn lachte kurz und freudlos auf. »Du würdest mich für verrückt halten«, behauptete er.

»Sind wir nicht alle etwas verrückt?«, fragte Gabriel.

Daraufhin sagte niemand mehr etwas, woraufhin sie schweigend durch die Dunkelheit gingen.

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