Читать книгу Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag - Loretta Walz - Страница 19

Die Biene in der Zelle

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Maria Zeh erzählte, wie sie sich alleine in der Zelle mit Turnübungen beschäftigte, um nicht in Apathie zu verfallen, wie wichtig die Geräusche um sie herum waren, und dass man ständig Gefahr lief, in den Wahnsinn abzugleiten, weil auch die Gedanken keinen Fluchtweg hatten. »Da kam eine Biene in meine Zelle – in die dunkle Zelle eine Biene! Sie flog herum und wieder davon. Abends kam sie wieder rein, und dann hab ich mit ihr gesprochen: ›Auf welchen Wiesen warst du? Wo gibt’s hier die Auen? Hat es da draußen nach Gras gerochen?‹ Da war man so unglaublich erregt und war von einer solchen Lebenssehnsucht erfüllt. Man wusste ja, du bist eingeschlossen, aber manchmal war es auch so, als ob die guten Gedanken der Menschen wie ein warmer Mantel um einen waren. Es gab auch Hochstimmungen. Aber vor allem das Gefühl: Du hast niemanden verraten. Du wirst niemanden verraten! Man hat nicht nur gelitten, aber eben immer damit zu tun gehabt, nicht schwach zu werden. Das Schlimmste war die Hitze. Gegen die Kälte konnte man Kniebeugen machen und turnen, aber die Hitze und bloß so ein bisschen Wasser, gerade genug für einen Vogel, sich zu waschen

Am 25. Februar 1938 fand ihr Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart statt. Nach ihrer Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« wurde sie noch im Februar 1938 in das Frauengefängnis Gotteszell verlegt. »Dort kam ich auch wieder in Einzelhaft, mit Steinboden, schwerer Arbeit, keine Zeit für Turnen, schlechter Verpflegung. Dort bin ich zusammengebrochen; ich hatte hohes Fieber. Als meine Strafe rum war, bin ich aber nicht heimgekommen, sondern da hieß es: Ich komme ins KZ

Nach insgesamt achtunddreißig Monaten Einzelhaft – mehr als zweieinhalb Jahren alleine in der Zelle – wurde Maria Zeh in das KZ Lichtenburg an der Elbe überführt. »Auf dem Transport hab ich Frauen getroffen, die hatten Illusionen: Wir kommen auf ein Schloss. Aber nach dem, was ich erlebt hatte in den achtunddreißig Monaten, konnte ich mir das nicht vorstellen. Die Lichtenburg war ein altes, vermodertes Schloss bei Torgau. Als wir dort ankamen, hieß es, rechts die Kommunisten, links die Juden. Da gab es gleich Schläge mit der Peitsche, Zimmer6 hat die geheißen, von der wurden wir gleich durchgeprügelt. Viele sind gar nicht mehr hochgekommen. Ich kam auf einen Strafarbeitsblock. Dort musste ich vierundzwanzig Öfen heizen und nebenher Syphiliskranke im Endstadium und solche mit offener Tbc pflegen. Das hab ich so lange gemacht, bis ich derart geschwollene Arme und Beine hatte, dass ich nicht mehr konnte. Dann kam ich ins Revier. Dort hat mich der Arzt angeschrien, Sonntag7 hieß der: ›Warum melden Sie sich nicht?‹ Und ich hab gesagt: ›Mir hat man achtunddreißig Monate lang gesagt, ich verrecke hier, und jetzt hab ich gedacht, das ist der Anfang.‹ Doch dann hat mich die Oberschwester Margarete ins Revier genommen, und da hab ich gemerkt, dass mir vieles fehlte. Ich hatte wohl einen Kurs in Krankenpflege mitgemacht als junges Mädchen, aber Wörter wie Hexamethylen, Tetramine usw. kannte ich nicht

Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag

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