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Moringen und Lichtenburg waren Kindergärten im Vergleich zu Ravensbrück

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Maria Zeh wurde im Mai 1939 in das gerade neu eröffnete Frauen-KZ Ravensbrück verlegt. Dort waren zu dieser Zeit ca. 1000 weibliche Häftlinge registriert. Der Lagerdirektor, die SS-Wachmannschaften und die Mehrzahl der Aufseherinnen kamen ebenfalls von der Lichtenburg. Auch der SS-Arzt Dr. Walter Sonntag wurde nach Ravensbrück versetzt. »Wir haben Ravensbrück eröffnet, wir waren einer der ersten Transporte. Dieser Transport war so schrecklich, weil wir keine Notdurft verrichten durften. Es war so trostlos, es gab nur Sand. Ich bin am Neckar aufgewachsen, und dann kommst du dahin an einem schönen Sommertag und hast nur Sand. Und der Ton dort! Man sagt ja, Moringen und Lichtenburg wären Kindergärten gewesen im Vergleich zu Ravensbrück

Die Ankommenden erlebten einen Schock. Sie begriffen schnell, dass die Arbeit in den Außenkommandos, im Straßenbau oder beim Entladen von Baumaterialien weitaus bedrohlicher war als die in den Büros der Lagerverwaltung, in der Küche, Wäscherei oder im Krankenrevier. Maria Zeh hatte das Glück, gleich nach ihrer Ankunft wieder gemeinsam mit Doris Maase im Revier eingesetzt zu werden. Mit denjenigen, mit denen sie bereits in der Lichtenburg zusammengearbeitet hatte, konnte sie ihre Hilfe für die Kameradinnen in Ravensbrück fortsetzen. »Als dann im September 1939 der Krieg ausbrach, sind wir, die wir uns gegenseitig anvertraut hatten und auch gefährliche Arbeiten im KZ gemacht haben, wir sind uns bloß in die Arme gefallen und haben gesagt: ›So, jetzt kommen wir nicht mehr raus.‹ Politischer Gegner zu sein und Krieg, da kommen wir nie mehr raus. Wir waren ganz am Boden. Es war der Abschied von der Jugend, vom Leben und überhaupt. Es hat doch keiner gedacht, dass wir da noch mal herauskommen. Und sofort wurde alles strenger: Das Essen wurde gekürzt, die Knute saß loser, es gab immer mehr Gründe, uns zu quälen. Es war wie eine Bestätigung, uns zu vernichten, das hat man ganz deutlich gespürt. Wir spürten, dass abgerechnet wird

Im November 1939 wurde Maria Zeh zu einem Verhör in die Ravensbrücker SS-Kommandantur gerufen. »Da wurde ich alles Mögliche gefragt, und dann sagt der: ›Was würden Sie denn machen, wenn Sie freikämen?‹ ›Ja‹, sag ich, ›ich habe keine Heimat mehr, ich weiß nicht, was ich mache. Arbeiten, wenn ich Arbeit kriege.‹ Ich wusste nicht, wo ich hin sollte. Meine Mutter war ja gestorben. Die hing mit einem Bild als Mutter von fünf Soldaten in Berlin, bei dieser faschistischen Mutterverehrung, und von mir wurde niemals gesprochen. Nur meine Brüder – fünf Soldaten. Dann sagte eine Freundin: ›Ich kauf dir einen Kamm, ich glaube, du wirst entlassen.‹ An einem schönen Tag hat es geheißen: ›Nach vorne. Entlassen!‹ Da bin ich so erschrocken, ich wollte gar nicht raus

Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag

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