Читать книгу Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag - Loretta Walz - Страница 12

Das Verhältnis zu den Befragten

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Als Filmemacherin wurde ich anders empfangen als beispielsweise Wissenschaftler, die die Geschichte des Nationalsozialismus und der KZ erforschten. Alle meine Interviews sind filmische Dokumente. Ein weiterer Unterschied zu den Historikern, die sich normalerweise nur auf Akten stützen, liegt in meinem persönlichen Zugang, in dem sich mein individuelles Interesse an Lebensgeschichten mit dem beruflichen der Dokumentaristin vermischte.

Bei den Interviews war ich mit meinen Gesprächspartnerinnen nie allein. Immer waren eine Kamera und ein Mikrofon dabei, ein Kameramann und oftmals noch ein Toningenieur und eine Übersetzerin. Doch obwohl so manches Wohnzimmer zum Fernsehstudio wurde, fanden die Gespräche fast immer in einer vertraulichen Atmosphäre statt.

Von einzelnen meiner ersten Interviewpartnerinnen – den früheren politischen Häftlingen aus Deutschland – wurde ich mit der Frage empfangen: »Bist du Genossin?« Als ich verneinte, spürte ich ein kurzes Zögern, dem die Feststellung folgte: »Ja, als Journalistin solltest du auch unabhängig sein!« Die meisten Bücher zu Themen des Widerstands und der Verfolgung waren entweder von ›Genossen‹ oder zumindest ›nahe Stehenden‹ geschrieben worden. Dass nun ›unabhängige‹ Journalistinnen sich der Themen annahmen, die bislang als Domäne der Parteiorganisierten galten, war offensichtlich befremdlich und gewöhnungsbedürftig.

Erst die Kontinuität meiner Arbeit über viele Jahre hinweg führte zu einem gewissen Vertrauensverhältnis. Bei jedem einzelnen Gespräch ging ich von dem Grundsatz aus, dass nichts, was mir erzählt wird, in einem persönlichen Sinn unwahr ist. Entsprach es dennoch nicht dem tatsächlichen Geschehen, gab es dafür einen Grund. Ich versuchte – so weit es möglich war, gemeinsam mit den Interviewpartnerinnen – zu verstehen, warum etwas erzählt wurde. In der Sammlung sollte die subjektive Wahrheit dokumentiert werden, weil sie etwas über die Persönlichkeit oder die Art und Weise der Verarbeitung der Geschichte aussagte, auch wo sie nicht exakt den historischen Geschehnissen entsprach.

Einzelne Frauen konnte ich mehrfach befragen, anderen bin ich nur für einen Tag begegnet. Es gab sowohl Arbeitstreffen mit dem Ziel, die persönlichen Erinnerungen an das Lager festzuhalten, als auch das mehrtägige Eintauchen in ein achtzigjähriges Leben. Zu einigen meiner Interviewpartnerinnen entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis, in dem wir auch Jahre nach dem Interview noch Briefkontakt hatten und uns gegenseitig besuchten, auch wenn es unmöglich war, mit allen befragten Frauen in Kontakt zu bleiben.

Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag

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